Kunsthalle - Sonderausstellungen am Friedrichsplatz

Spaziergänge mit Tiefgang

Lesedauer: 

Überschneidungen haben die beiden temporären Sonderausstellungen der Mannheimer Kunsthalle durchaus. Denn nach der Sintflut, als Noah in seiner Arche all jene Tiere gerettet hatte, deren Heil ihm Gott anbefohlen hatte, da landete man auf Neuland, anders gesagt, in der Fremde. Und diese begann man, sich zur Heimat zu machen. Zu sehen sind derzeit am Friedrichsplatz "Arche Noah.Tierplastiken" des bekannten Mannheimer Kunstschaffenden Philipp Harth. Sie zeigen Pelikane, Kamele, Pferd, Esel und Löwen, die ganz unparadiesisch, endlich in der Fremde angekommen, miteinander kämpfen, ihr Blut vergießen auf Gedeih und Verderben. Haben sie dazu überlebt?

Museumspädagogin Evelyn Brinkmann weiß offensichtlich genau, warum sie ihre kindlichen Besuchern an den Tierplastiken vorbeibegleitet, hin zu den abstrakten Werken von Jean Tinguely. Wer sich hingegen für Antworten auf diese Fragen interessierte, konnte sich mit Dr. Susanne Kaeppele die andere große Sonderausstellung zum Thema "Fremde Heimat" anschauen, die unter dem Motto steht: "Toposforschung? Gewiss! Aber im Lichte des zu Erforschenden: Im Lichte der Utopie." Der jüdisch-deutsche Dichter Paul Celan gebrauchte diese berühmten Worte bei der Festrede "Der Meridian" anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises.

Was damit im Zusammenhang der Ausstellung ausgedrückt werden soll? Dass die Ästhetik den Dingen der realen Welt immer noch eine neue Dimension abgewinnt. Zum Beispiel Thaddäus Huppis Perpetuum Mobile "Reflexelfer" genannt, in dem zwölf Köpfe gewissermaßen geköpft und falsch herum in der Luft am seidenen Faden hängen. Sie sehen freundlich aus, aber mit Celan darf man sich erinnern: "Wer auf dem Kopf steht, für den ist der Himmel unten." Das gilt auch für Gabriela Oberkoflers "Ziege in Bozner Tracht." Es könnte auch ein Bock sein, der seinen Betrachter im Bocks- oder Tragödiengesang an das erinnert, was er durch Weltkriege, Völkermord, Flucht und Vertreibung verloren und vielleicht später gewonnen hat. Auf den angebotenen Spaziergängen durch das Museum ließ sich viel lernen, vieles auch, was nachhaltig bleibt. am

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen