Umwelt

Über 130 000 Zigaretten gesammelt: So stark belasten weggeworfene Kippen Mannheims Ufer

Warum Mannheim ein Problem mit achtlos entsorgten Zigaretten hat und wie viel die Umweltaktivisten Surfrider in nur einer Woche an den Ufern von Neckar und Rhein gesammelt haben

Von 
Lisa Uhlmann
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Erschreckend: 135 000 Zigarettenstummel haben Aktivisten bei der Aktion „Rheinkippen“ an den Ufern aufgesammelt. © Wazulin

„Achtung Achtung, hier ist Giftmüll gelagert, halten Sie bitte Abstand!“, ruft Umweltaktivist Uwe Franken durchs Megafon den vorbeieilenden Passanten auf der Fressgasse zu. Komplett eingehüllt in weiße Schutzanzüge und Masken kippen Franken und seine Helferinnen dann den ersten Sack voller stinkender Zigarettenstummel in eine durchsichtige Röhre. Gleich vier solcher Müllsäcke wandern so nach und nach hinterher.

Ihr Inhalt besteht aus insgesamt 135 000 Stummeln, die die Umweltaktivisten von der Organisation Surfrider Baden-Pfalz allein in einer Woche von der Neckarwiese, dem Strandbad, vom Rheinufer und am Verbindungskanal im Jungbusch gesammelt haben. Wie giftig die achtlos weggeworfenen Kippen für Umwelt, Tiere und Kinder sein können, zählt Franken zwischen jedem neuen Sack auf, dessen Inhalt die Helferinnen in die Säule schütten.

Allein eine Zigarette kann bis zu 40 Liter Grundwasser verunreinigen. Was viele zudem nicht wüssten: Ein Filter enthält unzählige Giftstoffe, wie etwa Arsen, Chrom, Blei und natürlich das Nervengift Nikotin. Durch Regen werden diese Stoffe aus den Filtern herausgespült und gelangen so ins Grundwasser. „Die Menge an Kippenstummeln ist schon sehr erschreckend und mehr als vor zwei Jahren. Allerdings scheint das Bewusstsein für dieses Umweltproblem zu wachsen, viele wollen bei unseren Müllsammelaktionen mitmachen“, gibt sich Franken zufrieden. Rund 30 Helfende seien bei der Aktionswoche „Rheinkippen 2022“ dabei gewesen, Unterstützung gab es beim Müllsammeln in der Hitze durch kühle Getränke von umliegenden Lokalen wie am Alter oder am Strandbad. Ursprünglich ins Leben gerufen hat die Aktionswoche die Düsseldorfer Initiative Rheincleanup.

Längst beteiligen sich jährlich Gruppen in zig Großstädte entlang des Rheins, ähnlich wie die Surfrider Baden-Pfalz. Das Ziel: aufmerksam machen auf die wachsende Umweltbelastung durch weggeworfene Kippen und Rauchende wachrütteln. Aber hat die Quadratestadt wirklich ein ernsthaftes Problem damit?

„Das muss man leider mit ,Ja’ beantworten. Pro Jahr sammeln wir 58 Tonnen Zigarettenstummel in Mannheim ein. Viele wissen noch immer nicht, wohin mit der Kippe“, sagt Eigenbetriebsleiter Markus Roeingh vom Stadtraumservice, der auch für die Abfallwirtschaft zuständig ist. Und weil nicht nur das Müllsammeln selbst wichtig ist, sondern auch die richtige Entsorgung, ist der Stadtraumservice bei dieser Aktion wieder mit im Boot. Wo man den Glimmstängel korrekt entsorgt, darüber klären die Mitarbeiter an diesem Tag an ihrem Stand auf: So können Gaststätten oder private Haushalte etwa ihre Zigaretten bei Recylinghöfen abgeben. Weil diese Kunststoff enthalten, gehören sie in den Restmüll, wo sie verbrannt werden. Der Großteil der Kippen, die die städtischen Saubermacher pro Jahr aufsammeln, findet sich laut Roeingh auf der Straße - lediglich ein Viertel landet in den Mülleimern. Das will der Stadtraumservice ändern - unter anderem mit kostenlosen Taschenaschenbechern. Darin lassen sich die Stummel praktisch aufbewahren, um sie später richtig zu entsorgen, statt einfach fallenzulassen. Diese Alltagshelfer kann sich jeder und jede in den nächsten zwei Wochen im Kundencenter des Stadtraumservice (Käfertalerstraße 248) kostenlos abholen.

Wie umweltschädlich der Zigarettenmüll wirklich ist, wenn er in Flüssen oder auf Wiesen landet, darüber klärt Aktivist Franken durchs Megafon auf, während ein weiterer Müllsack mit 20 000 Kippen, gesammelt am Verbindungskanal im Jungbusch, in der Röhre verschwindet. Tatsächlich brauchen die Filter bis zu 15 Jahren, bis sie sich zersetzt haben. Gelangen sie ins Meer, dauere das an die 100 Jahre. „Unsere Urenkel lassen grüßen“, ruft Franken. Die Stummel seien besonders für Vögel gefährlich. Die halten die Filter fälschlicherweise für Futter - und verhungern so trotz vollem Magen.

Alarmierend, dass die Umweltaktivisten über die Hälfte der Abfälle im Überschwemmungsgebiet an Neckar- und Rheinufer gefunden haben - und damit im Lebensraum von vielen Tieren. Entsorgt wird giftige Müll später in Köln, wo sich eine Initiative aufs Recyclen von Zigaretten spezialisiert hat. Und die Säule auf der Fressgasse? Sie verfehlt, randgefüllt mit Zigarettenmüll, ihre Wirkung nicht: Immer wieder bleiben Passanten angewidert und ungläubig davor stehen.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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