Bildung

Rückkehr zu G9 in Mannheim kann dauern

Das neunjährige Gymnasium kommt wieder. Die Frage ist nur: Wann? Mannheimer Gymnasialdirektoren halten einen Start in diesem Herbst für umsetzbar - aber unwahrscheinlich. Worin die Gründe liegen

Von 
Bertram Bähr
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Für einen G9-Volksantrag hätte es rund 39 000 Unterschriften von Wahlberechtigten gebraucht. Am Ende jubelten die Organisatoren über 106 950 Unterstützer. © dpa

Es ist nächste – kleine – Schritt hin zur Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G9): Am Mittwoch stimmte der Landtag in Stuttgart einstimmig und ohne Aussprache für die Zulassung eines Volksantrags der Elterninitiative „G9 jetzt!“. Schwer zu sagen ist aber, wann der große, entscheidende Schritt folgt. Dazu Fragen und Antworten.

In welchem Zusammenhang steht die Diskussion um G9?

Vor rund 20 Jahren hat Baden-Württemberg – wie etliche andere Bundesländer – flächendeckend das achtjährige Gymnasium (G8) eingeführt und das neunjährige (G9) beendet. 2012 startete dann ein G9-Modellversuch mit landesweit 44 Gymnasien. Der läuft nach wie vor, während fast alle anderen westlichen Länder komplett zum neunjährigen Weg zurückgekehrt sind.

Ist Mannheim an dem Modellversuch beteiligt?

Es war beteiligt, mit dem Karl-Friedrich-Gymnasium (KFG). Aber das stieg auf eigenen Wunsch vor ein paar Jahren wieder aus und bietet seitdem nur noch G8 an. Das Kultusministerium lehnte es damals ab, dass ein anderes Mannheimer Gymnasium die Lücke füllt.

Wie kam es zu dem Volksantrag der Initiative „G9 Jetzt!“?

Die Elterninitiative um die Heidelbergerin Anja Plesch-Krubner und Corinna Fellner aus Amtzell im Allgäu ist seit 2017 aktiv. Sie startete zunächst eine Petition zu G9. Nachdem zwei Landesregierungen sich beharrlich weigerten, in die Diskussion um eine Wiedereinführung einzusteigen, starteten die Eltern im November 2022 einen Volksantrag, hinterlegt mit einem detaillierten Gesetzentwurf.

Hatten sie mit dem Volksantrag mehr Erfolg als mit der Petition?

Das kann man wohl sagen. Die Eltern hätten rund 39 000 Unterschriften von Wahlberechtigten gebraucht. Am Ende waren es 106 950. Parallel sprach sich ein von der Landesregierung eingesetztes Bürgerforum nahezu einstimmig für ein „neues G9“ als Regelfall aus. Beides brachte eine hohe Dynamik in die lange festgefahrene Diskussion.

Wie verliefen die politischen Fronten zuvor?

Die Koalitionspartner in der Landesregierung hielten an G8 lange Zeit fest – wobei die Grünen stärker hinter dem achtjährigen Gymnasium stehen als die CDU. Insbesondere Ministerpräsident Winfried Kretschmann machte seine Ablehnung von G9 immer wieder sehr deutlich. SPD und FDP forderten und fordern G9.

Hat sich die Diskussionslage jetzt verschoben?

Ja, deutlich. Kretschmann betont inzwischen, er sei offen für G9, eine Umstellung werde aber viel Zeit in Anspruch nehmen. CDU-Chef Manuel Hagel spricht von einem „ganzheitlichen Update“ des gesamten Schulsystems inklusive G9.

Die CDU in Mannheim trommelt inzwischen laut für G9. Wieso?

Fraktionschef Claudius Kranz betont, vor Ort sei das „keine Kehrtwende“. Er habe seine Kritik an G8 schon immer deutlich geäußert, zum Beispiel als Landtagskandidat 2011. G8 lasse den Schülern „kaum noch Luft“ für anderes, das sieht seiner Einschätzung nach die Gemeinderatsfraktion genauso. Aber auch in der Landes-CDU, so Kranz, gebe es „schon länger eine Absetzbewegung“ von G8.

Wie könnte sich die SPD die Umsetzung von G9 vorstellen?

Landtagsfraktionschef Andreas Stoch fordert eine Wiedereinführung „spätestens“ 2025. Sein Fraktionskollege, der Mannheimer Abgeordnete Stefan Fulst-Blei, hält einen Start schon in diesem Herbst für machbar. Schließlich gebe es aktuelle Bildungspläne der Modellgymnasien. Länger zu warten, werde der Elterninitiative und vor allem den betroffenen Kindern nicht gerecht. Derzeit besucht Fulst-Blei mehrere G9-Modellschulen. Sie berichten ihm, die Umstellung 2012 sei schnell und problemlos möglich gewesen.

Was sagen Gymnasialdirektoren zu einem Start im September?

Roland Haaß, Johanna-Geissmar-Chef und Geschäftsführer der Mannheimer Gymnasien, hält das für problemlos machbar: „Es gibt die Konzepte, und es gibt Schulen, die das anbieten.“ Sein Kollege Stefan Weirether (Ludwig-Frank-Gymnasium) stimmt ihm da zu. Beide halten eine Rückkehr zu G9 noch in diesem Jahr aber für unwahrscheinlich.

Wie beurteilt die Elterninitiative die Situation?

Sie möchte natürlich „eine schnelle Lösung“, wie Anja Plesch-Krubner betont. Eine Rückkehr zu G9 in diesem Jahr hält sie für „machbar. Aber uns läuft die Zeit davon“. Was machen die Eltern, wenn der Landtag ihren Gesetzentwurf ändert? Das hänge von den Details ab, sagt Plesch-Krubner. Formal steht den Eltern in diesem Fall der Weg zu einem Volksbegehren offen.

Welche Einschätzung hat Kultusministerin Theresa Schopper?

„Wir werden sicher nicht zum nächsten Schuljahr starten“, sagte sie im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. Für sie gelte „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Es jetzt einfach so wie die G9-Modellgymnasien zu machen, sei „keine Konzeption“. Dauert es dann vielleicht noch Jahre bis zu einer flächendeckenden Einführung von G9? Dazu Schopper: „Das muss nicht sein.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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