Kurz und schmerzlos geht die Hochzeit abends um 6 Uhr im Schloss über die Bühne, so ganz ohne aristokratisches Gepränge wird die Pfalzgrafentochter Maria Anna vom Birkenfeld-Bischweiler-Rappoltstein am 30. Januar 1780 dem Pfalzgrafen Wilhelm von Zweibrücken-Birkenfeld-Gelnhausen anvermählt. Kein Bund im Liebesglück, kein rauschendes Fest, vielmehr eine von Kurfürstin Elisabeth-Auguste eingefädelte Standesehe unter Wittelsbachern. Die Nichte muss mit 28 Jahren endlich unter die Haube gebracht werden, die Linie passt, der Rest wird sich fügen. Und Carl Theodor gibt als Chef des Hauses von München aus seinen sparsamen Segen: ein kleiner Empfang, ein Souper, mehr nicht. Danach solle man die Frischvermählten zu Bett geleiten und „dann werden sie schon wissen, was sie zu tun haben“, ordnet der Kurfürst an. Sie wissen es offenbar. Denn aus dem Mannheimer Bund tritt Generationen später eine Lichtgestalt hervor: Kaiserin Elisabeth, sie ist die schöne vielgerühmte Urenkelin des Paares, Kultfigur bis heute.
Die Historikerin Eleonore Kopsch, mit den Stammbäumen der Wittelsbacher vertraut bis in die feinsten Verästelungen, hat die genealogischen Entwicklungen in den Linien mit leichter Hand in der aktuellen Ausgabe der Mannheimer Geschichtsblätter nachgezeichnet. Und weil sie als ehemalige Oberstudienrätin die Reize ihres Stoffes bestens kennt, hat sie der reinen Faktenlehre eine Dosis Tratsch und Klatsch beigemischt. Um am Ende über Sisi und ihren Vater, den „Zithermaxl“ Herzog Maximilian in Bayern, doch wieder zurückzukommen auf einen toten Punkt in Mannheim.
Krieger für die Deutsche Sache
Die Grablege der letzten lutherischen Wittelsbacher im Keller des Trinitatis-Kirchturmes in G 4. Der Ururgroßvater von Sisi, Johann Carl von Birkenfeld-Gelnhausen, und dessen gleichnamiger Sohn fanden hier ihre letzte Ruhe. Die wurde allerdings durch die Zerstörung der Trinitatiskirche im Zweiten Weltkrieg gestört. Die Gruft fiel bei einem Luftangriff am 1. März vollständig in sich zusammen. Die Gebeine der „durchlauchtigsten Fürsten und Herren“ konnten gerettet und in Zinksärge gebettet werden. Im Keller des nach dem Krieg neu erbauten Trinitatis-Turmes bekamen sie quadratisch schmucklos ihren Standort. Kein Ehrenplatz mit Erinnerungswert, der Turmkeller ist nicht zugänglich und - sehr zum Bedauern der Autorin - weiß kaum jemand von der Grablege des Sisi-Ururgroßvaters mitten in Mannheim.
Von ihren markanten Gräbern auf dem Mannheimer Hauptfriedhof weiß jeder, von der blutigen Geschichte auch: Der Mord den Karl Ludwig Sand an August von Kotzebue am 23. März 1819 verübte, erregte deutschlandweit Aufsehen, wühlte die Volksseele auf. In seinem Beitrag „Tatort Mannheim“ beleuchtet Harald Stockert die politische Stimmungslage in jenen Tagen, als der junge Sand abends um halb sechs in A 2, 5 klingelte, den Hausherrn zu sprechen wünschte und den Dichter, der ihm wegen seiner Russlandkontakte als Hassfigur erschien, dann mit den Worten „Hier, du Verräter des Vaterlandes“ mit einem Dolch niederstreckte. Einem Diener drückte er noch ein Bekennerschreiben in die Hand und versuchte dann erfolglos, sich selbst zu erstechen.
