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So engagieren sich Mannheimer Studierende in der kostenlosen Rechtsberatung

Von 
Eva Baumgartner
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Unser Bild zeigt einen Mandanten (v. l.), der sich von Jule von Lendenfeld, Hendrik Ekler, Tanyel Cik und Jonas Gansfort beraten lässt. © Pro Bono Mannheim

Mandanten, die beim Mannheimer Verein Pro Bono Hilfe suchen, staunen mitunter nicht schlecht: Statt eines Rechtsanwalts sitzen ihnen hier gleich vier engagierte Menschen gegenüber, die sie nach Kräften unterstützen. Die Rechtsberatung ist zudem kostenfrei - der Verein besteht aus Studierenden der Universität.

Die Idee kommt ursprünglich aus den USA: Hier gibt es seit den 1960er Jahren Beratungen von Studierenden der Rechtswissenschaften, die von Profis unterstützt werden. „Damals gab es noch das System der Rassentrennung und eine starke Bürgerrechtsbewegung“, erklärt Hendrik Ekler. Der 23-Jährige ist im Vorstand von Pro Bono für das Ausländerrecht zuständig und erklärt, das Konzept sei 2015 im Zuge der Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen, „um auch sozial benachteiligten Gruppen eine Rechtsberatung zu ermöglichen“. „Bei uns ist das überhaupt erst seit Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes im Juli 2008 möglich“, sagt die 25-jährige Laura Stracke. Vorher habe in Deutschland noch das Rechtsberatungsgesetz gegolten, das es Studierenden unmöglich gemacht habe, Rechtsberatungen durchzuführen. In Mannheim gründeten Studierende den Verein dann Ende 2014: „Inzwischen haben wir 300 Mitglieder, und es läuft ziemlich gut“, sagt Ekler.

„Diese Geschichte hat uns wirklich bewegt“

Sowohl Menschen, die gerade nach Deutschland gekommen sind, als auch Personen, die schon lange in Mannheim leben und ihre Familie nachholen wollen, können von der Beratung profitieren: „Sie können auch ganz unverbindlich ins Asylcafé nach Ludwigshafen kommen, da bieten wir einmal im Monat eine Sprechstunde an“, sagt Ekler. Im Hinblick auf die Lage in der Ukraine rechnet er mit zahlreichen neu anlaufenden Asylverfahren.

An einen Fall erinnert sich Ekler noch ganz genau: „Das war ein Vater, der sich an uns gewandt hat, sein Sohn war Anfang 20 und wog noch 40 Kilo“, erzählt der Student der Rechtswissenschaften. Der junge Mann sei völlig unterernährt gewesen, habe psychische Probleme gehabt: „Und beim Asylbewerberleistungsgesetz gibt es hohe Hürden, da kann man nicht einfach zum Arzt gehen, sondern man benötigt einen Berechtigungsschein“, weiß Ekler. In Zusammenarbeit mit dem ebenfalls studentischen Verein MediNetz, der Menschen ohne Krankenversicherung einen Zugang zu ärztlicher Betreuung ermöglicht, sei es schließlich gelungen, dem jungen Mann zu helfen, ihn auch psychisch betreuen zu lassen: „Diese Geschichte hat uns wirklich bewegt.“

Pro Bono Mannheim

  • Der Begriff „pro bono“ bezeichnet die unentgeltliche Weitergabe von beruflicher Expertise zum Wohl der Öffentlichkeit.
  • Pro Bono Mannheim ist ein Verein, in dem sich Studierende der Universität zusammengeschlossen haben, um mit Professorinnen/Professoren sowie Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen eine kostenlose Rechtsberatung in den Bereichen Zivilrecht und Ausländerrecht, besonders auch Asylrecht, anzubieten.
  • Nicht beraten wird im Familienrecht, Straf- und Steuerrecht. Die Beratung kann jeder in Anspruch nehmen, besonders Studierende aller Fachrichtungen der Uni.
  • Beratungswünsche können über das Formular im Internet (www.probono-mannheim.de) oder per E-Mail (info@probono-mannheim.de) gesendet werden.
  • Zum Thema Asylrecht gibt es auch regelmäßige Sprechstunden: jeden zweiten Dienstag im Monat im Café Asyl Ludwigshafen (Gemeindehaus der Protestantischen Kirche Mundenheim, Kirchplatz 3, 16-18 Uhr). baum

