Sandhofen. Noch lange standen sie einfach beieinander am Stich, ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Der eine oder andere hatte Tränen in den Augen. Anderen war ihre Sprachlosigkeit anzusehen. In einem Trauermarsch waren die Mitglieder und Anhänger der Abteilung Karneval des Sport- und Kulturvereins Sandhofen, kurz die „Stichler“, durch den Stadtteil marschiert.
Pünktlich um 14.11 Uhr hatte sich der Zug von der Groß-Gerauer Straße über Sonnen- und Domstiftstraße zum Stich in Bewegung gesetzt. Den Teilnehmern war die gedrückte Stimmung deutlich ins Gesicht geschrieben. Niemandem war auch nur annähernd zu einem Spaß zumute. Da war es erfreulich zu sehen, wie unaufgeregt und professionell die Polizei den Verkehr so lange anhielt, bis alle über der Straße waren.
Am Stich nahm Senatspräsident Michael Keller das Mikrofon in die Hand: „Wir hatten uns den Fasnachtsdienstag sicher alle völlig anders vorgestellt“, sagte er, ehe er die Versammelten zu einer stillen Gedenkminute aufrief. Statt eines fröhlichen Umzugs hätten sie jetzt zu einem stillen Trauermarsch aufgerufen. Noch bis spät in die Nacht hatten sie gemeinsam beraten, wie sie auf das Attentat reagieren sollten, das tags zuvor in der Innenstadt zwei Todesopfer gefordert hatte. Schließlich hätten sie sich für einen Trauermarsch entschieden.
Tradition und Trauer in Einklang bringen
Die Stichler waren alle in Schwarz gekleidet, selbst Prinzessin Muriel I. Zu der Gedenkminute hieß es dann: „Kappe ab“. Es gebe nur wenige Situationen, in denen die Fasnachter ihre Mütze abnehmen. Aber das war dann so ein Moment. „Wir wollen mit diesem Umgang mit der Trauer auch gleichzeitig Präsenz zeigen“, so Keller. „Dieses Brauchtum ist Teil des Lebens, das nicht durch ein solches Attentat aufs Spiel gesetzt werden darf“, fuhr er fort.
Der Dienstag mit dem Umzug sei das Highlight der Sandhofer Fasnacht, das auch nicht durch eine solche Tat zerstört werden dürfe. Daher lud er Muriel ein, in der nächsten Kampagne den Abschluss noch einmal nachholen zu dürfen, auch wenn die Stichler dann eine neue Prinzessin hätten. Keller schloss seine Ansprache: „Mir fehlen die Worte. Ich wünsche allen eine gute Zeit.“
Der Kitt, der diese Gesellschaft zusammenhält
Zugmarschall Heiko Stasch, der auch die Fahne während des Zuges getragen hatte, bedankte sich bei denen, die an dem Zug teilgenommen hatten. „Wir machen das alles im Ehrenamt. Dafür möchte ich mich einmal bei Euch allen bedanken“, so Stasch. Alle würden mit viel Herzblut mitmachen und viel Arbeit in den Verein investieren. Das sei nicht selbstverständlich. Immer öfter bleibe das bei den Vereinen auf der Strecke. „Dabei sind wir der Kitt, der diese Gesellschaft zusammen hält“, fuhr er fort und endete schließlich mit drei gedämpften „Sa-Hoi“.
Isolde Katzer von der katholischen Gemeinde St. Bartholomäus bedankte sich bei den Fasnachtern für diese gute Idee des Gedenkens. Diesen Gedanken werde Pfarrer Ryszard Dyc beim abendlichen Gottesdienst in St. Franziskus aufgreifen. Auch Bettina Herbel, die Vorsitzende des Gewerbevereins, unterstützte die Idee der Stichler: „Das finde ich toll, dass das so kurzfristig umgesetzt werden konnte.“
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