Eigentlich sollte dieser Artikel in etwa so beginnen: Manchmal könnte man meinen, die interessantesten Menschen der Welt wohnen hinter den Türen, hinter denen "Couchsurfing" angeboten wird. Es wäre das Fazit meines Selbstversuchs gewesen, in Mannheim zu "couchsurfen". Nun muss ich den Anfang ändern. Nach meiner letzten Begegnung mit einem "Couchsurfer" fehlte mir plötzlich viel Geld. Der Vorfall hat sich außerhalb des Selbstversuchs und nicht in Mannheim ereignet. Der Mannheimer Polizei sind zwar keine Delikte in Zusammenhang mit "Couchsurfing" bekannt. Ein Plädoyer, gut aufzupassen, ist es aber wohl dennoch.
Zu Gast bei Svenja Knootz. Sie ist eine von rund 7400 Mannheimern und eine von rund zehn Millionen Menschen weltweit, die Reisenden kostenlos ihr Gästebett anbieten. Vermittelt über das Internet nennt sich dieses relativ junge Phänomen "Couchsurfing". Es ist drei Uhr nachts. Die Studentin muss morgen früh in die Uni, sie hätte vor Stunden ins Bett gehen wollen, aber wir haben uns viel zu sagen. Dabei kennen wir uns erst ein paar Stunden. Nun beschließen wir, uns bis 3.30 Uhr zu geben, dann: Ab ins Bett!
Wir haben zusammen gekocht und gegessen. Ich weiß nun, wo die 25-Jährige herkommt, was sie studiert und welche "Couchsurfer" vor mir schon am Tisch ihrer großen Wohnküche in den Quadraten saßen. "Ein Georgier war hier, davor zwei Mädels", erzählt sie. Svenja selbst hat bisher nur bei Männern übernachtet. Angst hat sie keine.
Ein anderer Tag, eine andere Wohnung: "Wie schade, dass ihr nicht länger bleibt", ruft Dariane Aguiar. Sie strahlt über das ganze Gesicht. Ihre Worte richten sich an eine junge Russin und mich. Wir beide sind für eine Nacht die Gäste bei der Daimler-Praktikantin. Nachdem wir angekommen sind und unsere Taschen in die Ecke gestellt haben, schlägt sie einen Spaziergang zu den Rheinterrassen vor.
Es sind Situationen wie diese, die "Couchsurfing" so bereichernd machen. Wer im Urlaub nur in Hotels eincheckt, wird niemals so viel Gastfreundschaft erfahren, Insidertipps erhalten und eventuell Freundschaften fürs Leben knüpfen. Doch bei allem sind gesunder Menschenverstand und Vorsicht gefragt.
"Ich habe wirklich nichts Wertvolles in meinem Zimmer", sagt Svenja nach kurzem Überlegen. "Alle wichtigen Bankunterlagen sind bei meinen Eltern." Dass sie mit einer Freundin unterwegs war, darüber ist Dariane froh, wenn sie von einer Erfahrung in Barcelona erzählt. "Wir hatten einen Gastgeber, der die ganze Zeit anzügliche Witze gemacht hat. Am nächsten Morgen sind wir sofort ausgezogen."
Besser vorher nachsehen
Dabei hatte die 22-Jährige vorher die Referenzen im Internet gelesen, die andere dem Mann geschrieben hatten. Überhaupt sehe sie sich immer die Bewertungen und die Fotos eines "Couchsurfers" an. "Manchmal gehe ich auch zusätzlich auf seine Facebookseite", erzählt Dariane - zur Sicherheit.
Referenzen geben sich die Mitglieder der Internet-Plattform gegenseitig, so dass andere wissen, ob eine Person vertrauenswürdig ist. Je neuer ein Profil ist und je weniger Referenzen es hat, desto unklarer ist, wer dahinter steckt. Weitere Sicherheit soll die "Verified"-Funktion schaffen. Mitglieder können mit ihrer Kreditkarte rund zehn Euro an Couchsurfing zahlen. Da Kreditkarten mit persönlichen Daten verbunden sind, soll so bewiesen werden, dass eine Person echt ist. Im Rückblick muss ich erkennen, dass im Falle meines Gastes keine der Sicherheitskriterien zutrafen.
Bekanntschaften wie die mit Svenja und Dariane in Mannheim helfen mir aber nun, über die Enttäuschung hinwegzukommen. Auf sie trifft der geplante Beginn des Artikels zu: Die interessantesten Menschen der Welt wohnen meist hinter den Türen, hinter denen "Couchsurfing" angeboten wird.
So funktioniert es
- Rund 7400 Mannheimer bieten ihre auf dem Couchsurfing-Portal im Internet eine Möglichkeit zur kostenlosen Übernachtung an.
- Der Begriff "Couchsurfing" kommt daher, dass es sich eben oft um eine Couch handelt, auf der die Gäste schlafen dürfen. Wer dann von einer Couch zur nächsten zieht, surft von Couch zu Couch - ein "Couchsurfer".
- Einen geeigneten Gastgeber findet man mit Hilfe der Profile, die jeder Einzelne im Internet von sich anlegt. Hier geben die Mitglieder Informationen über ihre Tätigkeit, ihr Leben und ihre Hobbys.
- Das Portal im Internet: www.couchsurfing.com
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