Mannheim. Kugelschreiber, Luftballons, Sticker, Plakate, Taschen, Pullis, T-Shirts, sogar Sonnenbrillen - und das alles in modernem grellgelb. Wenn man den ebenfalls gelben Container betritt, der am Samstag vor dem Technoseum steht, wirkt die Aufmachung wie der Fanshop eines Fußballvereins. Die dominierenden Farben: Knallgelb und schwarz, dazu stilvolle Holzregale und Schubladen.
Tatsächlich mögen für den ein oder anderen Erinnerungen an den Lieblingsverein aufkommen, aber das ist nicht nur geographisch weit gefehlt. Werbung wird hier für etwas ganz anderes gemacht: „The Länd“, eine englisch-deutsche Neuschöpfung anspielend auf das schwäbisch Wort „Ländle“, also Baden-Württemberg. Modern, einprägsam und international soll die neue Imagekampagne des Landes Baden-Württemberg wirken: Man wolle sich neu erfinden und positionieren, heißt es aus Stuttgart. „The Länd“ präsentiere Baden-Württemberg als führenden Standort für Technologie und Innovation, gleichzeitig aber auch als lebenswerten Ort mit hoher Lebensqualität. So soll dem Arbeitskräftemangel entgegengewirkt werden. Neben den gelben Plakaten, die quasi über Nacht im ganzen „Länd“ aufgetaucht sind, tourt seit dem 29. Oktober ein mobiler „Fänshop“ durch verschiedene Städte.
Obwohl die Kampagne deutschlandweit belächelt, kritisiert oder sogar als rechtswidrig bezeichnet wird - der „Fänshop“ ist ein Selbstläufer. „Wir haben um neun Uhr aufgemacht und die Leute standen schon Schlange“, berichtet Anna, die den Laden betreut. „Die einzige negative Reaktion kam, weil Artikel teilweise schon ausverkauft waren.“ Mit der Resonanz habe man nicht gerechnet. Im offiziellen Onlineshop sind bereits nach kürzester Zeit alle Artikel vergriffen - „älles weg“ heißt es.
„Finde das Denglisch witzig“
Marion Nürnberger ist extra aus Brühl gekommen um „The Täsch“, eine schwarze Tragetasche mit grellgelbem Aufdruck, zu erwerben. „Wir waren in Stuttgart die Oma besuchen und dort schon drei Mal vergeblich am Stand und hier ist sie auch weg“, ärgert sie sich. Den gelben Kapuzenpulli würden sie und ihre Kinder (15 und 17) nicht tragen, aber die Kampagne finden sie alle „total witzig“. „Die Aktion ist in aller Munde und je länger es das gibt, desto mehr identifizieren wir uns damit“, findet sie. Aber: „Ich bezweifle, dass so wirklich Arbeitskräfte angelockt werden können, besonders nicht international.“
Viele Produkte in Mannheim schnell vergriffen
„The Länd“ ist die neue Werbekampagne von Baden-Württemberg. In Mannheim wird der dazugehörige „Fänshop“ noch an diesem Montag von 9 bis 17 Uhr am Technoseum stehen. Artikel sind teils kostenlos, teils kostenpflichtig zu erwerben.
Vor der offiziellen Präsentation wurden in ganz Baden-Württemberg per „Guerilla-Marketing“ über Nacht gelbe Plakate aufgehängt mit der Aufschrift „Willkommen in THE LÄND“. Kritisiert wurde dies u.a. im Landtag seitens der Opposition.
Nach Angaben des Staatsministeriums kostet die Kampagne 21 Millionen Euro. Entwickelt wurde sie von der Werbeagentur „Jung von Matt Neckar“ mit der Agentur „Milla & Partner“. Mehr unter www.thelaend.de .
Eike Reimann ist mit ihrem Mann Jürgen Kollum auf dem Weg vom Luisenpark vorbeigekommen und stimmt Marion Nürnberger zu. „Ich glaube, dass das Ganze eher etwas Kurzfristiges sein wird und der Rummel bald abflacht“, meint sie. Ihren Humor trifft die Imagekampagne aber trotzdem. „Eigentlich bin ich ja gegen dieses Denglisch. Aber das finde ich einfach witzig“, schmunzelt sie. Die beiden kaufen sich sogar ein T-Shirt und einen Pulli. Insgesamt fällt auf: Zwar trifft das Design und der Witz auf große Resonanz, die Botschaft, die „The Länd“ zu transportieren versucht, nämlich die eines attraktiven, modernen Baden-Württembergs, scheint aber dahinter fast unterzugehen.
Zwar ist die Kampagne auf mehrere Jahre ausgelegt, soll sogar international ausgebaut werden und so den Slogan „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ ablösen. Genau das bezweifeln aber viele Mannheimer. „Der alte Spruch war witziger und gerade mit den „ä“-Lauten - das versteht man ja nur hier“, so Michael Lehnert, der mit seiner Frau Simone und seinen Kindern Oskar und Marieluise aus der Gartenstadt kommt. Einen Pulli kaufen sich Oskar und seine Mutter trotzdem. „Man fällt auf - auch zum Beispiel im Urlaub. Ich finde alles sehr gut gemacht und wir müssen uns als Baden-Württemberger ja auch wirklich nicht verstecken“, schmunzelt Simone Lehnert.
Tim Beirer (6) besucht mit seinem Vater den Pop up-Laden und freut sich über seinen Erwerb - obwohl der Pulli um kurz nach zwölf in seiner eigentlichen Größe schon ausverkauft ist: „Gelb ist meine Lieblingsfarbe und ich finde den richtig schön“. Sein Vater Jochen pflichtet ihm bezüglich der Aufmachung der Kampagne bei, kritisiert aber die vergleichsweise hohen Kosten von gut 21 Millionen Euro. „Da kommt natürlich die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis auf und eigentlich gibt es gerade genug andere Probleme.“ Weiterer Kritikpunkt: Wer ist eigentlich die Zielgruppe? Zwar sei in Mannheim laut Verkäuferin Anna ein breites Publikum vertreten, aber lässt sich der Arbeitskräftemangel allein mit gelben Sonnenbrillen und Stickern kompensieren?
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