Es ist ein ganz großer Dreiklang, der in der Mannheimer Popakademie zur Disposition steht. Da mögen vorgetragene Texte bei Poetry Slams – also Dichterwettbewerben – noch so oft um die Kleinigkeiten der eigenen Welten der Verfasser kreisen – diesmal geht es um nicht weniger als „Glaube.Liebe.Hoffnung.“. Ein Motto als weites Feld, das Räume eröffnet und nach Erzählungen verlangt. Die Erzdiözese Freiburg hatte den Anfang der Veranstaltungsreihe „Wort Schöpfung“ im Oktober 2018 gemacht: Der Dichterwettstreit in Mannheim ist das Finale.
Dabei beginnt am Nachmittag alles mit einem leeren Blatt Papier. Der spätere Moderator Johannes Elster ist zu diesem Zeitpunkt noch Workshop-Dozent und 19 Menschen hängen an seinen Lippen. Als „Hanz“ zieht er seit Jahren durch die Lande, um Poetry Slams zu veranstalten, sie mit seinen eigenen Texten zu veredeln – nun ist er nur noch der Lehrer. Er lässt die Gedanken der Teilnehmer durch die Lüfte kreisen, bis plötzlich sämtliche Wörter zu Glaube, Liebe und Hoffnung an die Notizwand geschrieben werden. Die Teilnehmer sollen groß denken und auf Klischees der ersten denkbaren Assoziation bewusst verzichten. Es sind Momente, die beweisen, wie einfach das Schreiben sein kann, wenn Eindrücke spontan in Silbenform Gestalt annehmen. Selbst für die Pastoralreferentin Kathrin Grein, die sich als Mitarbeiterin der katholischen Seelsorgeeinheit Johannes XXIII. auf Worte versteht, sind es „Erfahrungen großer Inspiration“, die doch nur als Vorspiel von größeren Zielen dienen.
Chaotisch-humorvolle Songs
Als sich abends die Sitzreihen in der Popakademie füllen, steigt der Puls bei den antretenden Poeten sichtlich. Neben einigen Routiniers, die auch auf Meisterschaften vielfach zu Wort kommen, sind auch drei mutige, aber unerfahrene Workshop-Teilnehmer mit von der Partie. Für die Organisatoren ist das schon vor dem ersten gesprochenen Wort ein erster eigener Sieg.
Mit seinem chaotisch-humorvollen Singer-Songwriter-Pop bringt Musiker Jakob Mayer das Publikum rasch noch auf Temperatur, dann macht Yvonne Wittmann den Anfang – und was für einen. In klaren Worten rechnet sie mit sich und ihren Makeln ab, kürt sich kurzerhand zur „Königin eines Landes namens Passiv-Aggressivistan“, um die Liebe des Unperfekten zu preisen und schließlich hoffnungsvoll zu resümieren: „Auch zerbrochene Dinge spiegeln das Licht.“ Ihr Nachfolger Nik Salsflausen ist da weniger zuversichtlich, konstatiert in seinem klugen Text die „Glücksbärchisierung der Welt“ und wünscht sich einen Hans-guck-in-die-Luft zurück, der wirklich ins Wasser stürzt, wenn der Blick für das Wesentliche verloren geht. „Die Liebe siegt immer – wenn wir dafür sorgen“, hätte der junge Mann aus Esslingen auch den beiden Poetinnen einen Rat erteilen können, deren Texte tief in Melancholie versinken.
Christine Fritz versetzt das Publikum in die unendliche Gleichförmigkeit des Diskotheken-Großraumklangs, die allein durch das episodische Tropfen zwischen Pinkelpause und der Zigarette in winterlicher Kälte unterbrochen wird. Und Natalie Plasner vertieft sich hedonistisch in eine Affäre für den Augenblick, die bewusst nicht andauern soll, aber doch zum zweifelhaften Kraftspender erhoben wird: „Ich weiß, dass es gerade passt.“
Gewalt und Liebe, Wut und Passion: In Artem Zolotarovs Zeilen treffen sie sich zum Rendezvous, das die Welt zwischen Hass, Dekadenz und Übermut in Schutt und Asche legt, um erst langsam wieder ein Senfkorn Hoffnung zu pflanzen. Doch das scheint Marius Loy in seinem agilen Ausflug in die griechische Mythologie noch so weit entfernt zu sein. Unvereinbar stehen sich die Gegensätze gegenüber: Hier der schrille Sarkasmus, mit dem die Berliner Slammerin Fee das eigene Theologie-Studium durch den Kakao zieht, dort die liebevolle Traumversunkenheit, mit der die Mannheimerin Celina Spanier ihre Sehnsucht verteidigt. Am Ende triumphiert Skeptiker Nik Salsflausen.
Das Projekt „Wort Schöpfung“
- Unter dem Motto „Glaube.Liebe.Hoffnung“ startete die Erzdiözese Freiburg im Oktober des vergangenen Jahres ein Texter-Format, das die drei großen Kategorien – christlich oder einfach aus dem Leben gegriffen – hinterfragen soll.
- Das Projekt setzt sich aus einem Wettbewerb mit eingereichten Texten und Dichterwettstreiten – den sogenannten Poetry Slams – zusammen.
- Als regionaler Pate in Mannheim stellte sich die katholische Seelsorgeeinheit Johannes XXIII. bereit und koordinierte das Programm.
- Die Slams in Fautenbach, Villingen-Schwenningen, Karlsruhe und am Sonntagabend auch in Mannheim wurden obendrein von Workshop-Programmen für interessierte Schreiber begleitet.
- Unter den acht Teilnehmern setzte sich Nik Salsflausen aus dem schwäbischen Esslingen durch, der auch bei einer Best-of-Veranstaltung am 31. Januar in Freiburg auftreten wird.
- Die Spenden der kostenfreien Veranstaltung kommen den Mannheimer Young-Caritas-Projekten „Buddy gesucht!“ und „Onkel Fritz & Tante Inge“ zugute.
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