Ein fast lebensgroßer Dinosaurier, ein paar Tüten Konfetti, übrig gebliebene Aufkleber und Deutschlandfahnen von der Fußball-Europameisterschaft 2016, fast vergilbte Postkarten von der SAP Arena, ein Tisch voller blauer Stiefelspanner, eine fast knielange Feinripp-Unterhose, die letzten Knöpfe und Reißverschlüsse, Kalender von letztem Jahr, ein falsches Lebkuchenherz zu Dekorationszwecken mit der Inschrift „Galeria Kaufhof“: Eigentlich wären all diese Reliquien aus vergangenen Zeiten ein perfektes Sammelsurium für den Krempelmarkt.
Sie stehen, hängen und liegen zusammen mit ein paar wenigen anderen Artikeln aber in der fast leeren Galeria Kaufhof Filiale in N 7. Es sind die letzten Artikel, die noch verkauft werden vor der Schließung und sie symbolisieren den Abschied einer uralten Mannheimer Firmentradition, die bis in 19. Jahrhundert zurückreicht: Mit der Schließung der Galeria Kaufhof Filiale in N 7 am Donnerstag geht ein Stück Mannheimer Geschichte zu Ende. 75 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze.
Regale weitgehend leer
„Nur noch 1 Tage“ steht grammatikalisch falsch an der Tür. Ob es wirklich der letzte geöffnete Tag ist, das weiß keiner so genau. „Heute ist der letzte Tag, definitiv“, sagt ein Mitarbeiter recht überzeugt, „ich brauch morgen nicht mehr zu kommen.“ Bis 20 Uhr ist er am Donnerstag noch eingeplant, dann schließt die Filiale, dann verlässt er den Laden zum letzten Mal.
Andere Mitarbeiter, die ebenfalls nicht offiziell mit der Zeitung sprechen dürfen, sind für den Freitag dagegen eingeplant: „Wir machen morgen früh auf, ich habe Dienst“, sagt eine Verkäuferin. Auf die Frage, was sie am Freitag noch verkaufen soll in Anbetracht der weitgehend leeren Regale, weiß sie keine Antwort: „Die Kunden werden schon kommen.“
Es klingt fast so wie immer, nur dass schon lange kaum noch Kunden kommen. Angebot und Nachfrage, der Motor der Marktwirtschaft, er war auch am letzten Tag der Filiale so präsent wie nie zuvor: Er sorgt einerseits dafür, dass die Filiale schließen muss, auf der anderen Seite bestimmt er die Preise: Im Schlussverkauf in N 7 kostete die Tüte Konfetti am Morgen des letzten Tages noch 20 Cent – am Abend hingegen haben die Preise trotz umfangreichen Angebots von dutzenden Tüten Konfetti offensichtlich wieder angezogen, da war dieselbe Tüte Konfetti mit 30 Cent ausgezeichnet.
Am Donnerstagmorgen wurde noch eifrig gekauft, es bildeten sich wieder lange Schlange vor den Kassen. Es sah fast so aus, als wollten viele Menschen dem Ein-Euro-Laden schräg gegenüber in der Kunststraße noch Konkurrenz machen. Eine Frau zählt ihr Kleingeld nach, ob es vielleicht reicht für ein reduziertes Heftchen. „Ich war früher oft hier einkaufen“, sagt sie, seit Jahren kann sie es sich schon nicht mehr leisten: „Es war immer schön hier im Horten.“
Juanita Wiegand-Czepa leidet mit den Mannheimer Beschäftigten: „In Fulda haben wir auch eine Filiale, die jetzt schließt“, erzählt sie. Sie war zuerst im Museum, so die Besucherin aus der Nähe von Fulda, „dann musste ich mich beeilen, ich gehe gerne auf Schnäppchenjagd.“ Aber sie kam mit leeren Händen aus der Filiale in N 7: „Da ist ja nichts mehr da.“ Ähnlich erging es einer jungen Dame, die noch auf der Suche nach günstigen Schreibwaren war, auch sie kam mit leeren Händen aus der Filiale.
Schulhefte und Bastelpapier
Eine ältere Dame hatte mehr Glück, einen langen Einkaufszettel hält sie in der Hand, sie hat Schulhefte und Bastelpapiere gekauft. Sie wollte es eigentlich nicht, wie sie im Gespräch erklärt, sie fuhr nur vorbei und hat gesehen, dass es hier Rabatte gibt. Auch
Francis Boxim ging „spontan rein“, aber mit leeren Händen wieder raus, wie er am Ausgang berichtet: „Es war mein Lieblings-Kaufhof, ich war früher gern und oft hier, ich habe schöne Einkäufe hier gemacht. Aber was jetzt noch da ist, ist nur noch Ramsch.“ Er blickt wortwörtlich zurück und schaut sich nochmals die Filiale an: „Es ist bedauerlich, es ist ein großer Verlust, es ist schade.“
Kaufhof in Mannheim
- Die Filiale in der Mannheimer Kunststraße/N 7 hatte am Donnerstag ihren letzten verkaufsoffenen Tag.
- Erhalten bleibt der Mannheimer Standort in P 1.
- Dort war vor dem Zweiten Weltkrieg der Jugendstilbau vom Kaufhaus Schmoller.
- 1952/53 wurde das neue „Anker“-Kaufhaus eröffnet, 1958/59 und 1997 aufgestockt. Seit 1968 firmiert es als Kaufhof.
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