Es ist nicht alltäglich, dass ein Reporter vom „Mannheimer Morgen“ einen Abschiedsbrief zugeschickt bekommt und erst Recht nicht von einem Mörder, der sich nach der Niederschrift in seiner Zelle erhängt. „MM“-Reporter Thorsten Langscheid ist genau das widerfahren. Im November 2001 fischt er aus seinem Poststapel einen Umschlag, die Adresse ist handschriftlich notiert – ein persönliches Schreiben.
Langscheid kennt den Absender. Hartmut S. war neun Monate zuvor am Mannheimer Landgericht wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hatte, so sah es das Gericht, die 34-jährige Arbeitskollegin seiner Frau mit dem Hammer erschlagen, um seiner Frau einen Gefallen zu tun. Lebenslang lautete auch das Urteil für die Ehefrau, obwohl Hartmut S. vor Gericht behauptet hatte, sie habe von der Tat nichts gewusst.
Als der Abschiedsbrief bei Langscheid eintrudelt, war die Revision der Ehefrau abgewiesen worden, der Mann hatte er fahren, dass ihr Urteil Bestand hat. Das, so wird aus den Zeilen von Hartmut S. deutlich, raubte ihm den letzten Lebenswillen. „Vielleicht gelingt es zumindest, für meine unschuldig einsitzende Ehefrau einen Gnadenerlass zu erreichen“, schreibt Hartmut S. und „Es war kein Mord, keine geplante Tötungsabsicht.“
Applaus nach dem Urteil
Langscheid, der in „Verbrechen im Quadrat“, dem True-Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“, nicht nur über diesen außergewöhnlichen Brief spricht, sondern auch über den Prozess, den er als Reporter verfolgt hatte, nimmt Hartmut S. das nicht ab. 24 Mal hatte der Mann mit dem Hammer zugeschlagen, war dann nach Hause gegangen und habe sich, wie er im Gericht erklärt, einen Cognac eingeschenkt.
Auch der damalige Vorsitzende der Kammer, Ulrich Meinerzhagen, lässt bis heute keinen Zweifel an der Tötungsabsicht des Mannes. „Diese Tat ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie tief man sinken kann“, sagt er im Gespräch mit Gerichtsreporterin Angela Boll bei „Verbrechen im Quadrat“. Applaus bekam die Kammer damals im Gerichtssaal, was Meinerzhagen, wie er betont, absolut missbilligte. Schließlich gehe es darum, dass zwei Menschenleben ausgelöscht wurden, da sei Applaus fehl am Platz.
Es war der erste Prozess, den Meinerzhagen in Mannheim anführte. 16 Jahre lang saß er dann der Schwurgerichtskammer vor, verkündete zahlreiche Urteile, viele wegen Mordes. Dennoch blieb der „Hammermord“ einer der Fälle, die ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind. „Die Tat selbst zeichnete sich durch ein eminent hohes Maß an Brutalität aus, einem erschreckenden Maß an Empathiemangel der Angeklagten, einem hohen Maß an Gewissenlosigkeit und einem Höchstmaß an Eigensucht“, so formuliert es der Jurist in „Verbrechen im Quadrat“.
Im ersten Teil zum „Hammermord“ hatte der ehemalige Mannheimer Kripo-Chef Bernd Striebel in „Verbrechen im Quadrat“ von den Ermittlungen berichtet. Strafrechtler Hans Ulrich Beust verteidigte Hartmut S. beim Prozess und erklärte im Podcast das Abhängigkeitsverhältnis zwischen seinem Mandanten und dessen Ehefrau.