Verkehr

So kommen Grundschüler allein sicher zur Schule

Gemeinsam laufen - und viel üben: Warum Stadt und Polizei Mannheimer Erstklässlern zeigen, wie man sich sicher auf der Straße verhält. Ein Besuch in der Neckar-Grundschule in der Neckarstadt-West

Von 
Lisa Uhlmann
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Erst stehen, schauen, gehen: Beim ABC-Training lernen die Erstklässler, wie man sicher die Straße überquert. © Lisa Uhlmann

Mannheim. Für das Training zum sicheren Schulweg hat Polizist Dennis Markmann seine eigene Straße mitgebracht. Und sogar zwei parkende Autos - und das mitten in der Turnhalle der Neckar-Grundschule in der Neckarstadt-West. Das wollen die 100 Erstklässler gar nicht glauben und staunen nicht schlecht, als der Erste Polizeihauptkommissar zwei Gummistreifen und Plakate mit aufgedruckten Autos aus der Tasche zieht. Die Gummistreifen verwandeln sich in Bordsteine. Je zwei Kinder müssen mitspielen, bekommen die Plakate umgehängt und sind damit parkende Autos. „Gerade beim Überqueren der Straße heißt es am Bordstein: Stopp, hier muss ich stehenbleiben!“, ruft der Polizist.

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Mit Oberkommissarin Regina Frei spielt der Polizist an diesem frühen Montagmorgen den Grundschülern vor, wie man sicher über die Straße läuft. Erklärt, warum man dabei nicht auf das Handy schauen sollte. Und wie das sichere Überqueren gelingt, wenn man zwischen zwei geparkten Autos durchlaufen muss. Das Mitspiel-Theater ist Teil des alljährlichen Trainingsprogramms „Sicherer Schulweg“ in der Jugendverkehrsschule. Seit März läuft das Vorschulprogramm der Verkehrsprävention des Polizeipräsidiums Mannheim, zu dem die Vorschulkinder eingeladen werden. Diese ABC-Schützenaktion bildet den Abschluss und richtet sich an die frisch eingeschulten Erstklässler.

Drei Wochen Verkehrsprävention

Drei Wochen lang, bis zum 15. Dezember, besucht die Verkehrsprävention mit dem Verkehrsordnungsdienst der Stadt in Teams täglich zwei Grundschulen gleichzeitig. Die ausgewählten Schulen liegen in einer verkehrsstarken Lage, weshalb auf dem Schulweg mehr Gefahren lauern als bei anderen. Die Teams sprechen bei der Aktion auch Autofahrer an, um sie für die Schulkinder zu sensibilisieren. Am Ende werden die Experten 26 Grundschulen besuchen - und so 2.600 Erstklässlern zeigen, wie man sich sicher im Straßenverkehr verhält. Das Kind bis zum Schultor begleiten - diesen Trend beobachten die Spezialisten bei ihren Besuchen fast überall. „Das ist eine ungute Entwicklung. Es ist sehr wichtig, dass die Kinder ein Selbstvertrauen für den Vekehr entwickeln. Sie sollen alleine laufen“, sagt Hauptkommissar Jörg Vollweiler von der Verkehrsprävention Mannheim. Dabei hat jede Schule ihre eigenen Besonderheiten. An der Neckarschule sind das etwa Sprachbarrieren der Kinder oder mangelnde Schulerfahung bei manchen Eltern, sagt Leiter Peter Deffaa. Rund 20 Prozent der Mütter könnten kaum lesen oder schreiben, waren selbst nie in der Schule. Auch kulturelle Hindernisse sorgten dafür, dass manche Familien ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken. Aus der Überzeugung heraus, dass Kinder nicht von Fremden erzogen werden sollten.

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Bertram Bähr
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Für Erstklässler, die zum Schulstart deswegen kaum Deutsch sprechen, gibt es hier eine sogenannte Vorbereitungsklasse. Beim Mitspiel-Theater in der Turnhalle sind auch 20 solcher Kinder dabei. Die Verkehrspolizisten kennen das Problem und vermitteln die Regeln deshalb in leichter Sprache und mit praktischen Übungen. Zum Beispiel mit Sprüchen wie „bis zum Licht, und weiter nicht!“ für das Durchlaufen zwischen geparkten Autos. Auch das mitgebrachte Zebrastofftier kommt gut an. Warum das dabei ist, will der Verkehrspolizist von den Grundschülern wissen? „Das hat auch so Streifen wie auf der Straße“, erklärt ein kleines Mädchen mit Zopf stolz. Die meisten der Erstklässler werden von ihren besorgten Müttern, die oft im hinteren Teil der Neckarstadt-West und damit in Nähe des Rotlichtviertels wohnen, täglich begleitet. Die Angst, dass die Kleinen überfahren oder angesprochen werden, sei groß, weiß Deffaa. „Zwar passiert den Kindern faktisch hier nichts. Aber das Sicherheitsgefühl ist ein anderes. Wer seine Kinder alleine laufenlässt, wird schnell von den anderen als Rabeneltern abgestempelt“, sagt der Schulleiter. Auch Deffaas Ratschläge, die Kinder einfach zusammen durch die Mittelstraße gehen zu lassen, laufen bislang ins Leere. Allerdings gäbe es laut Deffaa vereinzelt Eltern, die ihrem Nachwuchs doch einiges zutrauen und die Kinder allein durchs Viertel bis zur Neckarschule laufen lassen. Allein im Straßenverkehr zu Recht kommen: Genau das empfehlen die Experten. Denn die Kinder müssten ein Gefahrenbewusstsein erst entwickeln - dafür braucht es Übung.

Niemals an der Straße entlang laufen

Damit dabei nichts passiert, schärft Polizist Markmann in der Turnhalle den Kleinen ein: Niemals auf der Erwachsenenseite laufen, sondern nur auf der Kinderseite. Also niemals an der Straße entlang, sondern an Hauswänden oder Zäunen. „Ihr seid nämlich noch zu klein, die Autofahrer sehen euch nicht“, sagt der Polizeihauptmeister. Schon Kindergartenkindern zeigen die Experten auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule, wie lange ein Auto braucht, um zu bremsen. Später lernen sie dort das sichere Radfahren oder wie man sich beim Ansprechen von Fremden verhält.

Zurück in der Neckarschule folgt nach dem Mitspiel-Theater der praktische Teil - direkt auf der Straße. Den übernehmen zwei Mitarbeiterinnen vom Verkehrsordnungsdienst. Immer in Pärchen nehmen die Beamtinnen die Kinder an die Hand, warten gemeinsam, bis ein Auto vorbeifährt. Und achten drauf, dass alle brav stehen bleiben - und zügig die Straße überqueren. Und Verkehrspolizist Markmann? Der hat seine Straße samt Autos längst wieder eingepackt, bereit für den nächsten Einsatz.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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