Mannheim. Fallen am Rheindamm 1000 Bäume? Eine brennende Frage, die viele bewegt. Doch sie ist nicht so einfach mit ja oder nein zu beantworten. Ja, es werden wegen der anstehenden Sanierung des Rheindamms Bäume fallen – das wird nicht zu vermeiden sein. Richtig ist aber auch: Nein, im Jahr 2020 fallen diese Bäume (noch) nicht. Wann es soweit sein wird? Vermutlich in den Jahren um 2025. Und ob es tatsächlich 1000 Bäume, oder nur halb so viele, doppelt so viele oder noch mehr sein werden, kann ebenfalls niemand jetzt schon mit Sicherheit sagen.
Zum einen hängt die genaue Anzahl der Bäume davon ab, auf welche Weise der Rheindamm saniert und wie die Bauarbeiten dann im Detail ausgeführt werden. Dies entscheidet sich im Planfeststellungsverfahren, das im Laufe dieses Jahres beginnen und etwa zwei Jahre dauern wird.
Zum anderen kommt es darauf an, wie man „Baum“ definiert. Nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums (RP) in Karlsruhe müssten etwa 1000 „wertgebende Bäume“ mit mehr als 20 Zentimeter Durchmesser (ohne schnellwachsende Arten wie z.B. Pappeln) gerodet werden. Die Bürger-Interessgemeinschaft (BIG) Lindenhof, die sich gegen den drohenden Kahlschlag wehrt, spricht dagegen von „mehreren Tausend Bäumen“.
Zahlen vorerst nur Schätzungen
Klar ist: Es handelt sich bei diesen Zahlenangaben um mehr oder weniger genaue Schätzungen. Im Naturschutz und in der Forstwirtschaft wird üblicherweise die Waldfläche in Hektar bzw. Quadratmetern angegeben. Das Regierungspräsidium hat nach eigenen Angaben die Anzahl der Bäume auf zwei Probeflächen am Damm, jeweils unterteilt in drei Teilflächen, auszählen lassen, wie Sprecherin RP-Sprecherin Rosa Flaig erläutert: „Ergebnis dieser Zählung waren 140 wertgebende Bäume pro Hektar.“
Die Planungen des Regierungspräsidiumns sehen auf rund 3,7 Kilometern Dammlänge zwischen Großkraftwerk und Weinbietstraße eine baumfreie Zone zu beiden Seiten des Dammes vor, die insgesamt zwischen 30 und 50 Metern breit ist. Daraus ergibt sich eine Fläche von etwa sieben Hektar Wald, auf der die Bäume gerodet, also mit Wurzelwerk entfernt werden sollen – so kommt die Schätzung 980 bzw. „etwa 1000 Bäume“ zustande.
Auf etwa zwei Hektar könnten nach der Sanierung wieder Büsche und kleinere Bäume am Damm angepflanzt werden. Die fünf Hektar, die dauerhaft gerodet werden, sollen als Ausgleichsmaßnahme bei Sandhofen neu angepflanzt werden.
Ein Gutachter, den die BIG beauftragt hat, geht davon aus, dass mehr als 80 Prozent der Bäume stehen bleiben könnten, wenn eine durchgehende Spundwand in der Mitte des Deichs gesetzt würde. Ob dies so möglich ist oder nicht, auch darüber muss voraussichtlich in dem Planfeststellungsverfahren entschieden werden. Das formelle Verfahren führt die Stadt Mannheim in ihrer Rolle als Genehmigungsbehörde aus. Dazu reicht das RP seine Unterlagen zur Dammsanierung bei der Stadt ein. Danach haben die „Träger öffentlicher Belange“, das sind Behörden und Verbände, die Möglichkeit der Stellungnahme. Anschließend werden die vollständigen Planungsunterlagen öffentlich ausgelegt. Innerhalb einer Vier-Wochen-Frist kann jeder die Pläne einsehen und seine Einwände und Anregungen vorbringen, die dann in einem öffentlichen Erörterungstermin behandelt werden.
Die Genehmigungsbehörde – also die Stadt Mannheim – wägt diese Einwendungen ab, vergleicht verschiedene Varianten und erarbeitet einen Planfeststellungsbeschluss. Dieser enthält dann alle für die Dammsanierung notwendigen Teil- und Einzelgenehmigungen. Dieses Vorgehen dauert etwa zwei Jahre. Baubeginn wird deshalb frühestens 2022 sein. Nach den Planungen des RP wird die Sanierung danach abschnittsweise über einen Zeitraum von gut vier Jahren – also bis etwa 2026 – ausgeführt.
Ob alles tatsächlich so kommt? Auch auf diese Frage gibt es noch keine endgültige Antwort. Erfreulicherweise wollen sich überwältigend viele Menschen nicht einfach so mit einem massiven Kahlschlag am Rheindamm abfinden. Eine Online-Petition der BIG Lindenhof, bei der sich rund 30 000 Unterzeichner für den Erhalt der Bäume ausgesprochen haben, wurde an Oberbürgermeister Peter Kurz gerichtet. Beim baden-württembergischen Landtag in Stuttgart liegt zudem seit einigen Monaten eine Petition (Aktenzeichen16/03661) vor, mit der ein Bürger aus dem Niederfeld ein Verbot der Durchführung der Rheindammsanierung erreichen möchte.
Je nach Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens sind zudem juristische Auseinandersetzungen um die Dammsanierung – die schätzungsweise 15,5 Millionen Euro kosten soll – zu erwarten. Ob die 1000 Bäume am Ende dann doch stehen bleiben könnten? Mit Ja oder nein kann man diese Frage aus heutiger Sicht wohl nicht beantworten.
Informationen online:
Webseite der Bürger-Interessengemeinschaft (BIG) Lindenhof: www.big-lindenhof.de
Info-Seiten im Beteiligungsportal des Regierungspräsidiums: www.bit.ly/2IoSzkT
Internetpräsenz der Stadt Mannheim zum Thema Rheindamm: www.bit.ly/2x2Nyq6
In seiner Analyse verbindet Thorsten Langscheid Fakten und seine persönliche Meinung zur anstehenden Dammsanierung.
Serie: 20 Fragen an 2020
- In der Serie 20 Fragen an 2020 analysieren die Redakteure dieser Zeitung die Fragen, die auf der Titelseite der Silvesterausgabe gestellt wurden.
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