Nach der WM

So tickt die Mannheimer Dartsszene

Gabriel Clemens hat mit seinem Einzug ins Halbfinale bei der Weltmeisterschaft eine Begeisterungswelle für die Randsportart ausgelöst. Jürgen Zimmermann vom Dartsclub Mannheim United erklärt, was den Reiz ausmacht

Von 
Valerie Gerards
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Jürgen „JüZi“ Zimmermann (r.), Mitglieder des DC Mannheim United und Salema-Wirt Jürgen Weber (vorne). © Valerie Gerards

Mannheim. Auf der Suche nach Steeldart-Clubs in Mannheim stößt der „MM“ auf die Salema Bar mit Steel in der Neckarstadt-Ost. Dort wurde kürzlich die Meisterschaft der Heidelberger Dartliga (HDL) ausgetragen. In der Hoffnung, dort die im Internet vergeblich gesuchten Telefonnummern einiger Dartclubs abgreifen zu können, entpuppt sich der Wirt in der Tat als große Hilfe: Anstatt einer Liste der HDL-Teilnehmer greift er kurzerhand zum Telefon. „Warte mal, ich ruf den JüZi an“, sagt Salema-Inhaber Jürgen Weber und besteht rigoros aufs Duzen.

Er klärt direkt darüber auf, dass es nur einen Mannheimer Dartclub gibt, daneben aber viele Interessengemeinschaften und Hobby-Mannschaften existieren. Eine halbe Stunde später kommt Jürgen „JüZi“ Zimmermann, Zweiter Vorsitzender des Dartclubs Mannheim United, durch die Tür und erzählt, wie der Verein tickt. Ein paar Pfeile fliegen auch, einige gut gezielt, andere treffen nur zufällig die Scheibe, die - bitteschön - nicht aus Kork sondern aus Sisal besteht.

Das verabredete Interview zwei Tage später hat sich herumgesprochen und findet mit etwas Publikum in der Stammkneipe von Mannheim United statt.

Wegen ihm schalteten zu Jahresbeginn viele auf Darts im Fernsehen um: Gabriel Clemens (M.) erreichte bei der WM in London völlig überraschen das Halbfinale. © Zac Goodwin/dpa

Die Darts-Weltmeisterschaft in England, die jüngst zu Ende gegangen ist, hat wieder einmal gezeigt, dass sich die Deutschen für diesen Sport begeistern können. Gilt das auch für den Vereinssport Rückenwind?

Jürgen Zimmermann: Ja, wir merken ziemlich stark, dass das Interesse da ist. Nach jeder WM kommen mehr Leute zum Darts. Begonnen haben wir mit etwa 20 aktiven Spielern, Claudio hier ist unser jüngster, unser 57. Mitglied.

Dabei seid ihr noch ein recht junger Verein …

Zimmermann: Den Steeldart Club Mannheim gibt es seit Juli 2020, den Verein DC Mannheim United seit Dezember 2021. Die Gründung war sogar während der Corona-Zeit. Wir haben im Biergarten im Hinterhof gespielt, weil wir dort genügend Abstand halten konnten. Im Mannheim United haben wir die aktiven Spielerinnen und Spieler mehrerer Hobbymannschaften vereint. Das war notwendig, weil wir vorher in einer wilden Liga gespielt haben, aber immer das Ziel hatten, irgendwann mal in der Bundesliga zu spielen. Hier in der Metropolregion gibt es eine gute Darts-Tradition mit Walldorf, Huttenheim, Sandhausen und Neudorf, aber bis zur Gründung von Mannheim United eben nicht in Mannheim.

Wie wichtig war es für euren Sport, dass mit dem Saarländer Gabriel Clemens zum ersten Mal ein Deutscher in ein WM-Halbfinale eingezogen ist?

Zimmermann: Das ist eine längere Entwicklung. Am Anfang waren eigentlich fast nur Engländer, Schotten und mit Raymond van Barneveld ein Holländer auf diesem Niveau dabei. Da hat es den ersten Schub in Holland gegeben, den wir in Deutschland auch gespürt haben. Vor 20 Jahren musste man noch VHS-Kassetten hin und her schieben, um das Endspiel sehen zu können. Dann kam Darts irgendwann auf dem Sportkanal. Die spannenden Weltmeisterschaften haben uns allen Auftrieb gegeben. Eigentlich ist es egal, welcher Nation ein Spieler angehört.

Fahrt ihr mit dem Verein eigentlich zu den großen Dart-Events?

Zimmermann: 2008 war die erste Europameisterschaft in Frankfurt, da sind wir hingefahren und haben gefeiert. Bei der Darts-Gala in der SAP Arena vor ein paar Monaten waren einige unserer Vereinsmitglieder dabei. Dieses Jahr wollen wir mit dem Verein nach London zu Darts-WM in den Alexandra Palace. Wir organisieren das, und wer Zeit und Muße hat, kann mitkommen.

Was ist dir beim spektakulären WM-Finale zwischen dem neuen Weltmeister Michael Smith aus England und dem Niederländer Michael van Gerwen durch den Kopf gegangen, als sich der Kommentator des englischen Sky Sportsenders angesichts eines nahezu perfekten Legs heiser geschrien hat?

