Second-Hand

Sofa in Mannheim zu verschenken - aber wie?

Eine knapp vier Jahre alte Couch, zwei Meter breit, gut erhalten - dass er dafür auch gratis keine Interessenten findet, kann ein Mannheimer nicht verstehen. Wir haben nachgeforscht

Von 
Steffen Mack
Lesedauer: 
Dieses rund vier Jahre alte und zwei Meter breite Sofa versucht Dietmar Hissek bisher vergeblich, mit Inseraten loszuwerden. © Dietmar Hissek

Mannheim. Dietmar Hissek hat ein Problem. Von dem er nie vermutet hätte, dass es eines wird. Der Leser aus dem Rott versucht seit mehr als vier Monaten, ein Sofa loszuwerden. „Aus meinem Single-Haushalt, ohne Haustiere, absolut ohne Mängel“, so Hissek. Anfangs habe er ein bisschen Geld dafür gewollt. Mittlerweile würde er es „fer umme“ hergeben. Aber selbst geschenkt wolle es offenbar niemand haben, wundert sich der Mannheimer.

Sofa in Mannheim zu verschenken - aber niemand will es

Dabei habe er es sowohl online über den „MM“-Marktplatz und ein Nachbarschaftsportal als auch über die Anschlagtafel in einem Pennymarkt angeboten. Gemeldet habe sich lediglich ein Interessent. „Der ist dann gekommen und war ganz erstaunt, wie breit ein Zwei-Meter-Sofa ist. Er meinte, das passt nicht in seine Wohnung“, berichtet Hissek. Dabei habe die Breite doch schon im Inserat gestanden.

Der Leser bot das Möbelstück auch einem Second-Hand-Kaufhaus auf dem Waldhof an. Doch nachdem er die erbetene Beschreibung und ein Foto gemailt hatte, wurde ihm mitgeteilt, an einem solchen Sofa gebe es „keinen Bedarf“. Hissek kann das nicht glauben. Selbst in Zeiten von 20-prozentiger Kinderarmut und immer mehr von Tafelläden abhängiger Menschen brauche anscheinend niemand ein Sitzmöbel.

Sofa über falsche Kanäle angeboten? 

Doch so einfach ist es offenbar nicht. Auf Anfrage heißt es von mehreren Menschen, die sich gut im Second-Hand-Bereich auskennen, Hissek habe seine Couch wohl nur über die falschen Kanäle angeboten.

So weist Dominik Kobel, Betriebsleiter des zur Caritas gehörenden Fairkauf-Kaufhaus auf dem Waldhof, auf eine erfreulich große Bereitschaft zu Sachspenden hin. „Pro Jahr bekommen wir schätzungsweise zwei Fußballfelder voll.“ Das führe zu einem Überangebot auf dem Second-Hand-Markt, auch bei Möbeln. Zudem sei der Preisunterschied zu den billigsten Stücken bei Discount-Ketten gering. Und da wollten vieler Käufer lieber eine neue Couch, ohne zu erkennen, dass eine gebrauchte hochwertiger sei.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Als Kobel ein Foto von Hisseks Sofa sieht, meint er darauf einige Verfärbungen zu erkennen. Das sei zwar bei einem gebrauchten Stück kein Wunder, mache einen Verkauf aber noch schwieriger. „Für so ein Sofa kann ich nur 40, 50 Euro verlangen“. Da rechne es sich nicht, eigens jemanden mit einem Transporter zum Abholen loszuschicken.

Second-Hand-Kaufhaus in Mannheim: Viele Sachspenden

Diese Sichtweise bestätigt Henrike Zeilfelder von Markthaus in Neckarau, Mannheims anderem großen Second-Hand-Kaufhaus. „Auch wir müssen letztlich ja wirtschaftlich arbeiten.“ Und wenig attraktive Möbel ließen sich schwer loswerden. Für höherwertige allerdings gebe es durchaus einen Markt, und das keineswegs nur bei Bedürftigen. Gerade jungen Menschen sei ja zunehmend Nachhaltigkeit wichtig.

Etwa Diana und Armin Miltner aus Feudenheim sind kürzlich ihre Couch an Markthaus losgeworden. Aber die ist auch 2,40 Meter breit und zum Ausziehen. Als die Eheleute einige Tage nach dem Abholen mal nach ihr im Second-Hand-Kaufhaus schauten, „da war sie schon weg“, erzählt Diana Miltner.

Sofa zu verschenken: Gute Bilder wichtig

Seine Couch sei leider nicht zum darauf Schlafen ausziehbar, sagt Hissek. Als er jedoch das mit den vermeintlichen Verfärbungen hört, ärgert er sich. „Diesem Sofa fehlt überhaupt nichts!“ Es sei kaum benutzt. Er habe es vor etwa vier Jahren noch zu Lebzeiten seiner Frau gekauft, die habe später ins Pflegeheim gemusst. Die Farbunterschiede, die Kobel auf dem Bild erkannte, sind nach Aussage des Witwers nur einer danebenstehenden Lampe geschuldet.

Der Fairkauf-Betriebsleiter will das auf Nachfrage nicht ausschließen. Wichtig sei generell, ihnen aussagekräftige Fotos zu schicken. Sonst bestehe auch die Gefahr, dass ein Möbelstück beim Abholtermin doch nicht mitgenommen werde.

Hissek wiederum möchte nicht aufgeben. Auf den Sperrmüll gebe er sein Sofa auf keinen Fall. „Intakte Dinge zu vernichten ist schlichtweg frevelhaft.“ Dass sich im reichen Deutschland für so ein Möbelstück offensichtlich kein Abnehmer finden lasse, sei wirklich traurig.

Sofa über Internet Second-Hand-Markt anbieten

Dem widerspricht indes Christopher Niers vom Diakoniepunkt Konkordien. „Immer mehr Menschen haben immer weniger Geld.“ Wer etwa aus der Obdachlosigkeit heraus eine Wohnung einrichte, sei oft auf Second-Hand-Möbel angewiesen. In ihrem kleinen Laden sei zwar kein Platz für Hisseks Couch. Aber sie könnten gern ein Foto aufhängen, und wenn sich ein Interessent fände, die Abholung organisieren.

Kobel von Fairkauf empfiehlt, das Sofa verstärkt in Online-Foren anzubieten, nicht auf Supermarkt-Infotafeln. „Da guckt doch heute keiner mehr hin, das geht alles über Handy und Computer.“

Ins gleiche Horn stößt Natice Orhan-Daibel. Die Ludwigshafenerin begann 2015, im großen Stil Sachspenden für auf dem Mannheimer Hauptbahnhof ankommende Flüchtlinge zu organisieren. Seither engagiert sie sich ehrenamtlich stark für Bedürftige. Sie lobt auch die enorme Bereitschaft vieler Menschen zu Sachspenden. Sobald sie auf Facebook dazu aufrufe, etwas Bestimmtes zu geben, gingen gleich „Unmengen“ bei ihr an.

Damit ist sie zwar dem Vernehmen nach ziemlich gut ausgelastet. Aber als Orhan-Daibel von Hisseks Problem hört, bietet sie sofort an: „Er soll mir per WhatsApp ein Foto schicken. Dann finde ich schon jemanden für seine Couch.“

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen