Pandemie

Standbetreiber auf Mannheimer Weihnachtsmarkt bangen um ihre Zukunft

Von 
Valerie Gerards
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Für die Händler und Schausteller auf den Weihnachtsmarkt ist bald wieder Schluss. © Valerie Gerards

Mannheim. 14 Tage lang hat Peter Schmidt von frühmorgens bis in die Nacht geschuftet, um das Etagen-Karussell und die Mandelhütte am Wasserturm aufzubauen. Alles umsonst. Voraussichtlich am Samstag ist schon wieder Schluss mit den Weihnachtsmärkten, nach nur zwölf Tagen. Peter Schmidts Frau Jeanette sitzt dann wohl zum letzten Mal in diesem Jahr im Kassenhäuschen und verkauft die roten Fahrchips mit der goldenen Schrift. „Für mich ist das der schlimmste Weihnachtsmarkt, den wir je hatten“, sagt sie und wendet das Gesicht ab, nach draußen zum Karussell, den Lichtern und der Musik. Sie will nicht, dass jemand ihre Tränen sieht.

Dabei lief der Weihnachtsmarkt 2021 in Mannheim ganz gut an. Trotz der recht kurzen Planungszeit, die normalerweise Monate in Anspruch nimmt, wie Jan Goschmann, Geschäftsführer der Mannheimer Weihnachtsmarkt GmbH (MWG), erzählt.

Die Veranstalter der drei Mannheimer Märkte entschieden sich früh für 2G, also einen Zugang nur für Geimpfte und Genesene. An beiden Eingängen wird durchgehend kontrolliert, das Gelände wurde eingezäunt; darum gibt es dieses Jahr nur rund 160 statt der sonst 200 Hütten. „Am dritten Tag galt dann 2Gplus, und mit der Testpflicht auch für Geimpfte ging ein signifikanter Besucherrückgang einher. Und jetzt die Absage – das ist eine harte Sache für die Schausteller und Händler“, sagt Goschmann.

Mit der 2G-Regelung seien die Besucherzahlen okay gewesen. Seit 2Gplus gilt, sei nichts mehr los, sagt John Walker, Inhaber des Pyramide-Glühweinstands. „Allein der Aufbau der Pyramide kostet 16 000 Euro. Ich weiß ehrlich nicht, wie ich das bezahlen soll. Die Unkosten sollen wohl durch die Überbrückungshilfe übernommen werden. Ich hoffe, das stimmt.“ Drei Wochen lang arbeitet er normalerweise, um seine Kosten zu erwirtschaften, eine Woche ist dann für den Gewinn.

„Geld und Herzblut investiert“

Traurig sind nicht nur die Händler und Schausteller, sondern auch die Veranstalter. Die Vorbereitungen seien ein großer Aufwand, auch mit dem Zaun und dem Hygienekonzept. Die Händler hätten Ware beschafft oder hergestellt. „Wir alle haben viel Geld und Herzblut investiert“, sagt Goschmann. „Um die Kosten für einen Stand zu erwirtschaften, braucht man schon die komplette Zeit auf dem Weihnachtsmarkt.“

„Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen“, sagt Jeanette Schmidt. Sie ist davon ausgegangen, dass der Weihnachtsmarkt unter der Auflage von 2G stattfindet. Die zusätzlich geforderten Tests seien für die Besucherzahlen schon eine Katastrophe gewesen.

„Wir hatten Lieferschwierigkeiten und haben uns so sehr auf die Hinterbeine gestellt, um die Produkte für unsere Mandelhütte zu bekommen. Jetzt kann ich kartonweise Schaumküsse wegschmeißen.“ Vorsicht im Hinblick auf Corona findet sie in Ordnung, aber nun wisse sie einfach nicht mehr, wie es weitergehe.

Goschmann, der Geschäftsführer der Weihnachtsmarkt-Gesellschaft, findet Impfungen, Abstandsregeln und Hygiene sehr wichtig. Die Entscheidung aus Stuttgart wundert ihn aber schon. Schließlich seien Weihnachtsmärkte unter freiem Himmel – im Gegensatz zum Restaurantbesuch und zu Veranstaltungen, die drinnen stattfinden und wohl erlaubt bleiben.

„Dadurch, dass der Weihnachtsmarkt draußen ist, würde ich als Laie vermuten, dass die Ansteckungsgefahr hier nicht besonders hoch ist. Das sagen jedenfalls die Experten“, verweist er auf Christof Asbach, den Präsidenten der Gesellschaft für Aerosolforschung.

Walker fühlt Verzweiflung

Nun kann Peter Schmidt seine Mandelhütte und das Karussell wohl wieder abbauen. Daran denkt Jeanette Schmidt nicht gern. Lieber erzählt sie, wie nett die Besucher seien. Eine Kundin habe ihre Brille liegengelassen und am nächsten Tag als Dank einen Blumenstrauß vorbeigebracht. Am Karussell habe eine Mutter ihr einfach fünf Euro Trinkgeld in die Hand gedrückt.

Der Inhaber der Pyramide liebt seine Kunden. Genau diese Worte wählt er. Und er weiß nicht, ob sein Geschäft nächstes Jahr noch existiert. John Walker sagt, er fühle Existenzängste und Verzweiflung pur: „Eigentlich will ich fröhlich sein mit unseren Kunden, aber eigentlich ist es zum Weinen.“

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