„Ich glaube, viele von uns haben dieses Gefühl, dass keine wirklichen Diskussionen mehr stattfinden, sondern jeder auf seiner Meinung beharrt,“ sagt Monika Simikin. Sie ist Programmbereichsleiterin für Schulen, Grundbildung und Bildungsprojekte der Abendakademie. Immer öfter falle der Satz „Man darf ja gar nicht mehr sagen, was man denkt.“ Doch Ideen entstünden im Miteinander, ist sie sicher. „Nicht in Filterblasen, in denen wir nur hören, was wir hören wollen“, findet Simikin. Deshalb war sie vom ersten Moment an vom Projekt „Mannheim spricht“ überzeugt. Es ist angelehnt an die Aktion „Deutschland spricht“, welche „Die Zeit“ 2017 initiiert hatte. Das Ziel: Menschen mit konträren Meinungen zu Treffen zusammenzuführen, bei denen sie sich austauschen. Und so der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken.
Gegen Vorurteile und Misstrauen
Die Stadt (Fachbereich Demokratie und Strategie und das Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt), Abendakademie, Forscher der Uni Mannheim sowie Gerd Armbruster (IT-Admin) und Katharina Missling (Ideengeberin) arbeiten seit einigen Monaten zusammen: mit Erfolg. Sie haben jetzt das Projekt „Mannheim spricht“ für die Quadratestadt auf die Beine gestellt.
Die Aktion ist eine Herzensangelegenheit für Katharina Missling, berichtet sie. „,Mannheim spricht’ liegt mir am Herzen, weil ich dem Menschen hinter der Meinung begegnen möchte“, sagt die Mannheimerin. „Und ich möchte von meinem Gegenüber wissen, wie er zu dieser Meinung gekommen ist, um auf Augenhöhe miteinander zu sprechen und vielleicht sogar mit einem Aha-Erlebnis aus dem Gespräch zu gehen.“
Missling hatte die Idee zu „Mannheim spricht“ 2019 in den Beteiligungshaushalt eingebracht. Sie erhielt keine Mehrheit, dafür lernte sie Sylvia Löffler von der Koordinierungsstelle des Mannheimer Bündnisses für ein Zusammenleben in Vielfalt kennen. Zusammen mit Adrian Tavaszi von der Abendakademie wurde die Idee weiterentwickelt, dann ein Projektantrag für eine sogenannte Themeninsel gestellt und positiv beschieden. Tavaszi sagt, was ihm wichtig ist: „In einem gesellschaftlichen Klima, das zunehmend durch Vorurteile, Misstrauen und Ausgrenzung gegenüber Andersdenkenden geprägt ist, wollen wir mit der Themeninsel Räume für Diskussion und Begegnung öffnen.“ Auch Löffler tritt als Koordinatorin des Mannheimer Bündnisses für eine Stärkung der politischen Debattenkultur ein. „Annerscht sei, awa zamme khere“ sei die Kurzformel hinter dem Projekt, macht sie augenzwinkernd deutlich.
Und so funktioniert „Mannheim spricht“: Wer teilnehmen möchte, beantwortet noch bis zum 30. Juni sieben Fragen zu aktuellen politischen Themen (unter Link www.mannheimspricht.de) und registriert sich online. Ein Algorithmus führt dann die Paare zusammen, deren Antworten am gegensätzlichsten waren. Zwischen dem 16. und 18. Juli sind dann alle Mannheimerinnen und Mannheimer eingeladen, sich auf ein Treffen mit einem oder einer Unbekannten einzulassen. Die Gesprächspaare verabreden sich selbstständig und unterhalten sich miteinander. Das kann im Freien sein, in einem Café und kann auch online stattfinden.
„Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Mannheimerinnen und Mannheimer bei diesem Format mitmachen“, erklärt Oberbürgermeister Peter Kurz und er ergänzt: „Wir müssen wieder miteinander ins Gespräch kommen. Dieses Format bietet dafür einen ungewöhnlichen und gerade deshalb sehr spannenden Rahmen.“ Das Mannheimer Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt begleitet das Event mit Workshops zum Thema Kommunikation. In der Zwischenzeit haben mehr als 170 000 Menschen in über 40 Ländern teilgenommen und sich mit einer Person verabredet, die auf die im Vorfeld gestellten Fragen völlig gegensätzlich geantwortet hat. Und sie haben so vielleicht dafür gesorgt, dass unsere Gesellschaft nicht nur für den Moment näher zusammengerückt ist.
Fragen beantworten und Gesprächspartner treffen
- Wie nehme ich teil? Ganz einfach: Gehen Sie auf die Internetseite www.mannheimspricht.de. Beantworten Sie die Fragen, registrieren Sie sich bis zum 30. Juni 2021. Wenn Sie möchten, haben Sie am Wochenende vom 16. bis 18. Juli ein Blind Date zum politischen Austausch.
- Der „Mannheimer Morgen“ ist Medienpartner der Aktion. Das Projekt wird unter anderem gefördert über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ und der Stadt Mannheim. Das Projekt „Mannheim spricht“ ist angelehnt an „Deutschland spricht“ von „Zeit Online“. Gestartet ist es 2017 als Gesprächsformat, das Menschen mit kontroversen Meinungen zusammenführt. Über Ja-Nein-Fragen und einen Algorithmus finden Paare zusammen, die konträre Antworten gegeben haben. Ziel ist es, mit diesen „Blind Dates“ Vorurteile abzubauen und miteinander ins Gespräch zu kommen – und das mit Menschen, die man sonst vermutlich nie getroffen hätte.
- Am 17. Juli bietet die Abendakademie einen Rahmen für die Gespräche in ihren Räumlichkeiten. Infos dazu und zu einem Workshop „Konstruktive Kommunikation“, der im Vorfeld angeboten wird, finden Sie ebenso unter mannheimspricht.de
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