Zimmermann: Wir haben das Finale zusammen hier im Salema geschaut und gleichzeitig unser Neujahrsturnier gespielt. Wir haben getobt! Wir waren etwa 30 Leute, es war eine Mordsstimmung. Das war wirklich das spektakulärste Leg aller Zeiten, als der mehrfache Weltmeister Michael van Gerwen das perfekte Leg mit dem neunten Dart knapp verpasste, Michael Smith aber dieses nur wenige Sekunden später vollendete. Sensationell!

Wie sieht der Ligabetrieb aus und wo trainiert ihr?

Zimmermann: Wir sind Mitglied in der Badischen Dartsliga, und unsere vier Mannschaften spielen hier im Salema: Freitags spielen die Mannheim United „mit Steel“ und die „Q-Werfer“ in der Kreisliga abwechselnd mit der Bezirksliga-Mannschaft „im Quadrat“ im Heim- und Auswärtsspiel. Unsere erste Mannschaft, die „68ers“, spielt in der Bezirksliga eins, das ist unsere leistungsorientierte Mannschaft, die in die Oberliga aufsteigen soll. Wir trainieren montags und mittwochs. Jeden Samstag ab 19 Uhr ist bei uns offenes Turnier, im Fermacs in U5 jeden Donnerstag, und einige trainieren im Bistro All Stars in Neckarau.

Darts ist ein Kneipensport, ganz klar, aber es ist halt auch Sport.

Darts bleibt also doch irgendwie ein Kneipensport. Wie zielsicher seid ihr noch in der vorletzten Runde?

Zimmermann: Der Trend geht dahin, dass man eher weniger Alkohol beim Dartspielen trinkt. Der eine oder andere denkt vielleicht, dass er nach dem dritten Bier besser Darts spielt. Aber das ist dann eher Selbstüberschätzung. Die Ergebnisse geben das nicht her. Wenn wir offizielle Turniere haben, herrscht für die Spieler am Bord absolutes Alkoholverbot.

Wie sieht es im Verein mit Nachwuchs aus?

Zimmermann: Darts ist ein Kneipensport, ganz klar, aber es ist halt auch Sport. Als Verein wollen wir die Jugendlichen nicht in die Kneipe holen und zum Alkohol trinken verleiten. Darum wollen wir im Vereinsgebäude des Fußballclubs MFC 08 Lindenhof eine Dartanlage installieren. Wir sind noch im Gespräch mit der Stadt, ob es irgendwelche Fördermittel gibt.

So wird beim Steeldarts gezählt

  • Es wird je nach Dartsturnier auf eine verschiedene Anzahl an Gewinnsätze gespielt. In der ersten Runde der WM geht es etwa auf drei Gewinnsätze. Das Finale geht über sieben Gewinnsätze.
  • Ein Satz besteht aus sogenannten Legs, in denen von 501 auf Null gespielt wird. Auf Null geht es nur mit einem Double (äußerer Rand des Darts-Board; 20 zu werfen, also auf die Doppel-10). Der Satz wird von demjenigen gewonnen, der zuerst drei Legs gewonnen hat.
  • Normalerweise holt derjenige den Satz, der das erste Leg des Satzes anspielt, weil er zuerst von 501 runterspielt.
  • Wer gegen die Darts (also denersten Werfer des Legs) gewinnt, schafft wie im Tennis ein Break.
  • Das perfekte Leg besteht darin, mit neun Pfeilen von 501 auf die Null zu kommen. Also etwa: Triple 20, Triple 20, Triple 20 (180): 501-180= 321; Dann Triple 20, Triple 20, Triple 20 (180): 321-180= 141. dann evtl. etwa Triple 19, Triple 18, Double 20: 141-141= 0.

Was gefällt dir besonders gut am Darts und an eurem Verein?

Zimmermann: Es spielt keine Rolle, wie alt du bist oder wo du herkommst, ob du Professor bist oder auf dem Bau arbeitest, Mann oder Frau bist: Wer zielgenau 2,37 Meter weit werfen kann, ist eingeladen, bei uns mitzumachen. Wo in der Gesellschaft treffen sich sonst alle Schichten auf Augenhöhe? Beim Wettkampf gegen andere kann man sich definitiv verbessern. Das ist etwas ganz anderes, als allein zu spielen. Und die Geselligkeit ist toll, wir sitzen zusammen und plaudern.

So wie du, als du nach dem Anruf von Jürgen spontan Zeit hattest und vorbeigekommen bist, um mit mir über Darts zu plaudern …

Zimmermann: Hätte ich keine Zeit gehabt, hätte das auch jeder andere von uns gern gemacht!

Wie viel Erfahrung sollte ein Spieler haben, der bei euch anfangen möchte?

Zimmermann: Gute Frage. Erfahrung heißt ja nicht unbedingt, dass man gut spielen kann, es gehört auch Talent dazu.

Dann anders: Sind denn auch die Leute bei euch gut aufgehoben, die euren Sport erst noch lernen wollen?

Zimmermann: Ja, auf jeden Fall. Man sollte die Scheibe treffen und die Zahl, auf die man geht, im Visier haben. Es gibt Leute wie unser Vereinsmitglied Vera: Die sind so untalentiert, haben aber so viel Spaß am Dart (ein Gast ruft „Name von der Redaktion geändert“, alle im Raum lachen) - die sind natürlich trotzdem willkommen!

Freie Autorin

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