"Ich fühle mich richtig leergeschrieben", sagt Lisa-Maria Seydlitz und lacht. Hinter der 26-Jährigen liegt ein anstrengendes, aber auch aufregendes Jahr. Drei Jahre hat sie an ihrem ersten Roman geschrieben, 2011 verfasste sie den letzten Teil von "Sommertöchter". Die gebundene Ausgabe, auf deren Cover Wassertropfen über eine gelbe Blume perlen, liegt nun endlich vor ihr. Ganze 208 Seiten.
Wir treffen die junge Autorin am Abend im Café Murnau, sie trägt ein knielanges Kleid, das mit orangefarbenen, blauen und braunen Blättern bedruckt ist, darüber ein braunes T-Shirt. "Eigentlich habe ich schon immer geschrieben", sagt Seydlitz und streicht sich den hellbraunen Pony aus der Stirn. "Mit elf Jahren etwa habe ich angefangen und mit zwölf dann erste Anfänge von Romanen verfasst, die von Freundschaften handelten", sagt sie schmunzelnd. "Die habe ich leider nie fertiggestellt."
Von Dumont entdeckt
Nach dem Abi studierte die gebürtige Mannheimerin an der Universität Hildesheim kreatives Schreiben und Kulturjournalismus. In Workshops und Seminaren lernte sie Texte zu verfassen, Figuren und Dynamiken zu entwickeln. In ihrer Freizeit suchte sie als Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Bella triste" nach jungen, unveröffentlichten Autoren. "Wir haben uns dreimal in der Woche abends getroffen und bis spät in die Nacht Texte besprochen." Wenn Seydlitz von ihrer Studienzeit erzählt, kann man ihr die Begeisterung für Literatur, von den strahlenden blau-grünen Augen ablesen.
Eine Wende sollte das Jahr 2008 für sie bringen. Als Stipendiatin nahm Seydlitz am Klagenfurter Literaturkurs teil, der als Sprungbrett für junge Autoren gilt. Hier lernte sie einen Lektor des Dumont-Verlages kennen, der von ihren Kurztexten begeistert war und "was Längeres" von ihr lesen wollte. Seydlitz setzte sich an ihren Computer und schrieb los. Die Figuren und die Handlung hatte sie schon zuvor entwickelt, jetzt brachte sie "Sommertöchter" auf Papier. Die ersten 90 Seiten des Romans reichte sie bei Dumont ein. "Die letzten eineinhalb Monate vor der Abgabe habe ich nichts anderes mehr gemacht, mich nicht mehr mit Leuten getroffen", erinnert sie sich. Einzelne Figuren wurden stärker ausgearbeitet, Szenen verändert und natürlich die Veröffentlichung des Buches geplant. Regelmäßig habe sie bei ihrem Lektor angerufen. Ob es schon Coverentwürfe gebe, was geplant sei, wie es weiter gehe. "Ich fand das so spannend und wollte immer alles mitbekommen."
In "Sommertöchter" erfährt Hauptperson Juno acht Jahre nach dem Tod ihres Vaters durch einen anonymen Brief von ihrem Erbe: ein Haus in der Bretagne. Doch wider Erwarten ist sie nicht die Einzige, die sich für das Haus interessiert. Die Reise nach Frankreich wird für Juno zu einer Reise in ihre Familiengeschichte.
Fiktion und ein wahrer Kern
Der Roman habe einen wahren Kern, sagt Seydlitz. "Aber die Realität verschwimmt mit der Fiktion. Mich inspirieren eigene Erfahrungen und ich schreibe gerne von schönen Dingen, die von einem Riss durchdrungen sind." Auch das Dorf in der Bretagne, in dem ein Großteil der Handlung spielt, existiere nicht wirklich, sondern sei eine Mischung aus Orten in Frankreich, in denen sie selbst schon ihre Ferien verbraucht habe. "Und der Charakter der Mutter im Roman ist auf keinen Fall an meine eigene Mutter angelehnt", sagt sie und lacht. Aber solche Figuren brauche eine Geschichte eben auch.
Die Abgabe von "Sommertöchter" empfand sie als Erleichterung. "Schreiben ist schon ...", Seydlitz macht eine Pause und greift sich beim Überlegen an ihren kleinen Silberohrring. "...auszehrend!" Einen Monat lang habe sie keine Bücher gelesen. Letztes Jahr zog die 26-Jährige zurück in die Quadratestadt. "Der Liebe wegen". Seit wenigen Monaten absolviert die Diplom-Kulturwissenschaftlerin ein Volontariat in der Kommunikationsabteilung eines Unternehmens in der Region.
Auch das kommende Jahr wird für Lisa-Maria Seydlitz spannend werden: Lesungen in Deutschland stehen an, unter anderem auf der Leipziger Buchmesse. So richtig glauben kann sie das noch nicht. "Ich bin total gespannt, was passiert." Ideen für ein neues Projekt habe sie zwar schon, jetzt stehe aber erst mal eine Schreibpause an und irgendwann ein langer Urlaub.
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