Mannheim. Die Spannung steigt, am Sonntag wird das erste Türchen am Mannheimer Adventskalender geöffnet. Dahinter wartet immer seltener Schokolade. Kosmetik, Werkzeug, Spielwaren, Hochprozentiges und besondere Lebensmittel in aufwendigen Aufmachungen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
Die Auswahl hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen, die Preise sind zum Teil saftig. Manche exklusiven Stücke, die die Wartezeit aufs Fest verschönern sollen, kosten mehrere hundert Euro. Die Idee einer besinnlichen Vorweihnachtszeit spielt dabei eine immer kleinere Rolle. Was denken die Mannheimerinnen und Mannheimer darüber?
Mannheimer Adventskalender: Knabbertaschen und Schmusekissen für Vierbeiner
In der dm-Filiale in P2 stapeln sich die Adventskalender je nach Thema. Keine Zielgruppe soll anscheinend ausgelassen werden. So ist der „Bartventskalender“ gefüllt mit Bart- und Körperpflegeartikeln speziell für den Mann. Auch für Hund und Katz’ gibt es eigene Exemplare. Hier warten hinter den Türchen Leckerli, Knabbertaschen oder Schmusekissen auf die Vierbeiner.
Die Kalender mit Süßigkeiten-Inhalt sind schon seit Tagen ausverkauft. Großer Beliebtheit erfreut sich auch die Variante, die mit dm-Eigenmarkenartikeln gefüllt ist, wie Filialleiterin Christina Salamone-Schmitt berichtet. Wieso der Verkauf von solchen Adventskalendern in den vergangenen Jahren zugelegt hat? „Es ist einfacher zum Verschenken als selbst 24 kleine Sachen zu kaufen und zu verpacken“, glaubt Salamone-Schmitt.
Einigen Kunden in Mannheim sind Adventskalender zu teuer
Ein paar Meter weiter in der Müller-Filiale bietet sich ein ähnliches Bild. Im Untergeschoss bei den Spielwaren sehen die Regale schon ziemlich leer aus. „Viermal in der Woche wird aufgefüllt“, sagt ein Verkäufer. Besonders die zahlreichen Versionen von Lego fallen ins Auge. „Für jeden Film, der gut läuft, gibt’s einen Kalender“, verrät der Verkäufer mit einem Augenzwinkern.
Im Erdgeschoss begutachten zwei Studentinnen gerade den Kalender „Merry Skin-Mas“ mit „24 perfekt aufeinander abgestimmten Wirkstoff-Konzentraten“, die die Haut bis zum Weihnachtsfest verschönern sollen. „Viel zu teuer“, finden die beiden 23-Jährigen, die ihren Namen nicht nennen möchten. „Und oft ist dann etwas drin, das man gar nicht will oder das man nicht verträgt“, ergänzt eine der beiden. Ihre Mutter fülle immer einen Adventskalender mit Kleinigkeiten, und am Abend sitze die Familie zusammen und würfele, wer heute das Türchen öffnen dürfe. „Das macht dann Freude auf Weihnachten und nicht ein materieller Inhalt“, so die junge Frau.
Auch beim Marktkauf Scheck-in Center in Wohlgelegen boomt das Adventskalender-Geschäft. Knapp 100 Varianten habe man bei den Süßwaren im Angebot, dazu noch einmal etwa 40 bis 50 im Non Food-Bereich, berichtet Marktleiter Peter Splettstößer. Ob klassisch mit Schokolade gefüllt, Bierkalender oder „24 Wintergewürze mit Rezeptidee“ - alles werde gekauft, so Splettstößer. Bei den Kalendern mit Lindt-Schokolade stöbert gerade Sven Burger. „Ich finde die Auswahl riesig und die Preise exorbitant“, sagt er und fügt hinzu: „Aber das ist halt unsere Konsumgesellschaft.“
Nachdem er Preise und Gewichtsangaben der verschiedenen Versionen verglichen hat, entscheidet er sich für einen Lindt-Kalender, der 9,99 Euro kostet. Das Besondere daran: Hinter zwei Türchen verbergen sich Edeka-Einkaufsgutscheine im Wert von mindestens von fünf Euro - mit ein bisschen Glück sogar bis zu 250 Euro. „Einer unserer Bestseller-Kalender“, weiß Marktleiter Splettstößer.
Kalender mit Bezug zu Mannheim: „Innere Verbindung und Inhalt sind das Entscheidende“
Auch Kalender mit Bezug zu Mannheim haben ihre Fans. So wünschen die Adler ein „Frohes Feschd“ und haben 24 Schokotaler hinter den Türchen versteckt. Auch die Buwe vom SV Waldhof haben ihren eigenen Kalender - der zumindest online aber schon ausverkauft ist. „25 Glücksmomente bestehend aus Ketten, Ohrringen, größenverstellbaren Ringen und vielem mehr“, verspricht das Mannheimer Unternehmen Purelei mit seinem Schmuck-Kalender, für den man etwas tiefer in die Tasche greifen muss. 189,90 Euro kostet das Stück.
Dass der Adventskalender eine „geniale Erfindung“ des Theologen Johann Hinrich Wichern vor 185 Jahren gewesen sei, daran erinnert der evangelische Dekan Ralph Hartmann. „Sein Adventskranz hatte 24 Kerzen, eine Visualisierung der Vorfreude. Wichern wollte die Vorfreude auf die Geburt Jesu, auf das ’Licht der Welt’ im Alltag verankern. Das ist der Sinn des Adventskalenders bis heute geblieben, wenn auch etwas sparsamer mit nur vier Kerzen für die Adventssonntage“, so Hartmann.
Dass für Adventskalender heute teilweise auch richtig viel Geld ausgegeben werde, nehme er auch wahr. „Wie Mitmenschen zu ihrem Adventskalender kommen, spielt für mich erst mal keine Rolle. Das ist eine persönliche und ästhetische Frage. Für mich sind die innere Verbindung, Inhalt und Bedeutung unserer Feste das Entscheidende. Eine bloße Form ohne Inhalt ist eben einfach ’leer’. Das entscheidet sich aber nicht daran, wie viel Geld ich für meinen Adventskranz ausgebe“, erklärt der Dekan.
Einen Adventskranz, aber keinen Adventskalender hat der katholische Stadtdekan Karl Jung. „Weil der Advent für mich mehr ist: Es ist die Zeit des Wartens, Hoffens und Vorfreuens. Eine Lichtspur, die durch dunkle Tage führt - so wie bei den lebendigen Adventskalendern, die in vielen Stadtteilen erstrahlen. Tür für Tür, Fenster für Fenster, kommen Menschen zusammen, teilen Geschichten, Lieder und Freude. Bis wir schließlich am 24. Dezember feiern: Gott wird Mensch - das größte Licht. Das macht den Advent für mich so besonders“, so Dekan Karl Jung.
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