Prozess

Profi-Sportler in Mannheim wegen Vergewaltigung verurteilt

Das Landgericht Mannheim hat keinen Zweifel: Ein Profi-Sportler hat 2022 auf einem Vereinsfest eine 20-Jährige vergewaltigt. Ins Gefängnis muss er trotzdem nicht.

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Stefanie Ball
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Im Landgericht Mannheim fand der Prozess gegen einen 29-jährigen Profi-Sportler statt. © Stefanie Ball

Mannheim. Das Urteil lässt auf sich warten. Am Montagmorgen halten Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertretung ihre Plädoyers, um 14.30 Uhr soll das Urteil verkündet werden. Doch es wird drei Uhr, halb vier. Dann betreten die drei Richter und zwei Schöffen einen kleinen Saal des Mannheimer Landgerichts, und der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Oliver Ratzel, verkündet das Urteil: ein Jahr und zehn Monate, ausgesetzt zur Bewährung. Dem Angeklagten, der im dunklen Anzug an einem Tisch neben seiner Dolmetscherin und den zwei Verteidigerinnen sitzt, ist die Erleichterung anzusehen, als die Worte, die die Übersetzerin auf Spanisch übersetzt, ihn erreichen.

Es hätte auch eine Gefängnisstrafe sein können, und es hätten auch viel mehr Jahre sein können. Es hätte aber auch ein Freispruch werden können, wie so oft in Fällen, wenn es um Sexualdelikte geht. Denn häufig steht hier Aussage gegen Aussage. Niemand ist bei den Taten oder mutmaßlichen Taten dabei. So war es auch in jener Nacht im Oktober 2022 bei der damals 20-Jährigen und dem Mann. Der Profisportler war da erst wenige Wochen zuvor aus Südamerika nach Mannheim gekommen, eingekauft von einem Mannheimer Verein. Die junge Frau war ebenfalls Mitglied in dem Verein.

Traumatisches Ereignis für Betroffene

Anfang Oktober findet ein Fest statt, organisiert von Sportlern des Vereins. Es wird getanzt, getrunken, geredet. Es ist bereits nach Mitternacht, als die junge Frau und der 29-Jährige das Fest gemeinsam verlassen, wie Ratzel in seiner Urteilsbegründung die Geschehnisse noch einmal nachzeichnet. Zunächst seien Küsse und Zärtlichkeiten einvernehmlich ausgetauscht worden. Doch das Einvernehmen endet wenig später im Auto. „No“ und „stop“ sagt die junge Frau zu dem Mann, doch der hört nicht auf und vergewaltigt die 20-Jährige mehrfach. Weil er kein Deutsch spricht, wird mit ihm im Verein auf Englisch kommuniziert. Später lässt der Mann von ihr ab, sie steigt aus dem Wagen, er fährt nach Hause.

Die Frau kehrt zum Vereinsheim zurück, die Party ist inzwischen vorüber. Dort, auf einer Toilette, bricht sie zusammen, Sportkameradinnen finden sie in völlig desolatem Zustand. Das hatten mehrere Zeugen unabhängig voneinander dem Gericht berichtet. Es werden Krankenwagen und Polizei gerufen, erste Vernehmungen erfolgen. Die Frau erstattet Anzeige, und so kommt es schließlich, nach vielen, vielen Monaten, zum Prozess.

Kammer glaubt der Nebenklagevertreterin uneingeschränkt

Ausführlich geht Ratzel in seinem rund einstündigen Vortrag zur Urteilsbegründung darauf ein, wie die Kammer zu dem Schluss kam, dass den Schilderungen der Frau Glauben zu schenken sei. Die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation hier also zugunsten der Nebenklägerin aufgebrochen wird. Die Frau habe sich das Ganze weder eingebildet noch sei es ihr eingeredet worden, betont Ratzel. Sie habe auch keinerlei Grund gehabt, den Mann bewusst falsch zu beschuldigen. Zeugenaussagen hätten diesen Eindruck bestärkt; außerdem sei die Betroffene seither stark belastet, habe Ängste, Schlafstörungen und nehme am gesellschaftlichen Leben nur begrenzt teil.

Auch bei den weiteren Taten, die dem Mann vorgeworfen wurden, sieht die Kammer keinen Grund, an den Aussagen der Frauen zu zweifeln. Neben der Vergewaltigung soll der 29-Jährige zwei weitere Frauen belästigt und ihnen gegenüber sexuell übergriffig geworden sein. Konkret soll er auf einem Ausflug zum Wurstmarkt nach Bad Dürkheim Mitte September 2022, an dem mehrere Sportkameradinnen und Sportkameraden des Vereins teilgenommen hatten, sowie auf eben jenem Vereinsfest Frauen in sexuell motivierter Weise berührt, gestreichelt und ihnen unter Ausnutzung eines Überraschungsmoments Zungenküsse gegeben haben.

Prozessbeginn lässt lange auf sich warten

Dass die Strafe vergleichsweise milde ausfällt, dafür führt der Vorsitzende Richter verschiedene Gründe an. Das Strafgesetzbuch sieht bei Vergewaltigung je nach Schwere des Falls mehrjährige Freiheitsstrafen vor. Doch die Kammer hält dem Angeklagten, der inzwischen wieder in Lateinamerika lebt, zugute, dass dieser zweimal nach Mannheim gereist sei, um sich dem Verfahren zu stellen. „Das war nicht zu erwarten“, betont Ratzel. Ferner habe es mehr als zwei Jahre bis zum ersten Verhandlungstag gedauert. Der Prozess startete erst Mitte Februar 2025. „Das ist aus Sicht der Kammer bedauerlich“, so Ratzel weiter. Ein solch schwebendes Verfahren stelle eine große Belastung dar. Strafmildernd wertete das Gericht auch, dass der Mann zum Zeitpunkt der Taten alkoholisiert gewesen sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass seine Fähigkeit, das Verhalten zu steuern, erheblich eingeschränkt gewesen sei.

Auf Auflagen verzichtete die Kammer, da der Mann auf einem anderen Kontinent lebe und eine Kontrolle nur schwerlich möglich sei. Allerdings müsse der 29-Jährige die Kosten des Verfahrens tragen. Ratzel: „Das ist ein nicht unerheblicher Betrag, den abzutragen wird einige Anstrengungen erfordern.“

Ein Großteil des Prozesses hatte, um speziell die junge Nebenklägerin zu schützen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Urteilsverkündung war dann wieder öffentlich.

Freie Autorin

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