Mannheim. Gegen die bis 2035 geplante Stilllegung des Erdgas-Verteilnetzes formiert sich der Protest: Am 25. Februar soll eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Mannheim gibt Gas“ gegründet werden. Initiator Andreas Kostarellos hat am Mittwoch vergangener Woche erneut zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen, um die Öffentlichkeit gegen den Plan des Netzbetreibers MVV zu mobilisieren. Knapp 80 Gäste folgen der Einladung ins Bürgerhaus in der Neckarstadt-West. Als Redner sind Andreas Paul, Geschäftsführer des Vereins Haus und Grund, sowie Björn Peters, Vorsitzender des Deutschen Arbeitgeberverbands, eingeladen.
Das Geld, das ich habe, habe ich als meine Altersversorgung eingeplant. Ich habe keine Lust, das jetzt für den Heizungsumbau rauszujubeln
Die Ankündigung des Gas-Aus in Mannheim habe in seinem Wohnort Feudenheim eine „ziemliche Empörung“ ausgelöst, berichtet Kostarellos. Mit der Initiative „Mannheim gibt Gas“ will Kostarellos, der 2021 bereits mit der Bürgerinitiative „Energiewende mit Vernunft“ unter anderem den Bau von Windrädern auf der Friesenheimer Insel verhindern wollte, nun gegen die vorzeitige Schließung des Mannheimer Erdgas-Netzes vorgehen.
Applaus, Gemurmel und Diskussionsbeiträge zeigen: Bei den Gästen drückt der Schuh
Erst einige Monate zuvor hatte er, der sich nach eigenen Angaben bereits seit zehn Jahren mit der Energiewende befasst, noch eine Gasheizung einbauen lassen – er sei also auch persönlich betroffen. „Das Geld, das ich habe, habe ich als meine Altersversorgung eingeplant. Ich habe keine Lust, das jetzt für den Heizungsumbau rauszujubeln“, schimpfte Kostarellos. Eine gute Nachricht habe er aber für die Anwesenden zu verkünden: Die MVV habe ihm ein Gesprächsangebot gemacht. Er werde bei der Gründungsveranstaltung der Bürgerinitiative darüber berichten.
Dass der Schuh bei den Gästen ordentlich drückt, verdeutlichen Applaus, Gemurmel und Diskussionsbeiträge. „Wenn noch 5.000 Leute aussteigen und Fernwärme einbauen, dann wird es für uns ja noch teurer. Die Gasnetze bezahlen ja nur die, die es auch nutzen“, ärgert sich ein Besucher. Eine Frau berichtet, dass sie wohl für 10.000 bis 12.000 Euro auf Fernwärme umstellen könne. „Aber ich will es nicht. Wir setzen uns ja dafür ein, dass es so bleibt.“
Ein Mann meint, der Gemeinderat habe mit einem Mehrheitsbeschluss dafür gestimmt, das Gasnetz 2035 abzustellen, die MVV würde das nun umsetzen. Birgit Reinemund, die als Privatperson unter den Gästen ist, widerspricht entschieden. „Das ist falsch“, klärt die Stadträtin auf. Der Gemeinderat habe in dieser Sache nie abgestimmt; er könne aber in Zukunft als Hauptgesellschafter eventuell etwas bewegen.
Peters hält die positiven Berechnungen anderer Wissenschaftler für falsch
Dann erklärt Peters, wo „Deutschland in der Energiepolitik komplett falsch abgebogen ist“: Alte Energiequellen wegzunehmen, bevor die Energieversorgung mit neuen erfüllt sei. Der Atom- und Kohleausstieg, bevor die Energiewende gestartet sei. Die zuverlässige Energieversorgung aus Wind sei nicht möglich, meint Peters. „Wenn man das sauber durchrechnet – und das habe ich gemacht – dann funktioniert das nicht. Auch in 100 Jahren nicht.“
Die positiven Berechnungen anderer Wissenschaftler hält er für falsch. Sie sei der Ahnungslosigkeit von Politikern geschuldet, die von Wissenschaftlern gezeigt bekommen wollten, dass ihr Plan funktioniere. „Wenn man keine Ahnung hat, kann man nicht die richtigen Fragen stellen“, sagt er. Er bereite derzeit eine Konferenz vor, bei der „wir hoffentlich die Kernkraft zurückbringen“.
Das Aus der Erdgas-Netze ist nicht nur in Mannheim Thema
Auf einen juristischen Aspekt geht Andreas Paul genauer ein. Kann die MVV den Schalter umlegen? „Ja, wenn das Betreiben des Gasnetzes wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das ist ein Gummiparagraf“, erklärt der Syndikus von Haus und Grund. Die Versorgung müsse die MVV als Grundversorger aber weiter gewährleisten. In unserer Region werde es sehr kalt, demnach seien Heizen und warmes Wasser essenziell. Paul sei sich sicher, dass die Grundversorgung das wirtschaftliche Interesse des Versorgers schlagen werde.
Das Aus der Erdgas-Netze sei übrigens nicht nur Thema in Mannheim; die anderen würden nur nicht laut darüber reden. Indes: Bei der Ansage der MVV, im Jahr 2035 das Gasnetz abzuschalten, sei „uns allen erstmal die Kinnlade heruntergefallen“. Es sei weder genügend Fernwärme für alle Haushalte verfügbar, noch gebe es genügend Handwerker, die eine Wärmepumpe einbauen könnten. „Ich bin überzeugt, dass 2035 nicht das Gasnetz abgestellt wird, weil wir keine Alternativen haben werden.“
Paul geht in seinem Redebeitrag auch auf das Thema Entschädigung für eine neue Gasheizung mit einer Laufzeit von 20 Jahren ein, die in zehn Jahren dicht gemacht werden soll. „Da brauchen wir eine bundesweite Regelung. Wie sollen das 80-Jährige machen? Die kriegen doch gar kein Darlehen mehr“, zeigte Paul auf. Die Unwägbarkeiten würden zeigen, dass noch viel Bewegung in dem Thema sei. Das Gebäudeenergiegesetz komplett rückabzuwickeln halte er jedoch nicht für eine gute Idee. „Wir brauchen ja auch ein bisschen Planungssicherheit.“
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