Mannheim. „Der Begriff ,Pride’ drückt aus, stolz auf sich zu sein, sich zu bekennen und nicht verstecken zu müssen.“ Das erläuterte jetzt Oberbürgermeister Peter Kurz im Stadtarchiv Marchivum beim 7. Regenbogenempfang. Im Rahmen des „Pride“-Monats Juni wollte sich die Stadt Mannheim dabei bei allen Menschen bedanken, die sich für ein respektvolles Zusammenleben in Vielfalt und die Chancengleichheit von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen, queeren und nicht-binären Menschen in der Stadt engagieren.
Laut Kurz sei die Verlegung des Empfangs auf diesen Monat auch eine Reaktion auf polnische und ungarische Gemeinden, die sich als „LSBTQI+“-frei“ erklären - das Kürzel steht für verschiedene sexuelle Orientierungen, die nicht den „heterosexuellen Normen“ entsprechen. In Mannheim würden, so Kurz, in diesem Monat am Rathaus die Regenbogenfahnen der Bewegung gehisst, darauf habe es „positive und nicht so positive Reaktionen“ gegeben. Er verwies auf das 2019 vom Gemeinderat beschlossene Leitbild „Mannheim 2030“ der Stadt, demnach sollen unter anderem die Geschlechter gleichgestellt und „die Vielfalt menschlicher Identitäten und Lebensentwürfe anerkannt werden“.
Stadt beim Christopher Street Day dabei
Im Hinblick auf den Christopher Street Day, bei dem es am Samstag, 13. August, in der Stadt eine Parade geben soll, sagte der OB: „In vielen Teilen der Welt sind solche Paraden verboten.“ Doch die Stadt unterstütze sie, und die Verwaltung werde mit einer eigenen Gruppe dabei sein.
Kurz ehrte den Männerchor Rosa Kehlchen, der 1992 gegründet wurde - allerdings in Heidelberg. Für die darauf bezogene Bemerkung - „das sehen wir nach, wir sind offen in alle Richtungen“ - erntete Kurz Gelächter. Heute hat der Verein im Kulturhaus Käfertal seine Heimat. Der Chor greife mit seinem Programm Themen auf und präge ein Klima der Offenheit. Wolfgang Lavorenz vom Vereinsvorstand betonte, dass das Bühnenprogramm nicht nur amüsieren soll, sondern auch Botschaften enthalte, was beim Song „Ein Lied soll eine Brücke sein“ der zwölf Männer plus Pianisten gleich bewiesen wurde. Dass die Rechte von Lesben und schwulen auch in diesem Jahrtausend nicht selbstverständlich sind, belegt ein Rechtsstreit aus dem Jahr 2000: Die Rosa Kehlchen und andere homosexuelle Chöre erstritten sich die Mitgliedschaft im Badischen Sängerbund, der bis dahin diese immer abgelehnt hatte.
Laut Stadtarchivar Nieß gibt es ab dem 19. Jahrhundert viele Zeugnisse queeren Lebens in Mannheim
Viele Zeugnisse ab dem 19. Jahrhundert
Ulrich Nieß, Leiter des Stadtarchivs, warb vor den 100 Gästen des Regenbogenempfangs dafür, dass „die Community uns Film und Archivmaterial anvertraut“. Laut Andreas Schenk vom Archiv habe man schon viele Jahre vorgehabt, das Thema zu erforschen. Dann seien drei Autoren auf die Institution zugekommen, Ergebnis der Zusammenarbeit ist ein im Oktober erscheinendes Buch mit dem Titel „Queer im Leben! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region“. Es gebe ab dem 19. Jahrhundert viele Zeugnisse queeren Lebens in der Region, was aber oft mit Verfolgung zu tun habe: So seien Polizeiakten des Kaiserreichs ausgewertet worden, und während des Nationalsozialismus seien viele „queere“ Menschen im Konzentrationslager gelandet. Zum Buch soll es auch einen Film geben mit Zeitzeugengesprächen.
Christian Könne, einer der Autoren, betont, dass man die „queere“ Geschichte darstellen will, nicht die schwul-lesbische: „Mich hat verblüfft, wie viel wir gefunden haben.“ Überraschend sei beispielsweise gewesen, dass Pioniere der Bewegung nicht etwa in den Großstädten, sondern in Landau lebten. Diese Menschen seien auch mit Hilfe der Medizin verfolgt worden: Zwangssterilisierung und -kastrierung sowie Einweisung in die Psychiatrie. Ko-Autor Wolfgang Knapp sagte, dass das 300 Seiten starke Werk sich an alle Menschen richte, deshalb werden auch Begriffe erklärt. Dana-Livia Cohen hofft, dass das Buch „zur Aufklärung der Menschen und zu einem toleranten Miteinander“ beiträgt.
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