Soziales - Psychisch Erkrankte lernen und arbeiten im Friseursalon „V.I.U.S.“ / Günstigere Preise für Kunden mit kleinerem Budget

Psychisch Erkrankte lernen und arbeiten im Friseursalon

Von 
Sophia Gehr
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Das Team von „V.I.U.S“ übt an Puppenköpfen: v.l. Mitarbeiterin Ljiljana Petrovic, Friseurmeister Onur Ayaksiz und Initiatorin Gesine Sopha. © Gehr

Mannheim. Eine große Tafel hängt im Besprechungsraum des „V.I.U.S.“, gleich hinter dem eigentlichen Salon in der Neckarstadt-West. Wie auf einem Stundenplan ist zu lesen, was zu den Öffnungszeiten am Dienstag und Donnerstag für die sechs Mitarbeiter, Friseurgesellin Gesine Sopha und Friseurmeister Onur Ayaksiz ansteht. Hinter einigen Namen der Mitarbeiter befinden sich Haken. Sie stehen für das, was das Team schon kann: Färben, Schneiden, Maniküre. Wenn ein Haken fehlt, wird montags und freitags geübt. Mannheims erster inklusiver Friseursalon, ein Pilotprojekt der Arbeitstherapeutischen Werkstätte Mannheim (ATW), ist schon vor seiner Eröffnungsfeier am Samstag, 15. Februar, im Arbeitsalltag angekommen.

Der Friseursalon in der Ackerstraße 29 stand zuvor eineinhalb Jahre leer. Am 25. April vergangenen Jahres fing Sopha, Arbeitserzieherin in der ATW, an, ihre Idee in die Tat umzusetzen: „Der andere Friseur im Viertel – V.I.U.S“. „Der Name kommt von unserem Slogan in der ATW und bedeutet: Vielfalt ist unsere Stärke“, erzählt Sopha. Sie ist gelernte Friseurin, hatte jedoch nie in einem Salon gearbeitet. Unter den Teilnehmern in der Mannheimer ATW habe ihr früherer Berufswunsch jedoch immer für Begeisterung gesorgt.

„Die ATW ist eine Werkstatt speziell für psychisch erkrankte Menschen ab 18 bis etwa 55 Jahre. Unsere Teilnehmer können dabei von Depression, Schizophrenie oder Burnout betroffen sein“, erklärt Gertrud Bedersdorfer, Jobcoach in der ATW. Arbeitsbereiche wie Montage, Grundstück- und Gartenpflege, Lager und Logistik sollen den Teilnehmern in der Werkstatt ein geschütztes Arbeitsumfeld bieten. „Ein Friseursalon ist da was ganz Neues“, sagt Bedersdorfer.

Für dieses neue Vorhaben zog Sopha drei Monate lang nach Forchheim und absolvierte eine Intensivschulung der Meininghaus Akademie der Friseure. Dort sei ihr auch der Kontakt zu Friseurmeister Ayaksiz vermittelt worden. „Onur hat bereits zwei Salons in Sandhofen und Schwetzingen. Dort hat er jetzt extra einen weiteren Meister eingestellt, damit er dienstags und donnerstags bei uns sein kann“, erzählt Sopha. Ohne Friseurmeister hätte die Gesellin und Arbeitserzieherin keinen Salon eröffnen dürfen.

„V.I.U.S.“ schafft neben der Inklusion von Menschen mit psychischen Erkrankungen jedoch noch ein weiteres wichtiges Zugehörigkeitsgefühl – nämlich für die Anwohner der Neckarstadt-West. „Wir haben bewusst ein sogenanntes Brennpunktviertel für unseren Standort gewählt, um auch für die Leute hier etwas Besonderes bieten zu können“, sagt Sopha.

Deutschlandweites Pilotprojekt

Der Normaltarif im Salon sei angepasst an die soziale Lage im Mannheimer Stadtteil. Außerdem gebe es einen Sozialpreis für Menschen mit kleinerem Budget. So kostet Haare zu färben beispielsweise bei Vorlage eines Sozialpasses oder Tafelausweises statt 27 nur 15 Euro. Mit dem Inklusions-Gedanken in zwei Richtungen schuf Sopha ein Konzept, das es so bisher deutschlandweit noch nicht gebe.

Die Teamfindungsphase sei dann jedoch nicht ganz so einfach gewesen, erzählt Sopha. „In der Werkstatt ist alles sehr strukturiert. Das heißt, die Teilnehmer mussten ihre Komfortzone verlassen und sich hier im Salon auf ganz viel Neues einlassen. Das macht einem natürlich erstmal Angst.“ Es habe ein dreiviertel Jahr gedauert, bis das Team nach etlichen Schnupperstunden und Hospitanzen endgültig feststand.

Einer davon ist Dominik Knochel. „Er ist unsere männliche gute Fee“, sagt Sopha. Der gelernte Erzieher und Industriekaufmann arbeitet am Empfang. Er bedient, koordiniert die Termine, übernimmt das Kassieren. „Mir ging es lange Zeit seelisch nicht so gut, jetzt bin ich aber hoch motiviert und total begeistert von dem Projekt. Durch die Sozialpreise gehen die Kunden und wir mit einem Lächeln nach Hause“, sagt Knochel. „Bei uns werden alle gleich bedient.“

Ayaksiz ist vor allem stolz auf sein Team. „Das ging alles sehr schnell, und das Selbstvertrauen wächst. Ich versuche, so viel wie möglich zu zeigen, und Gesine sagt mir dann, wer von unserem Team wie belastbar ist“, erzählt Ayaksiz, dessen Mutter die erste türkische Friseurmeisterin in Mannheim war.

Eröffnungsfeier am Samstag, 15. Februar, 15 bis 18 Uhr

  • Der inklusive Friseursalon „V.I.U.S.“ hat dienstags und donnerstags jeweils von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 19 Uhr geöffnet.
  • Wer beim Friseurbesuch den Normaltarif bezahlt, unterstützt damit das Pilotprojekt der ATW Mannheim. Ansonsten gilt bei Vorlage eines Sozial- oder Tafelpasses der Sozialpreis.
  • Wer möchte, kann einen Termin auch speziell bei Friseurmeister Ayaksiz vereinbaren.
  • Am Samstag, 15. Februar, feiert der Salon von 15 bis 18 Uhr seine Eröffnung in der Ackerstraße 29 in Mannheim
  • Mit einer Tombola werden am Samstag Spenden für einen Barber-Stuhl gesammelt – denn „Friseurmeister Onur macht auch tolle Bärte“, sagt Initiatorin Sopha. 

Redaktion Online-Redakteurin, zudem zuständig für redaktionelle Videos

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