Ärger um abgestellte Kinderwagen in Treppenhäusern gibt es wohl schon so lange, wie es Kinderwagen und Treppenhäuser gibt. In diesem Fall aber hat ein Vermieter seinen Mietern besonders harsch gedroht - und bei diesem Vermieter handelt es sich ausgerechnet um die städtische Wohnungsgesellschaft GBG. In einem Aushang in der Neckarstadt drohte sie, widerrechtlich abgestellte Kinderwagen "zur Vernichtung abfahren" zu lassen. "Eine spätere Herausgabe ist damit nicht mehr möglich."
Aufgefallen ist der Aushang einem jungen Familienvater. Er und seine Frau sind beide berufstätig, sie bringen darum die kleine Tochter öfters zur Oma, die in dem betreffenden Haus wohnt. Die Frau betreut die 15 Monate alte Enkelin, wenn die nicht in die Krippe kann, etwa weil sie krank ist. Nur dann steht auch der Kinderwagen im Treppenhaus.
Als er dort den Aushang sieht, ist der Familienvater schockiert. "Meine Mutter darf nicht schwer heben, sie kann doch den Wagen gar nicht alleine in ihre Wohnung oder in den Keller tragen", sagt er. Und er fragt sich, wie hier eine städtische Gesellschaft nicht nur das Abstellen der Kinderwagen verbieten, sondern zudem noch mit deren "Vernichtung" drohen kann, "das ist unfassbar".
Der 30-Jährige - auch er ein GBG-Mieter aus dem Nachbarhaus - und seine Mutter suchen das Gespräch mit der GBG. Erst mit dem direkten Ansprechpartner, dann mit dessen Vorgesetzten. Doch das bringt nichts. Der Wagen muss weg, der Aushang bleibt. "Das hat man mir sehr bestimmt gesagt. Diese Sturheit schreckt einen dann schon ab."
Abschrecken ist nun eigentlich nicht das, was sich die GBG als kommunales Wohnungsunternehmen auf die Fahnen schreibt. Dementsprechend groß ist auch das Bedauern in der Unternehmenszentrale.
Dort herrscht gelinde gesagt Fassungslosigkeit, man ist um Schadensbegrenzung bemüht. "Dieser Aushang ist in keinster Weise autorisiert", sagt auf "MM"-Nachfrage der GBG-Sprecher Christian Franke. "Die Wortwahl entspricht natürlich überhaupt nicht dem Denken und Handeln der GBG, mir tut das wirklich leid."
Der Aushang sei von Mitarbeitern offenbar selbst verfasst worden. Das Unternehmen wolle dem Ganzen nun genau nachgehen und herausfinden, wie es zu diesem Schreiben, der Androhung und der Wortwahl kommen konnte. Und natürlich sollen solche Aushänge verschwinden.
Auch Rollatoren betroffen
In der Sache allerdings verweist Franke darauf, dass in Treppenhäusern Flucht- und Rettungswege im Interesse aller Mieter freigehalten werden müssten. In dem betreffenden Haus in der Neckarstadt habe es zudem eine Beschwerde von einem Mieter gegeben, der sich von phasenweise mehreren abgestellten Wagen gestört gefühlt habe.
"Das ist immer wieder Thema bei uns, es geht dabei nicht nur um Kinderwagen, sondern auch um Rollatoren", sagt Franke. Die GBG sei sich der gängigen Rechtsprechung bewusst - die meisten Urteile fallen zugunsten der Kinderwagen-Nutzer aus, auch in Mannheim. 2012 hatte hier eine Bewohnerin eines Mehrfamilienhauses in Neckarau gegen ein Ehepaar geklagt, weil das den Wagen im Treppenhaus abgestellt hatte. Mit der Klage scheiterte die Frau, ihre Berufung wurde abgewiesen.
"Wir versuchen darum immer, solche Fälle in Gesprächen zu klären und Lösungen zu finden", sagt Franke. Im aktuellen Fall in der Neckarstadt ist das nun offenbar schief gegangen. Der betroffene 30-Jährige findet die Reaktion der städtischen Gesellschaft jetzt jedenfalls "sehr positiv, jetzt kann man mal miteinander sprechen". Er will nun abwarten, was passiert.
Rechtsprechung zu Kinderwagen in Treppenhäusern
Zum Abstellen von Kinderwagen in Treppenhäusern gibt es viele Urteile in Deutschland. Immer wieder haben Gerichte dabei Regelungen aus den Hausordnungen für ungültig erklärt.
Im Jahr 2012 urteilte das Mannheimer Amtsgericht, dass eine Familie in Neckarau ihren Kinderwagen im Treppenhaus abstellen darf. Eine Nachbarin hatte dagegen geklagt.
Im Urteil hieß es damals, dass die Rechtsprechung das Abstellen von Kinderwagen überwiegend für berechtigt halte.
Zudem stehe die Familie unter besonderem Schutz des Grundgesetzes. In dem konkreten Fall hielt es die Richterin zudem für unzumutbar, den Kinderwagen regelmäßig in den Keller zu tragen. bro
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