Mannheim. Wird diesmal alles gut? Am 24. und 27. Mai spielt der SV Waldhof erneut um den Drittliga-Aufstieg. Es geht gegen den Meister der Regionalliga-West, KFC Uerdingen oder Victoria Köln. Und die Fans träumen wieder von besseren Zeiten. Hier erinnern sich „MM“-Mitarbeiter an ihre Erlebnisse.
Das Mädchen ist zwölf, 13 Jahre alt. Ein Alter, in dem viele möglichst cool sein wollen. Aber dieses Mädchen drückt sich an seine Mutter und weint wie ein Kleinkind. Die Mutter will ihre Tochter trösten, ist aber selbst den Tränen nah. So verschwinden die zwei am 31. Mai 2017 in ihren blau-schwarzen Trikots aus der Maimarkthalle in den warmen Frühsommerabend, in einem Strom aus Enttäuschten. Ein paar Minuten zuvor ist auf der großen Leinwand Sebastian Gärtners Elfmeter an den Pfosten geklatscht. Das Aus im Aufstiegsduell beim SV Meppen. Die großen Erwartungen der knapp 5000 Fans in der Halle – auf einen Schlag weg wie die Luft aus einem angepieksten Ballon. Was bleibt, sind Leere und Tränen. Und heute die Hoffnung, dass in diesem Jahr nach den Aufstiegsspielen niemand in Mannheim weinen muss. (Timo Schmidhuber)
Dreimal bin ich bei Waldhof-Spielen gewesen, eines davon hat mir eine besondere Einsicht verschafft – dass nämlich echte Fußball-Fans nicht nur von Spielern Einsatz und die nötige Härte verlangen, sondern auch von sich selbst. Im Südweststadion in Ludwigshafen, bei der Bundesliga-Begegnung gegen Werder Bremen war’s, da forderte ein verdächtiges Geräusch im Hintergrund vorübergehend mehr Aufmerksamkeit als das Spiel unten auf dem Feld. Mit einem Krachen brach der dicke Ast eines Baumes ab, auf dem sich verbotenerweise ein Fußballfreund befand, mit Waldhof-Mütze und Bierbecher in der Hand. Der Fan fiel herab, kam unsanft auf einem Mauervorsprung auf, um sodann noch eine äußere Böschung hinabzurollen. Als er wieder nach oben gekrochen war, fragten andere: „Tut ‘was weh?“ Der harte Bursche aber antwortete nur knapp: „Nä, s’ Schlimmste isses Bier.“ (Thomas Groß)
Er war einer der gestandenen Profis bei Hannover 96. Über Bayern München und Kickers Würzburg kam Rainer Scholz 1978 nach Norddeutschland. Fünf Jahre spielte er für Hannover 96 in der 2. Fußball-Bundesliga, bevor er zum Waldhof – der war gerade erstklassig geworden – ging. Als 19-Jähriger durfte ich 1979/80 ein Jahr bei der Zweitliga-Truppe in Hannover unter professionellen Bedingungen mittrainieren, mehrmals die Woche Seite an Seite mit Rainer Scholz. Der robuste, kantige Spieler, er wurde auf dem Platz nur „Scholle“ gerufen, war außerhalb des grünen Rasens weitaus sensibler und rücksichtsvoller. Sehr hilfsbereit und mit guten Ratschlägen – gerade für uns junge Spieler – half er immer wieder in die Bahn, wenn einer der gestandenen Profis uns junge Hüpfer vorgeführt hatte. „Auf dem Fußballplatz musst du auch mal ein kleiner Drecksack sein“, war einer seiner Sätze damals. Rainer Scholz schaffte es von Hannover aus in die 1. Bundesliga beim SV Waldhof. Der Weg des Verfassers führte in den Journalismus mit vielen Stationen – und schließlich in die Chefredaktion dieser Zeitung. Dass „Scholle“ später die sagenumwobene Nummer 10 – sie war in aller Regel den glanzvollen Ball-Virtuosen vorbehalten und nicht den robusten, körperlich spielenden Kickern – bei SVW-Trainer Klaus Schlappner tragen durfte, dafür haben wir ihn bewundert und beneidet. (Dirk Lübke)
Als nordhessischer Fußball-Fan kennt man sich mit Nichtaufstiegen bestens aus. Schließlich verpasste der KSV Hessen Kassel in den 1980ern vier Mal in Folge den Aufstieg in die Bundesliga am letzten Spieltag. In der Kurpfalz heimisch geworden, zog es mich in der Spielzeit 2000/2001 vermehrt zum Zauberfußball des SV Waldhof unter Uwe Rapolder. Der dürfte noch kein Laptop verwendet haben, ließ aber den jungen Hanno Balitsch, Fatmir Vata, Ervin Skela, Vilmar Santos, Selim Teber und Co. frei nach Arrigo Sacchis AC Mailand so spielen, dass es auch heute noch modern wäre. Dass die Saison für Mannheim als bis dahin bester Nichtaufsteiger äußerst unglücklich endete, hatte verstärkt mit dem 30. Spieltag zu tun. Waldhof führte 2:0 gegen weit abgeschlagene Saarbrücker, als ich es in der 35. Minute nach spätem Feierabend noch auf die Pressetribüne schaffte. Prompt fiel der Anschlusstreffer, das Spiel kippte erdrutschartig, mit 2:3 wurde der fast sichere vorzeitige Aufstieg verspielt. „Du kommst besser nicht wieder, Unglücksvogel“, raunzte der Kollege aus der Sportredaktion mich von der Seite an. Habe ich gemacht, hat auch nix genützt. (Jörg-Peter Klotz)
