Mannheim. Die Studie mit 20.000 Teilnehmenden aus den USA zeigt eine Diskriminierung bei der Kontaktaufnahme, die jedoch nach einer erfolgreichen Vernetzung aufhört. Der Doktorand und Ökonom Felix Rusche war an der experimentellen Studie beteiligt.
Schwarze Nutzer werden auf Linkedin diskriminiert – so die These Ihrer Arbeit, Herr Rusche. Hat Sie das Ergebnis überrascht?
Felix Rusche: Ja und nein. Dass schwarze Nutzer diskriminiert werden, war für uns wenig überraschend, da Diskriminierung in vielen Teilen des Lebens dokumentiert ist. Überrascht haben uns dennoch zwei Erkenntnisse: Erstens ist diskriminierendes Verhalten auf LinkedIn nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, sondern ein weit verbreitetes Phänomen. So finden wir Diskriminierung in allen Regionen sowie in verschiedensten sozialen Gruppen. Zweitens beschränkt sich die Diskriminierung nur auf die Netzwerkbildung.
Sie meinen, die erste Kontaktaufnahme zwischen Nutzern von LinkedIn?
Rusche: Genau. Sobald eine Kontaktanfrage akzeptiert wurde, gibt es keinen Unterschied mehr in der Interaktion: Nachrichten von schwarzen Nutzern werden genauso häufig beantwortet wie die von weißen Nutzern, wenn diese Zugang zu denselben Netzwerken bei LinkedIn haben. Aufgrund der Diskriminierung bei der Bildung des Netzwerks erhalten schwarze Nutzer aber letztendlich kleinere Netzwerke und somit weniger Zugang zu Informationen.
Die Kontaktanfragen schwarzer Profile wurden rund 13 Prozent seltener akzeptiert als jene weißer Profile
Wie haben Sie festgestellt, dass Kontaktanfragen schwarzer Nutzer seltener beantwortet werden?
Rusche: Wir haben über 400 fiktive LinkedIn-Profile typischer Berufsanfänger in den USA erstellt. Mithilfe von KI-generierten Profilbildern haben wir die ethnische Zugehörigkeit signalisiert. Über diese Profile verschickten wir Kontaktanfragen an 20.000 Nutzer. Dabei haben wir festgestellt, dass die Kontaktanfragen schwarzer Profile rund 13 Prozent seltener akzeptiert wurden als jene weißer Profile. In einem zweiten Schritt testeten wir, ob Diskriminierung auch bei der Nutzung der Netzwerke auftritt. Dazu gaben wir schwarzen und weißen Profilen Zugang zu identischen Netzwerken und schickten den Kontakten Fragen zu deren Arbeitgeber. Ergebnis: Es gab keine Unterschiede bei der Beantwortung.
Wieso wurde die Studie nur in den USA durchgeführt?
Rusche: In den USA sind die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung besonders ausgeprägt, auch weil die historische Diskriminierung besonders ausgeprägt ist. Zudem ermöglicht die Diversität des Landes spannende regionale Analysen. Nichtsdestotrotz planen wir derzeit ein ähnliches Experiment in Deutschland.
LinkedIn-Nutzer verweigern schwarzen Nutzern öfter die Kontaktaufnahme. Aber sobald diese Teil ihres Netzwerks sind, erfahren sie keine Diskriminierung mehr. Auch das eine These Ihrer Forschung.
Rusche: Genau. Die Diskriminierung beschränkt sich somit nur auf den Prozess des Netzwerkaufbaus. Dieser Mechanismus ist in der Ökonomie als „Gatekeeping“ oder „Türstehereffekt“ bekannt.
Sprich Schwarze werden seltener in die Disko gelassen und auch ihre Vernetzungsanfrage auf LinkedIn wird seltener akzeptiert. Das klingt hart. Sind Sie sich denn sicher, dass diese digitale Diskriminierung tatsächlich auf die Hautfarbe zurückzuführen ist und nicht auf andere Faktoren wie berufliche Qualifikationen oder Profilinhalte?
Rusche: Um das auszuschließen, haben wir für jedes LinkedIn-Profil einen identischen Doppelgänger erstellt, der sich nur in der ethnischen Zugehörigkeit des Profilbilds unterschied. Bildungsweg, Karriere und andere berufliche Kategorien blieben gleich. Konkret haben wir mit einem Algorithmus KI-generierte Bilder so modifiziert, dass alle anderen Merkmale wie Gesichtsausdruck, Hintergrund oder auch die Frisur unverändert blieben. Dadurch konnten wir sicherstellen, dass Unterschiede ausschließlich auf die ethnische Zugehörigkeit zurückzuführen sind.
Ein weiteres Ergebnis ihrer Studie ist auch, dass es besonders junge und weibliche Nutzer sind, die Kontaktanfragen von schwarzen Nutzern nicht akzeptieren.
