Mannheim. Mit seiner „Stadtbild“-Äußerung hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine breite Protestbewegung losgetreten. Bis Mittwochabend hatten bereits mehr als 120.000 Menschen eine Online-Petition gegen die Aussage von Merz unterzeichnet – zumal er Anfang der Woche seine Aussage noch einmal untermauerte. Wir wollten wissen, wie Mannheimer Vertreter der Union über das Thema denken.
Die ehemalige Bundestagsabgeordnete
Laut der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Melis Sekmen, die im Juli 2024 von den Grünen zur CDU gewechselt war, hätten viele Mannheimer Einwandererfamilien und ein Teil der Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, Ordnung, Respekt und Leistung als Schlüssel zur Integration gelebt. Sie seien heute ein erfolgreicher Teil der Stadtgesellschaft. „Genau das fordert Merz heute ein. Gleichzeitig erleben wir: Der starke Zuzug in den vergangenen Jahren bringt auch Herausforderungen mit sich – das zeigt sich sichtbar im öffentlichen Raum.“
Es seien auch Menschen gekommen, denen soziale Kontrolle fehle, die ein anderes Frauenbild lebten und Verhaltensweisen an den Tag legten, die wir so nicht gewohnt seien. Das sorge bei vielen – auch bei Menschen mit Migrationshintergrund – für Verunsicherung und Angst: „Damit hat unser Bundeskanzler benannt und nicht ausgegrenzt. Er hat aufgezeigt, dass wir diesen Unmut ernst nehmen müssen. Und wir sollten ihn dabei unterstützen, Lösungen zu formulieren, statt ihm – und vielen anderen – das Wort im Mund umzudrehen.“ Das würde auch dem Koalitionspartner gut zu Gesicht stehen.
Abschiebungen seien dafür nicht das Allheilmittel, aber Teil der Lösung. „Gerade Städte, die von diesem Zuzug stark betroffen sind, brauchen die Schaffung und Durchsetzung klarer Regeln. Ansonsten ist der Zusammenhalt auch in unserer Stadt gefährdet“, sagt Sekmen. Teilhabe und Ordnung seien kein Widerspruch und Integration keine Einbahnstraße. „Menschen erfolgreich zu integrieren, erfordert Ressourcen, die Städte nicht allein stemmen können. Das Problem zu benennen, ist der erste Schritt. Nun müssen Maßnahmen folgen.“
Das Ausgangsstatement
Mit dieser Aussage hatte Merz die Debatte losgetreten: „Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 2024, August 2025 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen. Das muss beibehalten werden, das ist in der Koalition verabredet.“ cg
Der designierte Kreisvorsitzende
Die Aussage ist laut Lennart Christ, der an diesem Samstag zum Nachfolger von Christian Hötting zum CDU-Kreisvorsitzenden gewählt werden soll, auf „unfaire Art und Weise“ zerrissen worden. „Er hat nicht gesagt, dass Menschen mit Migrationshintergrund mit diesem Stadtbild gemeint sind, sondern die Auswirkungen, die wir unter anderem durch illegale Migration in den vergangenen Jahren haben und die für das Stadtbild verantwortlich ist.“ Das sei für ihn evident, wenn man durch Mannheim läuft: „Da sehe ich viele Sachen, die zu dieser Stadtbild-Aussage beitragen. Gerade nachts hat sich das Stadtbild zum Negativen verändert.“
Auch wenn Christ erst 27 Jahre alt sei, könne er sich gut an die Zeit erinnern, in der er ohne größere Sorge durch die Innenstadt laufen konnte. Das sei es, was von Merz benannt worden sei, und das sei es, was ihm am Wahlkampfstand und im Freundeskreis bestätigt werde. „Man kann nicht alles auf die illegale Migration schieben, aber es wäre auch ein bisschen vermessen, so zu tun, als ob das gar nichts damit zu tun hätte.“
Der Fraktionsvorsitzende
Für Claudius Kranz, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat, hätte Merz die Aussage so verkürzt nicht treffen sollen. Das habe Interpretationsspielraum gelassen, der nicht notwendig gewesen wäre, wenn er noch ein paar Halbsätze hinzugefügt hätte. „Es geht ihm mitnichten um die Migranten, die sich in Deutschland und Mannheim integriert haben und die vor zwei Wochen bei der Einbürgerungsfeier gesagt haben, wir wollen Deutsche werden und Teil der deutschen Gemeinschaft sein.“
Wenn diejenigen sich nun angesprochen fühlten, dann wäre das nicht gut. Das Thema habe die Fraktion besprochen. „Sengül Engelhorn hat sich da auch ein bisschen angesprochen gefühlt. Aber sie hat es einordnen können und weiß, was gemeint ist“, berichtet Kranz. Auch für ihn sei die Aussage eindeutig gewesen. Aber sie sei vielleicht nicht so eindeutig gewesen, wie er „als blonder, bierbäuchiger Deutscher“ das wahrgenommen habe. Darüber müsse man reflektieren. Er finde, dass eine Diskussion aufgebauscht würde, über einen Satz, der keine Regierungserklärung gewesen sei.
Es gehe um diejenigen, bei denen es ein subjektives Gefühl der Unsicherheit gebe – gerade angesichts von Gruppen von jüngeren Männern, die häufig Arabisch oder Türkisch sprächen und zu fünft oder sechst auftauchen würden: „Ganz viele berichten, dass sie dann ein Unwohlsein haben. Diese Gefühlslage gibt es, und die würde ich immer bestätigen.“ Das sei es, was Merz gemeint habe und worauf er hinauswollte. Die starke Zuwanderung der vergangenen Jahre habe sich im Stadtbild niedergeschlagen.
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