Universität - Studentinnen besuchen die Schlachtfelder von Verdun / Ein Erfahrungsbericht

Tränen am Ende der Reise

Von 
Cosima Besse
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Studentinnen und Christian Specht lesen aus Soldatenbriefen vor.

© Becker

300 000 - so viele Menschen wohnen in Mannheim. Und so viele Menschen starben im Ersten Weltkrieg bei den Schlachten von Verdun, mindestens. Das romanische Seminar der Universität Mannheim besichtigte jetzt die französische Stadt und ihre Gedenkstätten. Ziel der (Zeit)Reise: Geschichte "erleben". Im Schnitt starben hier im Jahr 1916 jeden Tag 1000 Soldaten. Und das 300 Tage lang. Unter den Gefallenen waren 12 000 Soldaten aus Mannheim. Solche Zahlen begegnen uns während der Fahrt fortwährend, eine schlimmer als die andere. Das Grauen ist messbar.

"Jeder von uns hat sicher einen Vorfahren, sei es auf deutscher oder französischer Seite, der in Verdun gekämpft hat. 100 Jahre später fahren wir in Frieden dorthin - ist das nicht unglaublich?", sagt Caroline Mary-Franssen, Lektoratsleiterin für Französisch an der Universität und Organisatorin der Exkursion.

"Eine Kälte wie damals"

Im Bus sitzen Französisch-Studentinnen und Vertreter des politischen und kulturellen Lebens in Mannheim. Wir besuchen Kriegsschauplätze, Gedenkstätten und Museen. Auf der Busfahrt zum Hotel schwirren Gedanken des Entsetzens durch den Kopf. Hier soll vor 100 Jahren das Blut tausender Soldaten die Erde getränkt haben?

Auf der "Combres-Höhe" begegneten sich französische und deutsche Soldaten in erbitterten Kämpfen. Krater und Überreste der Schützengräben zeugen davon. Unter deutschen Soldaten kursierte der Spitzname "Sargdeckel" für diese Gegend. Nach dem Krieg wurde der Hügel bewaldet, um die Narben des Bodens zu bedecken. Wir waten durch den Schlamm, ein kalter Wind bläst. "Ich wollte, dass unsere Exkursion im Winter stattfindet, damit wir selbst eine ähnliche Kälte wie damals spüren", sagt Mary-Franssen.

Wir enthüllen den ersten Gedenkstein eines deutschen Soldaten auf französischem Boden. Für Xavier Pierson, Colonel und Ritter der französischen Ehrenlegion, ist das europäische Projekt ein Projekt der Freundschaft und des Friedens. Er reicht Mannheims Erstem Bürgermeister Christian Specht die Hand. "Wir begegnen uns heute in Freundschaft. Ein Ausdruck dessen ist, dass ich als Deutscher Frankreich vertreten darf. Das wäre noch vor 100 Jahren undenkbar gewesen", erklärt Folker Zöller, Honorarkonsul der Französischen Republik.

Die zwei intensiven Tage wühlen auf. Am Ende stehen wir alle auf dem Soldatenfriedhof. Über 16 000 weiße Kreuze, soweit das Auge reicht. So viele Namen, zu viele Tote. Gemeinsam lesen wir Ausschnitte aus Briefen deutscher und französischer Soldaten vor. Während der Schweigeminute kullern die Tränen.

Es bleibt der Wunsch, die deutsch-französische Beziehung mehr denn je zu zelebrieren; und eine tiefe Dankbarkeit für den Frieden, der in Europa herrscht. "Diese Studienfahrt ist eine große Geste für das Gedenken an den Ersten Weltkrieg", sagt Specht. Er wünscht sich, "dass diese Reise sich als fester Bestandteil der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der Region etabliert". In Kooperation mit dem Institut français sollen bald weitere Fahrten angeboten werden.

Cosima Besse (23) studiert im zweiten Semester Literatur, Medien und Kultur der Moderne

Teilnehmer der Studienreise

  • Die Studienreise nach Verdun organisierte Caroline Mary-Franssen vom Romanischen Seminar der Uni Mannheim.
  • Neben knapp 30 Studentinnen waren auch Vertreter aus Politik und Kultur dabei, darunter Erster Bürgermeister Christian Specht, Folker Zöller, französischer Ehrenkonsul in Mannheim, der französische Generalkonsul in München Jean-Claude Brunet, die Geschäftsführerin des Institut français, Anna Eißfeller, und Alfried Wieczoreck, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen.

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