Rusche: Tatsächlich zeigt unsere Studie, dass nahezu alle Nutzergruppen diskriminieren, Frauen und jüngere Menschen tun dies allerdings verstärkt. Ein Grund könnte sein, dass Frauen in unserem Experiment nur männliche Profile beurteilen mussten und daher Partnerwahlpräferenzen eine Rolle gespielt haben. Eine weitere mögliche Erklärung können geschlechtsspezifische Vorurteile gegenüber schwarzen Männern sein. Letztlich können wir dies aber nicht abschließend einordnen und es bedarf weiterer Forschung.
Die Studie zeigt, dass auch schwarze Amerikaner Anfragen von schwarzen Profilen diskriminieren, wenn auch in geringerem Maße. Was könnten die Ursachen für dieses Verhalten sein?
Rusche: Um mehr bezüglich der Entscheidungsprozesse von LinkedIn-Nutzer herauszufinden, haben wir eine Umfrage mit diesen durchgeführt. Diese zeigt unter anderem, dass schwarze wie weiße Nutzer in erster Linie an beruflich vorteilhaften Kontakten interessiert sind. Gleichzeitig werden schwarze Menschen als weniger erfolgreich wahrgenommen, auch weil diese von Diskriminierung betroffen sind. Dies könnte auch beeinflussen, dass schwarze Nutzer eben solche als weniger nützliche Kontakte einordnen. Letztlich können wir die Frage auf Grundlage unserer Daten aber nicht abschließend beantworten.
Sind die Ergebnisse ohne Weiteres auch auf Deutschland übertragbar?
Rusche: Bestehende Studien zu Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund oder People of Color auch in Deutschland weniger häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden. Zudem dürften die grundlegenden Mechanismen der Diskriminierung – insbesondere bei der ersten Kontaktaufnahme – ähnlich sein.
Haben Sie Ihre Ergebnisse LinkedIn mitgeteilt?
Rusche: LinkedIn ist unsere Studie bekannt, auch wenn es bisher keinen direkten Austausch gab. Wir planen, die Plattform in Zukunft zu kontaktieren, um die Ergebnisse zu teilen.
Über die Studie und den Autoren
- Die Studie des ZEW Mannheim (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) und der Universität Mannheim geht von einem sogenannten „Türsteher-Effekt“ für schwarze Menschen aus. Demnach werden Kontaktanfragen von schwarzen Menschen um 13 Prozent seltener akzeptiert.
- Die Studie „LinkedOut? A Field Experiment on Discrimination in Job Network Formation“ wurde vom Mai bis August 2022 in den USA durchgeführt. Um ein möglichst breites Ergebnis zu erhalten, wurde die Studie gleichmäßig über alle Bundesstaaten verteilt durchgeführt.
- Der 31-jährige Mannheimer Rusche ist Co-Autor der Studie und Doktorand der Volkswirtschaftslehre in Mannheim . Im Rahmen seiner Promotion setzt er sich mit Effekten von Medien im Kontext von Ungleichheit und Diskriminierung innerhalb der Arbeitsmarkt- und Entwicklungsökonomie auseinander.
Da die Diskriminierung laut Ihrer Forschung nur bei der Kontaktaufnahme auftritt, aber nicht bei der weiteren Interaktion, stellt sich die Frage: Welche Strategien könnten helfen, den Aufbau diverser Netzwerke zu fördern?
Rusche: Hier können zum Beispiel Mentorenprogramme oder „Random Lunches“, bei denen zufällig zwei Personen zusammengebracht werden, helfen, Hürden abzubauen. Unternehmen können solche Initiativen fördern. Für Betroffene selbst ist es wichtig zu wissen, dass der erste Schritt zählt. Kontaktanfragen mit einer kurzen, personalisierten Nachricht könnten zum Beispiel die Erfolgschancen erhöhen, auch wenn wir dies nicht explizit getestet haben. Übertragen in die analoge Welt ist es zudem ratsam, sich aktiv in Situationen zu begeben, in denen die Hürden für ein erstes Gespräch niedrig sind. Dies können zum Beispiel Netzwerk-Events oder ähnliches sein.
Welche konkreten Maßnahmen oder Änderungen auf Plattformen wie LinkedIn wären notwendig, um die Anfangsbarrieren für schwarze Professionals zu senken?
Rusche: Das ist eine schwierige Frage. Eine logische Konsequenz wäre es, personenbezogene Daten zu entfernen, die auf die ethnische Zugehörigkeit hindeuten. Dies ist aber kaum praktikabel, da es mindestens die Entfernung von Profilbildern und Namen nach sich ziehen würde. Abgesehen davon könnte LinkedIn gezielte Angebote machen, etwa die Organisation von Mentorenprogrammen oder die Anpassung der Algorithmen, sodass die Kontakte diverser werden. Letzteres ginge aber mit ganz eigenen Problemen einher. Letztlich liegt der größte Handlungsbedarf somit wohl bei den Nutzern und den Unternehmen selbst.
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