Mobilität - Autonome Shuttles sollen ab 2022 im Franklin-Quartier unterwegs sein / „Reallabor“ für für zukunftsfähigen ÖPNV

Stadt als Vorreiter beim Bus ohne Fahrer

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Thorsten Langscheid
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22 Passagiere – acht davon sitzend, die restlichen stehend – sollen in dem kleinen Shuttlebus Platz finden. In Zeiten der Pandemie ein fast noch befremdlicherer Gedanke als der, dass unterwegs weder ein Busfahrer noch sonst eine Begleitperson mit im Fahrzeug sein wird, das bis zu 40 Stundenkilometer schnell sein soll. Und doch: Ab Sommer 2022 wollen Erster Bürgermeister Christian Specht und der Geschäftsführer der RNV-Verkehrsbetriebe, Martin in der Beek, den Mini-Bus im neuen Franklin-Quartier auf die Strecke bringen: „Zum ganz normalen ÖPNV-Tarif“, wie in der Beek betont.

Sieben Millionen Euro vom Land

Am Mittwoch überreichte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) einen Sieben-Millionen-Euro-Scheck an Professor Hans-Christian Reuss vom Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS). Das Institut der Automobilwirtschaft forscht gemeinsam mit einem Konsortium des Herstellers ZF Friedrichshafen, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), den Friedrichshafener und den Rhein-Neckar-Verkehrsbetrieben sowie der Deutschen Bahn an dem insgesamt 22 Millionen Euro teuren Zukunftsprojekt. „Wir wollen aus dem Labor ins Reallabor und dann in den Realbetrieb auf der Straße“, beschrieb Minister Hermann das Vorgehen.

Das fahrerlose Shuttle soll dabei – sobald die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind – tatsächlich ohne Begleitperson aus Fleisch und Blut mit bis zu 40 Stundenkilometern auf die Strecke gehen. Geplant ist, einen Betrieb zwischen der Stadtbahnhaltestelle „Platz der Freundschaft“ und dem George-Sullivan-Ring auf der einen sowie dem James-Monroe-Ring in der ehemaligen US-Offizierssiedlung auf der anderen Seite sicherzustellen.

Zwei der autonomen Fahrzeuge des Herstellers „2getthere“, einer ZF-Tochter, sollen in Mannheim, drei weitere auf einer Teststrecke in Friedrichshafen/Bodensee eingesetzt werden. Am Bodensee soll der fahrerlose Bus sogar bis zu 60 Stundenkilometer schnell sein. Geplant ist, in einer ersten Phase bis Ende des übernächsten Jahres erste Erfahrungen zu sammeln, dann bis Ende 2023 in der zweiten Phase des Reallabors den Alltagsbetrieb auszutesten. Vorgesehen sind Informations- und Werbeveranstaltungen sowie eine umfassende „Akzeptanzforschung“, die aus mehrere Fahrgastbefragungen vor, während und nach der Testphase besteht.

In Mannheim, so RNV-Chef Martin in der Beek auf Nachfrage dieser Redaktion, wird das Forschungsvorhaben rund 4,5 Millionen Euro kosten. Nach 2023 sollen die autonomen Shuttles – die übrigens auch zu einem Zug von mehreren Fahrzeugen zusammengeschaltet werden können – dann in den ganz normalen Alltagsbetrieb integriert werden. Geplant sind fahrplanunabhängige Fahrten nach Bedarf, der Bus kann per Handy angefordert werden.

In der Beek: „Wir wissen natürlich vorher nicht, wie der Versuch ausgeht, wollen die Busse aber, wenn es möglich ist, weiterhin betreiben.“ Die grüne Landtagsabgeordnete Elke Zimmer bezeichnete den Verkehrsversuch mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen als Beitrag zur Verkehrswende hin zu einer klimafreundichen Mobilität.“ Erster Bürgermeister Christian Specht bezog sich in einer Video-Botschaft auf die Erfindung des Automobils und des Fahrrads: Mannheim ist bekannt für seine Mobilitätsinnovationen“, so Specht.

Neue Bahnlinie geplant

Für die Anbindung des Franklin-Quartiers soll in den kommenden Jahren zudem eine neue Stadtbahn-Strecke gebaut werden. Mit dem Gleisbau und dem Umbau bestehender Haltestellen werden dafür rund 30 Millionen Euro aufgebracht. Derzeit sind dort Citaro-Elektrobusse der Linie 67 im Einsatz. Die Linie wurde eingerichtet, um die Zeit bis zur Inbetriebnahme der Stadtbahn für Franklin zu überbrücken. Der Bau soll Mitte kommenden Jahres begonnen und 2023 fertig werden. Die 1,6 Kilometer lange Stadtbahnstrecke Strecke ist Teil eines umfassenden Netzausbaus, der bis Ende der 2020er Jahre an die 150 Millionen Euro kosten wird. Geplant ist eine neue Stadtbahn-Linie mit der Nummer 16, die vom Franklin-Quartier durch die Innenstadt und das neue Glücksteinquartier bis zum Karlsplatz auf der Rheinau führen wird.

Ein Versuch mit Elektro-Bussen, die unterwegs an den Haltestellen über Induktionsschleifen aufgeladen werden („Primove“), wurde in Mannheim nach einer Testphase und zunehmenden Schwierigkeiten im Alltagsbetrieb in diesem Jahr endgültig gestoppt.

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