Mannheim. Der Demozug in Mannheim ist bereits von weitem zu hören: Feurige Sambaklänge von Musikerinnen und Musikern des Trommelpalasts führen die Parade an, dahinter erschallt „Born This Way“ von Lady Gaga aus den Lautsprechern.
Die Teilnehmenden tragen Plakate mit knackigen Sprüchen wie „Für einen Frühling ohne Merz“, „Meine Love Language ist Wählen Gehen“ und „Remigriert euch ins Knie“. Viele der rund 4000 Demonstrierenden tragen Regenbogenflaggen über den Schultern, oder im Gesicht. Manche sind bunt geschminkt, viele farbenfroh gekleidet.
Die Demo „Wähl Liebe“, die an diesem Samstag in verschiedenen Großstädten in Deutschland über die Bühne geht, möchte ein Zeichen für Diversität und gegen Hass setzen - und diejenigen, die nicht wählen gehen möchte zeigen, wie wichtig es ist, am Sonntag bei der Bundestagswahl sein Kreuz zu machen.
In Mannheim wird die Aktion organisiert von Monnem Pride e.V, die auch den CSD in der Quadratestadt auf die Beine stelen, Queeres Zentrum Mannheim e.V., Queer im Schloss sowie Studio Herrlichkeit. Nachdem alle vom Schlosshof bis zur Endstation am Alten Messplatz gelaufen sind, geht es dort mit verschiedenen Kundgebungen von der ehemaligen Sprecherin des Migrationsbeirats, Zahra Alibabnezhad Salem, Plus for Refugees, Mannheim sagt Ja, Forum der Religionen, dem DGB sowie der Letzten Generation.
Los geht es um 11.55 Uhr, also fünf vor zwölf. Bereits die Uhrzeit, an dem die Veranstaltung startet, ist ein lautes Signal. Noch ist Zeit, etwas gegen den Rechtsruck zu tun – und die Menschen, die wahlmüde sind, dazu zu animieren, doch noch an die Urne zu gehen.
Oliver Mauritz und Rico Forberg positionieren sich gegen rechts, um für ihre Menschenrechte zu kämpfen. „Wir sind queer und möchten die gleichen Rechte für alle“, beton Mauritz. Benjamin Weinecck und Marcus Poller befürchten die möglichen Konsequenzen des Rechtsrucks ebenfalls. „Wir sind eine Regenbogenfamilie“, sagt Poller. Sie positionieren sich deshalb gegen Intoleranz und für Vielfalt. Partner erklärt: Deshalb steht auf unseren Plakaten. „Wir sind viele“.
Anja Fink hat große Angst vor dem Ausgang der Wahlen. „Ich demonstriere heute für Demokratie und gegen eine rechte Ideologie in der Politik und der Gesellschaft“, sagt Frauke Obenauer aus Mannheim. Linda Butz findet es gut, dass in der Quadratestadt so viele Menschen zur Demo gekommen sind, die das gleiche Ziel haben und zusammenhalten. Auf ihrem Schild steht: „Als wir Frauen mehr Rechte wollten, meinen wir keine Nazis“. Die 31-Jährige befürchtet, dass auch die Rechte der Frauen beschnitten werden, sollte die AfD zu viele Stimmen bekommen. „Als Frau wird man oft belächelt, wenn man über Feminismus spricht“, sagt die junge Frau. „Dabei bedeutet es lediglich, dass es die gleichen Rechte für alle gibt.“
Nachdem alle vom Schlosshof bis zur Endstation am Alten Messplatz gelaufen sind, geht es dort mit verschiedenen Kundgebungen weiter, etwa von Plus for Refugees, Mannheim sagt Ja, Forum der Religionen, dem DGB sowie der Letzten Generation. Gerhard Fontagnier, Stadtrat bei den Grünen, führt als Moderator durch den Nachmittag. Es sei höchste Zeit, dass man sich gemeinsam dagegen wehre, was jetzt passiert. Er werde oft gefragt, warum sie keine Demo gegen den islamistischen Terror mache. „Wir sind auch gegen den islamistischen Terror heute hier, und wir sind auch hier, weil es immer wieder von rechts Angriffe gibt auf Flüchtlingsheime, all das“, erklärt er. „Wir möchten mit euch gemeinsam jetzt gedenken an alle die, die durch islamistischen Terror, aber auch durch den Terror von rechts, von Nazis und Faschisten zu Opfer geworden sind und verletzt wurden.“
Die ehemalige Sprecherin des Migrationsbeirats, Zahra Alibabnezhad Salem betont, dass die Menschen für etwas einstehen, dass die Gesellschaft dringend brauche: Liebe, Respekt und Solidarität. „Demokratie ist kein Selbstläufer. Sie lebt von uns allen, von unserem Einsatz, unserer Wachsamkeit, unserer Stimme.“ Anstatt nachhaltige Lösungen zu erarbeiten, würde Migration zum Feindbild erklärt, als wäre sie der Ursprung aller Probleme. „Wir fordern eine Politik, die nicht mit populistischen Phrasen Wahlen gewinnen, sondern sich den wahren Herausforderungen stellt.“
Bei uns wird nach unten getreten, anstatt irgendwie zu versuchen, zu mehr Gerechtigkeit zu kommen