Patriotismus trifft auf Eifer
Sand überlebte, wurde gesundgepflegt und dann seiner Strafe zugeführt. Am 20. Mai kam es zum Spektakel auf dem Richtplatz am Heidelberger Tor, mit zwei kräftigen Schwerthieben machte der Henker Sand einen Kopf kürzer. Soweit wohlbekannt, doch Stockert schärft die Historie nach und analysiert das Klima nach dem Wartburgfest, als sich flammender Patriotismus mit religiösem Eifer zu einem wahnhaften Gemisch zusammenbraute, als Werkzeug Gottes wollten die Kämpfer für die Einigung und Befreiung des geliebten Vaterlandes streiten.
So einer wie Sand passte ins Stimmungsbild, sogar im wohlgesitteten Bürgertum fanden sich Verehrer für den Mörder, der den Märtyrertod für „seyn Vaterland“ gestorben war. Im Schlafzimmer der honorigen Bankiersgattin Wilhelmine Bassermann hing schön gerahmt ein Porträt des Mörders. Allerdings, so Autor Stockert, war nicht ganz Mannheim vom Sandkult erfasst, ein differenziertes Bild von der Gefühlslage müsse noch gezeichnet werden.
Pikante Einblicke in die „Duellkultur“ des 19. Jahrhunderts in Mannheim gewährt Doreen Kelimes in ihrem Aufsatz „Von Mut und Ehre“, als Paradebeispiel wird dabei Bankdirektor Wilhelm Köster vorgeführt. Der trat als gehörnter Ehemann am 25. November 1886 dem Seconde-Lieutenant Edmund Scheele im Käfertaler Wald gegenüber, wo Händel dieser Art gewohnheitsmäßig ausgetragen wurden. Der stramme Dragoner Scheele hauchte denn auch dort sein Leben aus, ein Skandal, der die Boulevardblätter bis 1894 beschäftigte. Köster kam fein heraus aus der peinlichen Geschichte, nach kurzer Festungshaft wurde er von Kaier Wilhelm I. begnadigt, die Köster-Ehe geschieden, der Duellant erhielt – Ehrensache – das Sorgerecht für die Kinder.
Schicksal eines Bankrotteurs
Von Schmach, Schuld und Schande, die ein Bankrotteur am Ende des 19. Jahrhunderts erleiden musste, berichtet Sebastian Parzer in seinem Beitrag „Die Mannheimer Privatbank Salomon Maas“. Eine Aufstiegsgeschichte bis zum gnadenlosen Absturz. Andere Firmen wurden mit in den Strudel der Pleite gerissen, Selbstmorde waren die Folge, der Abgrund öffnete sich. Im Oktober 1894 wurde der Hausstand der Delphine Mass öffentlich versteigert, Brillanten, Bechstein-Flügel, Meißener und Frankenthaler Porzellane – alles perdu… nur Schadenfreude und Häme durfte die Familie auf der Haben-Seite verbuchen.
160 Seiten Geschichte mit Licht und Schatten, von Reichsminister Albert Speer bis zum Schulreformer Joseph Anton Sickinger oder dem Gegen-Papst Johannes XXIII. reicht das Spektrum, fächert sich die Historie im Jahrhunderte-Spannungsbogen auf, und man weiß nach der Lektüre der Geschichtsblätter mehr, über Sisi, Gott und die Mannheimer Welt.
Die Ausgabe 38-2019
- Herausgeber der Mannheimer Geschichtsblätter Ausgabe 38-2019 sind Hermann Wiegand und Wilhelm Kreutz vom Mannheimer Altertumsverein, Alfried Wieczorek von den Reiss-Engelhorn-Museen (rem), Ulrich Nieß vom Marchivum sowie Hans-Jürgen Buderer vom Fördererkreis der rem.
- Zweimal im Jahr werden für interessierte Laien aktuelle wissenschaftliche Beiträge zur Mannheimer Stadt und kurpfälzischen Landesgeschichte präsentiert.
- Die Reihe erscheint im Verlag Regionalkultur, 160 Seiten, 19,80 Euro. ISSN 0948-2784, ISBN: 978-3-95505-189-1.
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