Ein Erlebnis kam mir jetzt wieder in den Sinn. Ich fahre eines Abends noch schnell in den Supermarkt, um ein paar Sachen zu besorgen, als auf dem Nachhauseweg mein Wagen nach ein paar Metern streikt. Außer dem Geldbeutel habe ich nichts dabei, die Jacke mit dem Handy in der Tasche hängt zu Hause. Und es regnet in Strömen. Bevor ich überhaupt einen Entschluss fasse, was zu tun ist, kommt ein junges Paar und fragt, ob es helfen kann. Sie haben ein Abschleppseil, nehmen mich in Schlepptau bis zur Werkstatt, wo wir fünf Minuten vor Geschäftsschluss ankommen. Für die beiden jungen Leute war es ganz selbstverständlich zu helfen.
Die beiden kamen mir in den Sinn als am Donnerstag der Deutsche Caritasverband seine Jahreskampagne 2020 vorgestellt hat: „Sei gut, Mensch!“ Mit dem – vor fünf Jahren zum Unwort erkorenen – Begriff „Gutmensch“ stellt die Caritas in diesem Jahr das Engagement von Menschen in den Mittelpunkt.
Bedrohungen akzeptieren?
Als Gutmenschen sollen endlich wieder diejenigen angesehen werden, die für Vielfalt und Zusammenhalt eintreten, die Menschlichkeit pflegen oder über Grenzen hinweg helfen. Menschen, die sich ehrenamtlich oder hauptberuflich für andere engagieren, dürfen nicht als dumm und naiv stigmatisiert werden, weil der gesellschaftliche Zusammenhalt, den sie durch ihr Tun stärken, anderen nicht in ihr politisches Kalkül passt. So das Anliegen der Kampagne.
Letztlich steht dahinter die Frage, in was für einem Land wir leben möchten. In einem Land, in dem es akzeptiert ist, dass Rettungskräfte in ihrer Arbeit behindert werden oder immer öfter sogar Bedrohungen ausgesetzt sind? In einem Land, in dem die Hetze auf der Straße und im Netz die Stimmung vergiftet? In einem Land, in dem es eine Frage ist, ob man Ertrinkenden helfen soll?
Kleine Taten im Mittelpunkt
„Sei gut, Mensch!“ Mit diesem Motto spielt der Caritasverband nicht nur auf die Diskussion um das Wort „Gutmensch“ selbst und dessen verheerende Rolle in der politischen Auseinandersetzung an, sondern auch auf ein biblisches Wort. Es steht beim Propheten Micha im Alten Testament: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.“
Dabei geht es nicht um das Gutsein als hohe moralische Leistung. Da geht es um das alltägliche Gutsein. Um die kleine gute Tat, das freundliche Wort, ein Lächeln. Gott sei Dank kenne ich viele, die in einem solchen Sinn gut sind. Und solche, die noch ein bisschen mehr tun. In unseren Gemeinden, aber auch in unserer Gesellschaft sind sie unverzichtbar. Gerade eben noch waren Tausende von Kindern als Sternsinger unterwegs, um anderen Gutes zu tun. Frauen und Männer, viel mehr Frauen als Männer, besuchen andere im Krankenhaus oder Seniorenheime, um Gutes zu tun und Freude zu schenken. Nach wie vor sind viele in der Flüchtlingshilfe engagiert, in Sportvereinen, bei Greenpeace oder Amnesty oder nehmen ehrenamtlich ein politisches Amt wahr.
Diese Menschen wieder wahrzunehmen als das, was sie sind, dazu lädt das Motto der Caritaskampagne ein: Sie sind gut und tun uns gut.
Peter Wegener, Katholisches Dekanat Heidelberg-Weinheim
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-sei-gut-mensch-_arid,1587922.html