Betroffene und Einrichtungen sprechen

Tabuthema Gewalt: "MM"-Serie stellt Hilfsangebote in Mannheim vor

Von 
Lea Seethaler Lisa Wazulin
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Der Gewalt in ihren vielfältigen Formen soll Einhalt geboten werden, das ist das Ziel der Bündnispartner. © DPA

Es soll ein Wegweiser sein für alle, die Hilfe oder einen Ausweg aus der Gewalt suchen. Die bei der Geburt gegen ihren Willen grob untersucht werden. Dem prügelnden Ehemann entkommen wollen. Oder die schon als Teenager von ihrem Freund tyrannisiert werden. Denn auch in Mannheim gibt es sie - die vielen Gesichter der Gewalt.

Wie Betroffene sich dagegen wehren können und wo sie welche Hilfe für ihre Notlage finden, fasst nun die Broschüre „Gewalt hat viele Gesichter - Hilfsangebote in Mannheim“ zusammen. So groß wie ein kleiner Kalender, passt der Wegweiser in jede Hand- oder Hosentasche - und ist damit der erste seiner Art, der insgesamt 27 Mannheimer Einrichtungen auflistet, die ihr Hilfsangebot kompakt vorstellen.

„Die Liste umfasst längst nicht alle Einrichtungen, sondern ist ein erster Überblick. Wir wollen damit Hilfsangebote sichtbar machen“, sagt Nazan Kapan, Geschäftsführerin des Mannheimer Frauenhaus Verein. Sie ist der Kopf hinter dem Projekt und hat dafür neben der Mannheimer Abendakademie den Verein Zonta Club Mannheim als Partner mit ins Boot geholt.

Zonta International ist ein weltweiter Zusammenschluss berufstätiger Frauen in verantwortungsvollen Positionen, die eine Verbesserung der Lebenssituation von Frauen anstreben. Zonta ist auch bekannt für die Beleuchtung von Gebäuden in Orange, um auf Gewalt an Frauen aufmerksam zu machen. Doch nicht nur durch diese Aktionen möchte man auf dieses Problem aufmerksam machen, „sondern auch präventiv und perspektivisch Lösungs- und Hilfsangebote erarbeiten“, so Gabriele Smith, Präsidentin des Zonta Club Mannheim. Man habe von anderen Zonta Clubs bereits Anfragen für die Broschüre bekommen: „Auch in anderen Städten möchte man nun solche Hilfsangebote zusammenstellen. Der Mannheimer Broschüre kommt somit Pilotcharakter zu.“

Das Ziel der drei Partnereinrichtungen, die seit einem Jahr zusammenarbeiten: öffentlich mehr über Gewalt sprechen, ein Bewusstsein dafür schaffen und sich dagegen zur Wehr setzen.„Wenn wir nicht darüber sprechen, überlassen wir den Tätern das Feld. Deshalb müssen wir lernen, hinzuschauen“, findet Kapan. Unterstützt vom ehrenamtlichen Vorstand des Mannheimer Frauenhaus Verein hat Kapan mit Mitarbeiterinnen des Fraueninformationszentrums eigenhändig die Hilfsangebote in Mannheim aufgespürt und einen Fragebogen erstellt.

Damit konnten die konkreten Angebote der einzelnen Einrichtungen erfasst und den verschiedenen Gewaltformen zugeordnet werden, erklärt Kapan. Gefunden haben sich die drei Projektpartner über das Mannheimer Bündnis für Zusammenleben in Vielfalt. Ziel der Stadt ist es dabei, lokale Akteure untereinander zu vernetzten, die dann über sogenannte Themeninseln Projekte wie dieses ins Leben rufen. Und dafür auch vom Bund Fördergelder erhalten.

Im Vertrauen zufällig offenbart

„Die Broschüre ist nur ein erster Aufschlag. Sie soll auch noch in mehrere Sprachen übersetzt werden, die Sprachbarriere darf man nicht unterschätzen“, erklärt Integrationsbeauftragter Claus Preißler, der das Mannheimer Bündnis koordiniert.

Mathias Ludwig von der Abendakademie betont, als Volkshochschule engagiere man sich einerseits für ein respektvolles Zusammenleben. Man sensibilisiere andererseits gemeinsam mit anderen „auch dahingehend, dass es Zustände und Entwicklungen in der Gesellschaft gibt, die dem entgegenstehen“.

Als Volkshochschule möchte man ein „offener Ort für gelebte Willkommenskultur“ sein und Begegnung ermöglichen, so Ludwig. Man sei der Überzeugung, dass die Voraussetzung für gelungenes Zusammenleben in einer multikulturellen Stadt „ein gemeinsames aktives Miteinander ist, das auf ernsthaften Interesse und Respekt“ füreinander basiere.

„Zu normalen Zeiten gehen bei uns den Tag über allein bis zu 1300 Migrantinnen und Migranten im Zuge ihrer Teilnahme an unseren Deutschkursen ein und aus“, verdeutlicht Ludwig. Jede und jeder Einzelne durchlaufe den Prozess einer persönlichen Sprachberatung. „Und dabei kommen leider im Rahmen vertraulich geführter Gespräche auch immer mal wieder unangenehme Themen wie etwa häusliche Gewalt zur Sprache.“ In solchen Fällen wolle man eine gezielte Beratung vornehmen können.

5000 Exemplare liegen bereit

Bereits 5000 Exemplare sind mittlerweile gedruckt, der Wegweiser ist aber auch jederzeit kostenlos online abrufbar. Die Übersicht ist nicht nur eine Handreichung für Betroffene. Sie soll die Einrichtungen, vom Polizeipräsidium über die Notfallseelsorge bis hin zum Fanprojekt gegen Gewalt im Fußball zusammenbringen, die so gegenseitig voneinander lernen können.

Wie das gelingt, wer gegen welche Gewaltform kämpft, beleuchtet der „Mannheimer Morgen“ in der neuen Serie „Gesichter der Gewalt“. Vorgestellt werden ausgewählte Einrichtungen aus der Broschüre, die oft kaum bekannt, aber dafür lebenswichtig für Betroffene sind: von Workshops für Migranten, die dafür ausgebildet werden anderen mit ähnlichen Schicksalen zu helfen, über Machtgefälle im Krankenhaus bis hin zu Institutionen, die Menschen mit Behinderung nicht mitdenken.

Broschüre auch als PDF

Die Idee zur Broschüre entstand durch eine Kooperation von Partnereinrichtungen des Mannheimer Bündnisses für ein Zusammenleben in Vielfalt.

Die Bündnispartner Abendakademie, Zonta Club Mannheim und Mannheimer Frauenhaus Verein wollen die Gewaltthematik stärker in das öffentliche Bewusstsein bringen und auch die gesellschaftliche Wehrhaftigkeit gegen Gewalt stärken.

5000 Exemplare der Broschüre sind gedruckt, die bei den einzelnen Einrichtungen ausliegen. Der Wegweiser ist als PDF abrufbar unter www.einander-manifest.de und auf den Internetseiten der Partner. lia

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