Zwischen den Reden gibt es musikalische Beiträge von Cris Cosmo sowie Seyda Sibel und Heiko Duffner. Die Mannheimer Sängerin und ihr Gitarrist reißen mit ihrer Version von „What’s Up“ von den 4 Non Blondes mit Cosmo filmt während seines Auftritts Sequenzen, die er für den offiziellen Clip seiner neuen Single, der rockigen Popnummer „Mach dein Kreuz“, verwenden wird. Der Absolvent der Popakademie Mannheim und ehemaliger Bürger der Stadt freut sich, dass er bei der Demo auftreten kann. „Ich bin wirklich sehr verbunden mit der Stadt und finde es auch richtig cool wie die Leute hier zusammenarbeiten.“
Pfarrerin Ilka Sobottke vertritt zum einen die Vesperkirche. „Armut und Reichtum sind kein Zufall in unserem Land“, sagt sie. Sie seien nicht vom Himmel gefallen und schon gar nicht von Gott geschaffen. „Unsere Politik begünstigt zunehmend Menschen, die sowieso reich sind und behauptet Menschen, die in Armut leben, würden auf Kosten anderer Leben, dabei ist es genau andersherum in unserem Land.“ „Bei uns wird nach unten getreten, anstatt irgendwie zu versuchen, zu mehr Gerechtigkeit zu kommen. Armut und Reichtum sind kein Zufall in unserem Land“, sagt sie.
Sobottke: Religion nicht die Wurzel der Probleme
Als Vertreterin des Forums der Religionen kämen mehrere Konfessionen zusammen. Sie betont, dass der Glaube an sich nicht per se die Wurzel der Probleme in der Gesellschaft ist. „Religion wird vorgeschoben und missbraucht, um Hass zu formulieren und Gewalt zu rechtfertigen, aber wir alle glauben gemeinsam, dass alle Menschen Gottes Geschöpfe sind. Uns verbindet die Überzeugung, dass der Glaube an Gott, Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung ausschließt.“
Susanne Hun vom Vorstand des Queeren Zentrum Mannheim sowie die Pfarrerin Nina Roller vom Studio Herrlichkeit geben das Schlusswort. „Wir brauchen eine Zukunft, in der wir alles dransetzen, dass Menschenwürde nicht nur ein Wort ist, sondern gelebte Realität“, betont Roller. „Alle Menschen sind wertvoll, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Identität. Hass und Ausgrenzung haben hier keinen Platz, denn diese Gesellschaft, die wir uns wünschen, ist mutig genug, Vielfalt als Stärke zu begreifen.“
Gerhard Fontagnier und Susanne Hun ziehen ein positives Fazit. Der Stadtrat freut sich, dass trotz der klirrenden Kälte doppelt so viele Leute wie erwartet gekommen sind. „Wir haben mit 2000 Menschen gerechnet“, sagt er. „Die Stimmung ist gut, wir haben den Leuten noch mal Mut gemacht, es ist ganz wichtig, dass sie auch in den letzten Wochen noch mal mit ihren Nachbarn, mit ihrer Familie diskutieren sowie die Bedeutung der Demokratie und der Wahl.“ Hun fügt hinzu: „Es war schön zu sehen, wie viele Menschen hier zusammenstehen und sich für Demokratie interessieren. Ich bin dankbar für all die Reden, die gehalten wurden, die noch mal ganz deutlich die unterschiedlichen Probleme dargelegt haben, die kommen können, wenn eben nicht demokratisch gewählt wird. Und wir haben schon genug zu tun in unserer Demokratie, wir brauchen nicht noch eine nicht-demokratische Regierung.“
Auch in Heidelberg Demo gegen Rechts
Hun fügt hinzu: „Es war schön zu sehen, wie viele Menschen hier zusammenstehen und sich für Demokratie interessieren. Ich bin dankbar für all die Reden, die gehalten wurden, die noch mal ganz deutlich die unterschiedlichen Probleme dargelegt haben, die kommen können, wenn eben nicht demokratisch gewählt wird. Und wir haben schon genug zu tun in unserer Demokratie, wir brauchen nicht noch eine Nicht-Demokratische Regierung.“
In Heidelberg begann die Demonstration um 15 Uhr an der Schwanenteichanlage. Die Menschen zogen ebenfalls mit bunten Plakaten bestückt zur Abschlusskundgebung am Universitätsplatz. Aufgerufen hatte eigenen Angaben zufolge ein Bündnis von mehr als 100 Parteien, Vereinen, Institutionen und Einzelpersonen in Kooperation mit dem Queerfeministische Kollektiv Heidelberg.
„Das Bündnis möchte damit vor der Bundestagswahl 2025 ein Zeichen gegen den stetig zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft setzen, und sich gleichzeitig mit Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund solidarisieren“, hieß es in dem Aufruf.
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