So still und zurückhaltend waren wir in diesem Alter nie. Doch an diesem Samstag, es war der 29. Oktober 1983, eingezwängt zwischen grölenden, nach Bier, Schnaps und Anstrengung müffelnden Fans, gingen unsere Blicke nach unten auf unsere Füße, auf den Boden der Straßenbahn. Bloß niemandem der Kuttenträger in die Augen schauen, bloß nichts sagen, es könnte das Falsche sein – und das Letzte. 13 und 14 Jahre waren wir damals, auf dem Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Schwetzingen-Hirschacker rüber ans Südweststadion in Ludwigshafen. Vom Land in die Chemiestadt, aus der behüteten Umgebung in den urbanen Dschungel – ein Abenteuer. Mit gutem Ausgang, so und so: zweimal Fritz Walter, je einmal Stefan Knapp und Günter Sebert, bei einem späten Gegentreffer der enttäuschenden Dortmunder durch Werner Dreßel – 4:1, zwei Punkte, Sprung auf Platz 12 in der Bundesliga-Tabelle. Die Waldhöfer unter den 18 000 Zuschauern hatten einen Riesenspaß. Wir auch, sogar auf der Heimfahrt. (Stefan Proetel)
Wie weit darf Vereinsliebe und Fan-Sein eigentlich gehen? Mit dieser Frage sah ich mich bereits früh in meinem Eheleben konfrontiert. Schließlich ist als treuer Fan unser fußballerisches Schwarz-Weiß-Denken sehr eng an die Farben Blau-Schwarz geknüpft. Martialisch ausgedrückt, könnte man schon fast sagen, dass durch unsere Adern blau-schwarzes Blut fließt. Es war im Juli 2008, als wir uns in Flitterwochen auf Hawaii befanden und mich meine frisch Angetraute bereits am ersten Abend nahe an den Herzinfarkt brachte. Sie hatte eine Zahnpasta eingepackt, die rot-weiße Streifen enthielt – ausgerechnet jene Farben, die für uns Blau-Schwarze ein rotes Tuch darstellen. Sehr schnell einigten wir uns darauf, die Zahnpasta zu wechseln. In Ermangelung einer blau-schwarzen Zahncreme ging ich den Kompromiss einer Marke mit blau-roten Streifen ein. Doch gestern Abend das Déjà-vu, und erneut sollte mich fast der Schlag treffen. Blau-rot? Ausgerechnet die Farben des KFC Uerdingen … (Andi Nowey)
Ich muss gestehen: Als ich zum ersten Mal den Namen Waldhof hörte, dachte ich an Rote Grütze und ihren grünen Bruder, den Waldmeister-Wackelpudding. Bitte seht es mir nach, liebe Mannheimerinnen und Mannheimer. Für den gebürtigen Stuttgarter und einst von sehr bis überambitionierten Trainern geschundenen Kicker in der Jugend beim Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.V., kurz VfB, gab es irgendwann einmal, es war 1976, den schmerzlichen Moment: Abstieg in Liga zwei. Tod und Verzweiflung. Ich war damals zehn Jahre alt, als meine Mannschaft am 18. September 1976 plötzlich statt gegen den Erzfeind Bayern München gegen eben jene Typen aus dem Wackelpudding spielte. Da das Trikot aber schon damals blau war und die Spieler nicht für Grütze, sondern für Chio Chips warben, wurde mir mein Irrtum schnell klar. Ich liebe blau. Und so verfolge ich auch heute immer in der kicker-App, wie’s bei den Blauen läuft. Hin und wieder gehe ich auch leibhaftig zum Spiel. Bei der dritten Relegation infolge sollte doch mal was drin sein. Verdammt: Uerdingen ist auch keine Übermannschaft – im Gegensatz zum Sportverein Waldhof Mannheim 07 e. V.! Oder? (Stefan Dettlinger)
Liebe Eltern! Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Um seine Kinder für Fußball zu begeistern, muss man nicht in Kleinstädte wie Sinsheim oder Sandhausen fahren, nur weil dort aktuell umständehalber höherklassig gekickt wird. Stimmung und Leidenschaft finden sich – was die Heimmannschaft angeht, sogar noch mehr – auch im Carl-Benz-Stadion. Allerdings sollte man bei dem einen oder anderen Fangesang seine Kleinen besser vom Text ablenken. Auch ermuntern die Waldhof-Anhänger gegnerische Torhüter gern zu flotteren Abschlägen, indem sie einem Schimpfwort-Dreiklang einen Reim hinzufügen, der mit „Deine Mutter …“ beginnt. Als unser Jüngster klein war und auf seiner Geburtsfeier (zu unserem Schrecken) Stadion-Erlebnisse austauschte, meinte ein Kind, die Fans riefen immer „Meine Mutter kennt dich schon“. Im Sinne von „Wenn du mich ärgerst, ruft meine Mutter deine an“. Trotz Widerspruchs beharrte der Junge darauf, genau das werde im Waldhof-Block angestimmt. Wir ließen ihn in dem Glauben. (Steffen Mack)
Welche Erinnerungen haben Sie an den SVW ? Schreiben Sie uns bitte per Mail an: lokal@mamo.de oder per Post an: Lokalredaktion, Dudenstraße 12-26, 68167 Mannheim, Stichwort: „Mein Waldhof“. Mit folgendem Link können Sie auch Fotos online stellen: http://bit.ly/FotosSVW
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