Landgericht - Actay G. soll im Sommer 2021 versucht haben, einen Mann mit mehreren Stichen zu töten / Überwachungskameras haben den Beginn der Auseinandersetzung aufgezeichnet

Prozessbeginn in Mannheim: Messerattacke als Rache für Prügelei?

Von 
Roland Schmellenkamp
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Nach den Messerstichen läuft der Prozess gegen einen 44-Jährigen vor dem Landgericht Mannheim. © Angela Boll

Mannheim. Für das Opfer kamen die Messerstiche völlig unerwartet: Deshalb leistete der Mann beim ersten Stich in den Brustkorb keine Gegenwehr, danach hob er die Hände, aber Actay G. stach weitere Male auf ihn ein. Das Opfer überlebte schwer verletzt, der Täter muss sich seit Donnerstag vor dem Landgericht wegen versuchten Mordes verantworten.

Aufnahmen der Überwachungskamera des Cafés in H 3, 11 zeigt die Szene vor der Tat am 14. Juli: G. sitzt gegen 20.30 Uhr an einem Tisch und spielt mit anderen Personen Karten. Dann steht er auf und geht zu einem Nachbartisch, wo das spätere Opfer ebenfalls Karten spielt. Freundschaftlich sieht es aus, als G. dem Mann seinen Arm auf die Schulter legt und darum bittet, kurz vor die Tür zu kommen - er habe etwas zu besprechen. Die beiden gehen hinaus, für die folgende Szene gibt es keine Kamera-Aufzeichnungen mehr: Das spätere Opfer, das den Angeklagten gekannt haben soll, sei ihm arglos nach draußen gefolgt. Dort soll der Angeklagte den Nebenkläger zunächst gefragt haben, ob der ihn nicht erkenne, was dieser - auch nach wiederholter Nachfrage durch den Angeklagten - verneint habe. „Jetzt wirst du mich kennenlernen!“, habe Actay G. dann laut Anklage gesagt.

Für das Opfer unvermittelt soll er es am Kragen gepackt, sein Messer gezogen und ihm einen Stich in den Brustkorb versetzt haben - die Anklage geht von Tötungsvorsatz aus. Die Folge der weiteren Stiche waren Verletzungen vom Hals bis zur Hüfte. Der erste Stich in den Brustkorb war mit solch einer Kraft ausgeübt worden, dass eine Rippe brach. Obwohl der heutige Nebenkläger um Hilfe gerufen und eine Person herbeigeeilt war, soll der Angeklagte weiterhin auf sein blutendes Opfer eingestochen haben. Erst als weitere Personen eingegriffen haben, habe er das Messer fallengelassen und sei geflüchtet.

Seit 2007 in Deutschland

Was für einen gezielten Plan statt einer spontanen Tat spricht, ist, dass der 44-Jährige zu seiner nahe gelegenen Arbeitsstelle, einer Bäckerei gegangen sei, sich dort ein Messer genommen habe und anschließend in das Café zurückgekehrt sei. Die Anklage geht davon aus, dass G. zu diesem Zeitpunkt sein Opfer für einen Angreifer einer einige Zeit zurückliegenden Prügelei angesehen habe und sich rächen wollte.

Zwei Polizisten und eine Polizistin einer nur wenige Schritte entfernten Dienstelle trafen kurz nach der Tat dort ein. Sie fanden dort, das sagten sie aus, das Tatmesser mit gelbem Griff auf dem Gehweg, daneben Blut. Das Opfer zusammengesunken an der Hauswand. Schnell wurden der flüchtende Täter und ein weiterer Mann gefasst. Dabei gingen sie am Tatort vorbei. G. habe dabei sein Opfer auf türkisch beleidigt. Der zweite verhaftete Mann, so stellte sich schnell heraus, hatte wohl mit der Tat nichts zu tun.

Als Bäcker arbeitete Actay G., so schilderte der türkische Staatsangehörige dem Gericht, seit seiner Schulzeit in Istanbul: Nach der fünften Klasse half er in einer Bäckerei. Er stammt aus einfachen Verhältnissen: Mutter Hausfrau, Vater Verkäufer, neun Geschwister. 2007 kam G. nach Deutschland, übersetzt seine Dolmetscherin. Ungefähr vor drei Jahren zog seine Familie nach. G. hat vier Kinder, der 19-jährige Sohn verfolgte zusammen mit seiner Mutter den Prozess im Zuschauerraum.

Verteidiger schlägt Ausgleich vor

G. hat nach eigenen Angaben ungefähr zwei Mal die Woche viel Alkohol getrunken, „bis zu 13 Gläser Raki, Whiskey und Wein“. Nach der Tat wurde ein Bluttest durchgeführt, der rund 0,8 Promille ergab. Die Polizisten schilderten allerdings, dass G. bei der Festnahme keine Ausfallerscheinungen gehabt habe. Beides deutet darauf hin, dass er nur angetrunken war.

Verteidiger Thomas Dominkovic kündigte an: „Wir werden beantragen einen Täter-Opfer-Ausgleich durchzuführen.“ Das bedeutet: Das Opfer erhält vom Täter eine finanzielle Entschädigung. Allerdings muss das Opfer mit der Regelung einverstanden sein und der Täter gestehen. Dadurch könnte es für den Angeklagten eine Strafminderung geben.

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