Mannheim. Auf einem Baugrundstück in der Hans-Thoma-Straße 8 in Neuostheim will Adler Immobilien Investment aus Viernheim ein neues Bürogebäude samt Parkhaus für den Mischkonzern Siemens bauen, der bisher mit 660 Mitarbeitern im Gewerbegebiet Fahrlach ansässig ist. Der benachbarte Garten- und Landschaftsbaubetrieb Motz und Kadner hat bei der Stadt Mannheim Widerspruch gegen den Bau eingelegt, der bereits genehmigt ist. Motz und Kadner war früher Pächter des städtischen Grundstücks, die Stadt hatte der Gärtnerei gekündigt, um das Bauvorhaben zu realisieren. Es ist eine Geschichte, die neben dem konkreten Streit auch den allgemeinen Konflikt zwischen dem Wunsch nach Gewerbeflächen einerseits und nach dem Verhindern weiterer Bodenversiegelung andererseits zeigt.
Nahezu das gesamte Baugrundstück wird versiegelt. Das wäre eine Katastrophe
„Das Bauvorhaben hält sich in vielen Aspekten an die Vorgaben des Bebauungsplans. Wenn man aber die Klimaschutzziele der Stadt Mannheim betrachtet, wäre allerdings zu hinterfragen, ob dieses Gebäude auf diese Fläche gehört“, sagt Ruth Kadner.
Konkret geht es bei dem Grundstück um 6500 Quadratmeter Grünfläche, 3500 Quadratmeter Ackerfläche mit altem Baumbestand und einem Heckenstreifen, der unter Bestandsschutz steht und im Bebauungsplan fest verankert ist. Die Grünfläche, die einmal eine städtische Baumschule war, hatten in den vergangenen 40 Jahren Motz und Kadner von der Stadt gepachtet. Sie legten auf der Ackerfläche auch ihren Aufzuchtbetrieb und ein Biotop an. Vögel, Insekten, Hamster, Wildbienen, Holzbienen, Fledermäuse und Eidechsen seien dort angesiedelt – oder seien es gewesen, so Kadner. Mehr als 60 Bäume wurden bereits gefällt. Auch der Heckenstreifen sei komplett gerodet worden. Der fruchtbare Ackerboden wurde abtransportiert. „Das Gebäude hat einen sehr großen Fußabdruck, es versiegelt nahezu das gesamte Baugrundstück. Das wäre eine ökologische Katastrophe.“
Sie geht zudem davon aus, dass der Bau des Bürogebäudes dramatische Folgen für ihren Aufzuchtbetrieb bedeuten würde. Wenn das Nachbargrundstück wie geplant bebaut werde, würden sich ihrer Meinung nach die Licht- und Belüftungssituation so drastisch ändern, dass ein Großteil der Flächen nicht mehr für den Pflanzenanbau genutzt werden könne.
Markus Pföhler, Leiter der operativen Geschäfte (COO) bei Adler Invest, sieht das anders. Auf der Fläche sei kein Biotop vorhanden gewesen. Der Baumbestand am Rand der Fläche habe einen extremen Pilzbefall, so dass die Bäume in den nächsten Jahren absterben würden. „Die Hecke hätte laut Bebauungsplan zehn Meter breit sein müssen, ist de facto aber nur drei Meter breit. Eine Hecke in dieser Breite werden wir jetzt erst schaffen“, sagt Pföhler. Für die dort lebenden Eidechsen habe der Bauherr bereits eine 700 Quadratmeter große Fläche auf dem Baugrundstück aufgeschüttet. Die Beleuchtung werde insektenfreundlich sein. „Es ist eigentlich traurig, dass man sich nicht freut, so einen Entwickler zu haben, der auf die ökologischen Belange so sehr achtet“, meint der COO.
Um die Umsetzung von Adler Invest geht es den Schwestern Ruth und Brigitte Kadner generell nicht. Sie fordern vielmehr, dass die Stadt größere Anstrengungen bei der Suche nach geeigneten Baugrundstücken unternimmt. „Wir zerstören alles, obwohl wir Brachflächen ohne Ende in Mannheim haben. Das kann ich einfach nicht mit ansehen“, sagt Ruth Kadner. Diese Brachflächen lägen meist in privater Hand, und die Besitzer des Grundstücks könnten nicht gezwungen werden, ihr Grundstück zu verkaufen oder zu vermieten. Wirtschaftliche Gründe stünden hier vor der ökologischen Verantwortung der Eigentümer. Im Mannheimer Klimaschutzaktionsplan 2030 heißt es, dass solche Flächen nicht mehr bebaut werden sollen: Flächenschonende Stadtentwicklung, indem auch Parkplätze nicht mehr auf Freiflächen entstehen, sondern auf Dächern oder in Untergeschossen. „Man muss überdenken, ob der Bebauungsplan aus der Mitte der 1990er Jahre hinsichtlich des Klimaschutzaktionsplans noch zeitgemäß ist“, findet Kadner.
Die Stadtverwaltung beruft sich auf „MM“-Nachfrage auf diesen gültigen Bebauungsplan aus dem Jahr 1995. Die Klimaschutzbelange sind laut Sprecherin Corinna Hiss berücksichtigt und gewürdigt worden. Das Leitbild Mannheim 2030 sieht nachhaltige Stadtentwicklung unter Berücksichtigung des Klimaschutzes vor. „Gerade in Großstädten wie Mannheim muss jedoch bei Bauvorhaben im Zuge der Nachverdichtung und Entwicklung des urbanen Raumes immer wieder eine Abwägung zwischen Umweltschutz und Bebauung erfolgen“, ergänzt Hiss.
Ob der Einspruch gegen einen Bebauungsplan Erfolg hat, hängt vor allem davon ab, inwiefern vom Bauherrn Befreiungen vom Plan beantragt wurden. Für die Baugenehmigung seien wenige Befreiungen beantragt worden – Genehmigungen stehen noch aus. Die Einwände der Firma Kadner würden bei der Bauantragsprüfung erörtert. Die sei noch nicht abgeschlossen. Grundsätzlich gebe es keine Befreiungen vom Bebauungsplan, die artenschutzrechtliche Belange direkt betreffen, heißt es aus dem Rathaus.
Es ist eigentlich traurig, dass man sich nicht freut, so einen Entwickler zu haben
Aus der Siemens-Niederlassung in Mannheim heißt es auf die Frage, in welcher Hinsicht das neue Bürogebäude auch in Anbetracht der Flächenversiegelung nachhaltig sei: Die Analysen des Immobilienmarktes in Mannheim hätten ergeben, dass es keine modernen und CO2-neutral zu betreibenden Bestandsflächen gebe, die den Anforderungen des Konzerns an moderne Büro-, Test- und Serviceflächen in der benötigten Flächengröße entsprächen. Mit dem geplanten Gebäude habe Siemens einen Standort gefunden, der den „innovativen, nachhaltigen und qualitativen Ansprüchen“ entspreche: CO2-neutraler Gebäudebetrieb mit Wärmepumpen, Photovoltaik sowie Strom aus umweltfreundlichen Energieträgern.
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