Jugendverkehrsschule

Projekt in Mannheim: Kinder mit besonderen Bedürfnissen bezwingen den Parcours

In Mannheim fand erstmals ein Pilotprojekt für Kinder mit besonderen Bedürfnissen statt. Der Verein Special Needs organisierte den Erlebnistag in der Jugendverkehrsschule

Von 
Bernhard Haas
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Diszipliniert umrunden die Kinder mit ihren Dreirädern den Parcours der Jugendverkehrsschule. © Special needs

Mannheim. Anton war ganz schön außer Atem. Er musste sich erst einmal auf die Bank an der Jugendverkehrsschule setzen. „Ich bin fix und fertig. Jetzt habe ich mir aber eine Pause verdient“, meinte er und gönnte sich einen Schluck Mineralwasser. Nach drei Runden auf seinem Dreirad hatte er sich doch ziemlich angestrengt. Aber nach einer kurzen Pause schwang er sich wieder auf sein Gefährt und fuhr ganz brav hinter einem Polizeibeamten hinterher. Und selbst als die Jungen und Mädchen auf dem Übungsplatz ohne Beobachtung durch die Beamten unterwegs waren, hielten sie sich strikt an die Verkehrsregeln.

Das allein wäre sicher keinen Artikel in der Zeitung wert, wenn es sich bei den Fahrradfahrern nicht um besondere Kinder gehandelt hätte. Zehn Buben und Mädchen wie Anton aus dem ganzen Bundesgebiet hatten sich in Mannheim eingefunden, um auf ihren Dreirädern den Parcours regelrecht zu „bezwingen“. Bei diesem Pilotprojekt, wie es Organisator Ralf Schmitt nannte, umkreisten zum allerersten Mal in der Geschichte der Mannheimer Jugendverkehrsschule Kinder von Mitgliedern des Vereins Special Needs den Parcours.

Zehn Kinder aus ganz Deutschland nahmen am Verkehrsprojekt teil. © Special Needs e.V.

Der Verein wurde vor knapp zwei Jahren gegründet, um Kinder, die als Frühchen auf die Welt kamen und infolge einer vorgeburtlichen Hirnblutung mit den Besonderheiten einer Teilseitenlähmung aufwachsen, in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Vor allem ein fast ständiger Kampf mit Krankenkassen belaste die Eltern, erklärte Schmitt.

Gerade hatten die Polizeibeamten das Blaulicht an ihrem Auto eingeschaltet – das motivierte die Kleinen natürlich wieder. Alle sammelten sich um das Fahrzeug und staunten. Schmitt erläuterte unterdessen, dass die gesamte Aktion rund 10 000 Euro gekostet habe, die durch Spenden, Sponsoren und die Stadt eingesammelt worden waren. Unterkunft bekamen die Eltern mit ihren Kindern in der Jugendherberge auf dem Lindenhof.

„Schon da gibt es Probleme beim Parken“, erzählten zum Beispiel Sabine und Mike Heimes, die aus dem Sauerland aus der Nähe von Winterberg angereist waren. Die Kinder können nicht weit laufen, manche sind sogar auf einen Rollstuhl angewiesen. Aber die Stadt habe dafür gesorgt, dass da auch kleinere Ausnahmen genehmigt werden, erzählen die beiden.

Die speziellen Dreiräder für Kinder mit neurologischen Erkrankungen können mehrere tausend Euro kosten. © Special Needs e.V.

Den Parcours der Jugendverkehrsschule lobten sie in den höchsten Tönen. „Das ist hier alles so flach. Damit kommen die Kinder klar“, erklärte Mike. Eines der Probleme sei gewesen, dass das eigene Fahrzeug groß genug sein, um das Dreirad des Kindes zu transportieren. Das Rad, mit dem ihr Kind unterwegs ist, habe rund 8000 Euro gekostet. „Da verhandelt man schon eine Zeit lang mit der Krankenkasse. Aber schließlich beißt man in den sauren Apfel und kauft trotzdem, weil das Kind sich sonst nicht allein fortbewegen kann“, sagt der Vater.

In der Zwischenzeit haben sich alle Kinder wieder in die Reihe eingeordnet und fahren eine neue Runde hinter dem Polizisten her. Ein Junge war allerdings ein klein wenig übermütig – er ließ Straße sein und fuhr einfach über die Wiese.

Mike erzählt auch, dass es ganz wichtig sei, dass andere Kinder die Behinderung akzeptieren und sich nicht negativ äußern, warum der Junge oder das Mädchen auf ein besonderes Fahrrad angewiesen sei. „Sobald jemand etwas Nachteiliges sagt, ist es aus. Das Kind setzt sich nie mehr auf das eigene Rad“, so der Vater.

An diesem Tag war aber nicht nur an die Kinder gedacht, sondern auch an die Eltern. Alexander Krauth vom Klinikum Karlsruhe hielt einen Vortrag über Erste Hilfe im Notfall. Der erfahrene Rettungssanitäter klärte darüber auf, was Eltern tun können, wenn das Kind doch einmal umfällt und sich womöglich etwas bricht. Einer Mutter war es ganz wichtig zu erfahren, was sie tun kann, wenn ihr Kind in einen Stacheldraht gerät. „Bei uns auf dem Land gib es viele davon“, stellte sie fest. Die Eltern durften anhand von Puppen gleich selbst einmal Hand anlegen und üben.

Polizeihauptkommissar Jörg Vollweiler, Leiter der Jugendverkehrsschule, sorgte nicht nur für Kaffee. Er erläuterte auch die Bedeutung der Schule, die sich nicht nur an Kinder, sondern auch an ältere Menschen wendet. „Wir sind hier das ganze Jahr über recht gut ausgelastet“, so Vollweiler. Mit ABC-Schülern würde schon das Überqueren von Zebrastreifen trainiert, ältere Menschen würden Rückwärtsfahren mit dem eigenen Auto üben. Die Puppenbühne gestalte regelmäßig Unterricht für Kinder.

Auch den Eltern hatte dieser Tag an der Jugendverkehrsschule viel gebracht. Organisator Ralf Schmitt zeigte sich sehr angetan von dem Erlebnistag: „Wir haben schon geplant, das im nächsten Jahr zu wiederholen, wenn wir das finanzieren können.“

Freier Autor

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