Mannheim. Jede Nacht Rabbatz in der City. Gekrächze und dumpfe Rufe gellen aus der Konkordienkirche hinaus in die Dunkelheit. Ein lautstarkes Naturschauspiel geht hoch oben in R 2 im Glockenturm über die Bühne, dort lässt in diesen kalten Tagen ein Uhu-Pärchen seinen heißen Trieben freien Lauf, kennt beim Balzgehabe keine Stunde. Die Vogelkundler und Naturschützer sind begeistert über die Schaueinlage von Bubo bubo, so der wissenschaftliche Name. Sie halten jede Begegnung und Bewegung mit einer speziellen Tierbeobachtungskamera, die auch im Dunkeln filmen kann, fest. Einmalige Einblicke in die Paarungsrituale der weltgrößten Eulenart sind so geglückt.
Eigentlich hatten der Naturschutzbeauftragte Gerhard Rietschel und sein technikversierter ornithologischer Freund Peter Böcker wie in jedem Jahr die Rückkehr der Wanderfalken erwartet, das Kameraauge bereits auf ihr Erscheinen gerichtet, da landete nun nächtens am 22. Dezember zur großen Überraschung eine kleine Sensation im schon vorbereiteten Falkennest und ließ die Herzen der Vogelfreunde höher schlagen. Ein Uhu-Männchen! Es gab auf seine Art schnell zu erkennen, wer in der Greif-Hierarchie Herr im Horst ist, und dass ihm ein Uhu-Weibchen willkommen wäre.
Hoffen auf Nachwuchs
Und es erschien auch bald eines auf der Bildfläche, das mit gespitzten Federohren die Lockrufe hörte. Am 10. Januar flog „sie“ zum Date mit dem Partner ein. Seit dieser Fühlungnahme geht’s in luftiger Höhe hoch her mit wildem Flügelschlag. Das – wie in Greif-Kreisen üblich – viel zierlichere Männchen macht die Alte nach allen Regeln an. Immer dabei: die Kamera, die automatisch bei jeder Bewegung anspringt.
Das Duo Rietschel-Böcker schaut nun gespannt am Bildschirm auf alle Zuckungen des Paares. Der neue Prädator im Turm bewegt Berge, scharrt wie ein Wilder im Bett aus Sand und Kies und spielt manchmal an Vogelknochen, einer Hinterlassenschaft der Vorgänger. Eine Begattung unter Beobachtung hat noch nicht stattgefunden, aber, so Rietschel, die kann sich durchaus auch in der freien Wildbahn vollziehen, wenn sich das Paar unterwegs begegnet. Tagsüber erholen sie sich dann getrennt voneinander in irgendeiner Nische von den Strapazen des Fortpflanzungsgeschäfts.
Dass sich nun der respektgebietende Bubo bubo mit den orangegelben Augen, der in unseren Breiten fast ausgestorben war, wieder mitten in dar Stadt einnistet, darf als gutes Zeichen gewertet werden. Schon 2018 brüteten Uhus im Rheinauer Hafen zwei Junge aus, eines davon konnte sogar beringt werden, ein zweites wehrte sich gegen diese Maßnahme mit Erfolg. 2013 endete eine Uhu-Brut im Industriegebiet auf der Friesenheimer Insel allerdings verhängnisvoll. Die Alte verfütterte ihren Jungen vergiftete Ratten – alle lagen tot im Horst.
Nun wartet man auf gedeihliche Entwicklungen im Konkordien-Turm, dass noch vor Ostern ein, zwei Eier im Nest liegen. Zu jagen gibt’s rundum genug – Stadttauben, Krähen, Kaninchen satt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Stadt-Uhus nur gesunde Beute krallen, wenn sie mit ihrer gewaltigen Flügelspannweite durch die Nacht gleiten – völlig geräuschlos dank der feinen Härchen auf ihrem Gefieder. Sogar auf den Fängen wachsen Federn, so dass ihre Beute das Unheil nicht kommen hört. Übrigens: Vor lauter Bubo bubo werden die Wanderfalken nicht vergessen. Für sie hat Rietschel auf dem Fernmeldeturm schon ein ansprechendes Ausweichquartier eingerichtet.
Tiefe Einblicke
Über den Link www.youtube.com/watch?v=qIZg-JRiZQc kann man bei Youtube das Treiben im Turm von Konkordien verfolgen. Immer wieder werden spannende Szenen ins Netz gestellt.
Seit 17 Jahren wacht eine Kamera im Turm der Kirche über die Entwicklungen im Horst, wo seit 1994 Wanderfalken brüteten.
Naturschutzbeauftragter Gerhard Rietschel hat das Projekt initiiert und betreut es vor Ort, Peter Böcker steuert die Kameras von Recke bei Münster aus und installiert jedes Jahr neueste Überwachungs-Technik.
Finanziert werden die Gerätekosten vom Verein für Naturkunde. räu
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