Wenn in diesen Wochen Medien von „Hoffnungsschimmer“ sprechen und von einem „Paukenschlag“ schreiben, ist das eine Nachricht, die aufmerken lässt. Wenn diese Nachricht nichts mit dem Ende der Pandemie oder zumindest mit Erleichterung der gebotenen Einschränkungen zu tun hat, ist das etwas ganz Besonderes. Wenn man dann bemerkt, dass es sich um eine Nachricht aus der Evangelischen Kirche in Deutschland handelt, ist vermutlich das Erstaunen groß. Wer dann neugierig geworden ist, wird den christlichen Kirchen nahestehen oder wird ihnen dies gar nicht zutrauen.
Was ist geschehen? Die neu konstituierte Synode der EKD hat im ersten Wahlgang mit sehr großer Mehrheit Anna-Nicole Heinrich, eine 25-jährige Philosophiestudentin, in das höchste kirchliche Ehrenamt, das Amt der Präses, gewählt.
Ich selbst gehörte von 1997 bis 2021 der EKD-Synode an. Der „Generationswechsel“ hat mich nicht zu sehr überrascht, aber ganz besonders gefreut. Seit Jahren bemühen sich die Synoden der EKD und der Landeskirchen wie auch die Gremien auf Orts- und Bezirksebene um die Mitwirkung jüngerer Menschen an der Leitung und Gestaltung des kirchlichen Lebens. Das Wahlalter wurde herabgesetzt; in den Leitungsorganen werden Jugendliche beteiligt. Vielerorts existiert eine hervorragende Kinder- und Jugendarbeit. Doch die Amtsdauer von sechs Jahren schreckt vielfach ab.
Obgleich die Mitgliedschaft junger Menschen an Gremien auch im Hinblick auf Ausbildung und Eintritt in den Beruf oft schwierig ist, gelingt es dennoch immer wieder, junge Menschen zu gewinnen. Voraussetzung ist, dass die Beteiligten eine für junge Menschen einladende Atmosphäre schaffen in der persönlichen Begegnung, in der Art und Weise der gemeinsamen Arbeit und im nachhaltigen Interesse an der Sichtweise junger Menschen.
Zeichen der Erneuerung
Nichts wäre verfehlter, als „nur“ das Alter bei der Würdigung der Wahl herauszustellen. Anna-Nicole Heinrich war seit 2015 Jugenddelegierte der EKD-Synode. Ihr Name ist mit den beiden Zukunftsthemen Kirchenreform und Digitalisierung verbunden. Als Mitglied des ranghoch besetzten „Z-Teams“ der EKD, das für die inhaltliche Planung der EKD-Reform zuständig war, wie bei der Gestaltung der Digitalisierung der EKD war sie kompetent maßgeblich beteiligt.
Ihre Wahl ist ein kraftvolles Zeichen für eine Erneuerung von Strukturen und – vor allem – der Denkweise; unsere Gesellschaft braucht eine Kirche mit verständlicher Glaubenspraxis und moderner Sprache. Und für diesen frischen Wind brauchen wir die jungen Menschen. Wir Ältere haben in einer Zeit mit unserem kirchlichen Engagement begonnen, als die Zeit der fast vererblichen Sitze in Gremien mit Honoratioren verschiedener Couleur und ohne Frauen gerade vorüber war. Ich denke, wir haben mit der Zeit ganz gut mitgehalten; aber der Generationenwechsel muss beginnen.
Bis morgen findet der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt am Main statt. Eine Bemerkung dazu: Einen der ersten Glückwünsche erhielt Anna Heinrich vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Und ein Zitat der neuen Präses: „In der Ökumene müssen wir uns trauen, den Blick zu weiten.“ Ja, ich bin stolz auf meine Kirche! Sie zeigt Mut im Vertrauen darauf, dass der Herr dieser Kirche sie trägt und hält.
Margit Fleckenstein, Synodalpräsidentin a.D., Heidelberg
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