Amtsgericht

Tierquälerei bei Mannheimer Reiterstaffel? Prozess gegen Polizisten vertagt

Bei der Reiterstaffel der Polizei in Mannheim sind mehr als ein Dutzend Tiere im Einsatz. Einige Pferde sollen mit Dosen, Schlägen und Pfefferpaste gequält worden sein. Unter Verdacht: Polizisten

Von 
Lisa Uhlmann
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Amtsgericht Mannheim (Symbolbild)
© Prosswitz

Mannheim. Haben zwei Polizisten der Mannheimer Reiterstaffel mehrere Pferde gequält? Eine Antwort sowie ein rechtsgültiges Urteil dazu wird es wohl erst im neuen Jahr geben. Denn der Prozess am Mannheimer Amtsgericht ist am vergangenen Donnerstag, nach knapp einer Stunde, wegen eines Krankheitsfalls vertragt worden – auf Ende Februar 2024.

Bevor die Richterin an diesem frühen Dezembermorgen den Prozess unterbricht, bevor er richtig begonnen hat, verliest die Staatsanwaltschaft ihre Anklage: Darin wird den Beamten vorgeworfen, getrennt voneinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen Winter 2019 und Ende 2021 Tiere mit einer Reitgerte und der flachen Hand geschlagen zu haben. So soll ein 54-jähriger Beamter aus Mannheim mehrfach Tiere fest mit der Reitgerte und der flachen Hand geschlagen haben, mit einer „gefühlslosen Gesinnung“, wie es der Staatsanwalt formuliert. Auch während eines Trainings soll der Mann bei einem anderen Dienstpferd das Tier geschlagen haben.

Seinem damals 38-jährigen Kollegen aus Bruchsal wirft die Staatsanwaltschaft ebenfalls Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vor: So soll der jüngere Polizist einem Pferd einen sogenannten Klappersack umgehängt haben. Das ist ein Jutesack mit leeren Dosen darin. Die dadurch verursachten Klappergeräusche sollen das Tier so verängstigt haben, dass es panisch bis zur Erschöpfung davongerannt sei.

Pferd soll versucht haben, zu flüchten

In einem anderen Fall soll der 38-Jährige das Pferd Gladiator in eine Box gesperrt haben – und dann so fest mit einer Reitgerte auf das Tier eingeschlagen haben, dass ein Zischen in der Luft hörbar sowie Striemen auf dem Körper des Tieres erkennbar gewesen seien. Das Dienstpferd soll sich daraufhin auf die Hinterläufe gestellt und versucht haben, durch das Fenster der Box zu flüchten. Bei einem weiteren Dienstpferd habe derselbe Beamte über Tage hinweg eine Paste auf Pfefferbasis am Futtertrog angebracht, um eine Verhaltensauffälligkeit des Tiers zu unterbinden, im Fachjargon auch „Koppen“ genannt. Dabei beißen Pferde mit den Vorderzähnen auf Gegenstände und saugen Luft ein – was klingt wie ein Rülpsen. Warum die Tiere sich so verhalten, ist zwar unklar. Der Zweck soll laut Tierärzten Stressabbau sein.

Die genannten Vorfälle sollen sich bei der Mannheimer Reiterstaffel ereignet haben, die aktuell noch in Straßenheim stationiert ist. Dort findet auch die Ausbildung der Tiere statt, die eineinhalb Jahre dauert. Dabei werden die Fluchttiere an akustische wie optische Reize gewöhnt und lernen, den Beamten blind zu gehorchen, obwohl ihr Instinkt auf Flucht programmiert ist. Bei Demonstrationen und Fußballspielen werden sie ebenso eingesetzt wie als Streifen in Naturschutzgebieten oder Städten. Der Deutsche Tierschutzbund hat den Einsatz von Pferden bei Veranstaltungen mit extrem hohem Geräuschpegel schon in der Vergangenheit kritisch gesehen. Pferde hätten ein sehr empfindliches Gehör, deshalb sollten Polizeipferde vor allem in schwer befahrbaren bewaldeten Gebieten und Grünanlagen zum Einsatz kommen, so der Tierschutzbund. Erfahrene Ausbildungsleiterinnen der Reiterstaffel etwa in Hessen weisen die Kritik zurück und verweisen darauf, dass mit entsprechendem Training die Tiere dabei keine Panik mehr bekommen.

15 Reiter und Tiere bei Staffel

Die Zahl der Beschäftigten und Tiere bei der Reiterstaffel in Mannheim schwankt den Angaben zufolge. Generell gebe es Bedarf an 15 vollqualifizierten Polizeipferden, 15 Polizeireitern und -reiterinnen sowie einer Leitung und sechs Menschen zur Betreuung der Tiere. Bereits vor zwei Jahren gab es Pläne der Landesregierung, die Mannheimer Reiterstaffel aufzulösen und sie nach Bruchsal zu verlagern. Denn die Reiter unterstehen seit der Polizeistrukturreform 2014 der Bereitschafspolizeidirektion Bruchsal. Die wiederum führt ebenso wie die Stuttgarter Polizeireiter das Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen, zu dem alle Spezialeinheiten (Wasserschutzpolizei, Hubschrauber) zählen.

Aufgeflogen waren die mutmaßlichen Vorfälle bei der Mannheimer Reiterstaffel durch eine Beschwerde Mitte März 2022. Details dazu nannte ein Sprecher aber nicht. Interne Konsequenzen gab es bisher nicht: „Von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens wurde vorläufig abgesehen, der Vorgang wird nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens abschließend geprüft.“ Die Tierschutzorganisation Peta fordert indes „ein sofortiges Tier-Betreuungsverbot für und ein Disziplinarverfahren gegen die betroffenen Polizisten“. Peta hält Tierquälerei bei der Polizei und der Ausbildung von Pferden und Hunden für „systemisch“ und kritisiert, dass Tiere als Hilfsmittel für Einsätze benutzt würden.

Angeklagte wollen sich persönlich nicht äußern

Die Beamten waren den Angaben nach zur Tatzeit 38 beziehungsweise 54 Jahre alt. Sie haben die Strafbefehle nicht akzeptiert, wie ein Gerichtssprecher erklärte. Daher wird nun verhandelt. Der Vorwurf lautet auf Verdacht des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Zur Höhe der Strafbefehle machte der Sprecher keine Angaben. Zum Prozess waren sieben Zeugen geladen sowie eine Gutachterin, die wegen einer Erkrankung nicht erscheinen konnte.

Zum Prozessbeginn hatten beide Angeklagten erklärt, sich nicht persönlich zu den Tatvorwürfen zu äußern, und auf eine Erklärung ihrer Verteidiger verwiesen. Vertreten werden beide durch Rechtsanwälte der Bruchsaler Kanzlei Schwerter und Kollegen. Nach der Anklageschrift hatten sich alle Prozessbeteiligten zu einer Rechtsbesprechung zurückgezogen. Wie die Richterin danach erklärte, habe man über die möglichen Folgen der Beweisaufnahme sowie der Bestätigung der Vorwürfe gesprochen. Wegen des Krankheitsfalls der Gutachterin wurde der Prozess unterbrochen und vertragt. Die Beamten sind laut Polizeipräsidium Einsatz noch bei der Reiterstaffel beschäftigt. (mit dpa)

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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