 

Ohnehin bringe das ehrenamtliche Engagement die Studierenden nah an die Probleme anderer Menschen dran: „Und von Angesicht zu Angesicht realisiert man dann, dass unsere Gegenüber keine Versuchsobjekte sind, keine Person A und B wie an der Uni, sondern echte Menschen mit echten Problemen“, verdeutlicht Ekler. Alleine gelassen werden die jungen Menschen dabei allerdings nicht - sie werden von Profis unterstützt: „Wir sind immer drei bis vier Studierende, die einem Beirat zugeordnet werden“, erklärt Stracke.

Werte der Aufnahmegesellschaft vermitteln

Den Studierenden ist wichtig, dass sie mit ihrer Arbeit die Werte der Aufnahmegesellschaft vermitteln, in der Neuankömmlinge versuchen, Fuß zu fassen. „Das ist ein gegenseitiges Lernen voneinander, die Gesellschaft soll Kenntnis vom Schicksal der Menschen erlangen und sich ihr Schicksal klarmachen. Wir wollen Vertrauen aufbauen“, sagt Ekler. „Da geht es nicht nur um Beratung, sondern auch um soziale Kompetenz“, fügt Stracke hinzu, die im Verein für das Thema Zivilrecht zuständig ist.

Vor Gericht dürfen die Studierenden die Mandanten übrigens nicht vertreten: „Wir versuchen, schon vorher eine Einigung zu erzielen“, verdeutlicht Tanyel Cik, Präsident bei Pro Bono. Der 25-Jährige ist seit dem dritten Semester Mitglied im Verein. „Durch die Kooperation mit Anwälten, Richtern oder Professoren ist dann auch gesichert, dass wir nichts Falsches erzählen.“

Jeder könne die Beratung in Anspruch nehmen, erklärt Stracke: „Dazu muss nur das Kontaktformular ausgefüllt werden, das auf unserer Homepage steht.“ Allerdings dürfen die Studierenden nur Mandate annehmen, die den Streitwert von 1500 Euro nicht überschreiten: „Auch Beratungen im Strafrecht, Steuerrecht und Familienrecht dürfen wir nicht annehmen“, so Stracke. „Wir haben bisher beispielsweise Studierende beraten, die mietrechtliche Probleme haben oder vor schwierigen Kaufverträgen stehen. Zivilrechtlich können wir auch noch viel bewirken, auch wenn die Fronten verhärtet sind“, sagt Stracke und erinnert sich an ein Beispiel, wo sie und ihre Mitstudierenden nicht sicher gewesen seien, ob noch etwas zu machen sei: „Wir haben es aber geschafft, eine Brücke zu schlagen. Uns war wichtig, dass sich die Parteien nicht völlig zerstreiten.“

"Das ist ein tolles Netzwerk"

Nicht nur Studierende der Rechtswissenschaften können bei Pro Bono ein Amt übernehmen: „Auch ein BWL-Student kann uns unterstützen, beispielsweise im Bereich Marketing“, erklärt Cik. Die Arbeit sei dabei für alle Seiten lohnenswert: „Es gibt nicht nur Workshops, sondern wir bekommen auch Kontakt zu Großkanzleien, vielleicht ein Praktikum. Das ist ein tolles Netzwerk“, bestätigt Stracke. „Wir versuchen, uns breit aufzustellen, nehmen auch an verschiedenen Events wie dem Mannheim Marathon teil oder machen Ausbildungswochenenden“, sagt Cik.

Weil die Studierenden komplett ehrenamtlich arbeiten, sind sie stets auf der Suche nach Sponsoren - auch für den anstehenden Marathon: „Vielleicht möchte uns ja jemand mit Trikots unterstützen“, hoffen Cik und seine Kolleginnen und Kollegen auf Unterstützung.

Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.

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