Muslime - Mannheimer Studentin fühlt sich von Ludwigshafener Medizinerin diskriminiert / Dekan will vermitteln

Praktikum in Arztpraxis am Kopftuch gescheitert?

Von 
Steffen Mack
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Mit einem Kopftuch wie diesem wollte H. ein zweiwöchiges Pflichtpraktikum bei einer Ludwigshafener Ärztin machen. © sma

Ludwigshafen/Mannheim. H. (Name von der Redaktion anonymisiert) studiert in Mannheim im zehnten Semester Medizin. Dafür musste sie ein zweiwöchiges Pflichtpraktikum in einer hausärztlichen Praxis machen. Rund 30 standen auf der Uni-Liste. Ben Ishak entschied sich für die von Hannelore Pitule in Ludwigshafen. Doch daraus ist nichts geworden. Das lag, so viel ist klar, auch am Kopftuch der Studentin. Aber wie und warum, stellen die beiden Frauen unterschiedlich dar. Und die Fakultät hat einen Konflikt ins Haus bekommen, den sie nach Angaben ihrer Sprecherin Eva Maria Wellnitz "sehr ernst nimmt".

Auf Arabisch begrüßt

Unstrittig ist: H. ging in Pitules Praxis, um sich als neue Praktikantin vorzustellen. Die Ärztin reagierte überrascht. Eine Mail, mit der die Fakultät sie darüber informieren wollte, war nicht angekommen. Gleichwohl begrüßte sie die aus Tunesien stammende Studentin auf Arabisch und sagte, sie wolle diese Sprache ebenso lernen wie Türkisch und Afghanisch. Aus jenen Ländern kämen viele ihrer Patienten.

Dann gehen die Schilderungen auseinander. Laut H. bat die Ärztin sie, ohne Kopftuch zum Praktikum zu kommen. "Ich fragte empört, warum. Daraufhin antwortete sie, ich solle es zusammenbinden. Damit meinte sie wohl, dass ich an Brust und Hals den weißen Kittel darüber ziehen soll. Das hätte ich auch gemacht." Doch wenige Tage später habe ihr die Fakultät geschrieben, mit dieser Praktikumsstelle werde es nichts. Als Begründung sei ihr mündlich übermittelt worden, "die Ärztin wolle mich mit meinem Kopftuch nicht in ihrer Praxis haben".

Anruf bei der Fakultät

Pitule schildert den Vorgang anders: "Die saß mit einem voluminösen Kopftuch vor mir. Da habe ich sie gebeten, zum Praktikum ein kleineres Kopftuch anzuziehen. Damit hätte ich auch überhaupt kein Problem gehabt." Bei ihrem anschließenden Anruf in der Fakultät sei es vor allem um die nicht erfolgte Anmeldung der Praktikantin gegangen. "Da habe ich dann auch noch mal gesagt, sie soll bitte ein kleineres Kopftuch aufsetzen." Dennoch sei sie davon überzeugt gewesen, dass H. in ihre Praxis komme. "Ich wollte doch Arabisch von ihr lernen."

Die Mitarbeiterin der Fakultät, mit der die Ärztin telefonierte, kann sich an den Wortlaut nach eigenem Bekunden nicht mehr erinnern. Aber hängen blieb, dass es offenbar Probleme mit dem Termin des Praktikums sowie mit dem Kopftuch gab. Um den Konflikt zu deeskalieren, wurden H. zwei andere Praktikumsstellen vorgeschlagen.

Das Praktikum klappte dann bei einem anderen Arzt in Ludwigshafen, die Deeskalation nicht. Ben Ishak hat sich bei der Landesärztekammer in Mainz sowie der Integrationsbeauftragten der Stadt Ludwigshafen beschwert und an den "MM" gewandt. Zum Treffen in einem Café kommt sie gemeinsam mit ihrer Mitstudentin Fagr Eladly. "Wir wollen diesen Fall öffentlich machen, um ein Zeichen zu setzen: dass man Frauen mit Kopftuch nicht diskriminieren darf", erklären die beiden. H. möchte auch darauf drängen, dass die Fakultät die Zusammenarbeit mit Pitule beendet.

Die Studentin trägt nach eigenen Angaben ein Kopftuch, seit ihre Familie 2008 aus Tunesien nach Deutschland gekommen ist. "Und nicht, weil meine Eltern das wollten. Im Gegenteil: Meine Mutter hat erst Jahre nach mir angefangen, Kopftücher aufzuziehen." Mittlerweile sei das Stück Stoff "einfach ein Teil von mir". Sie wolle damit auch niemanden provozieren oder signalisieren: "Hey, wir sind Muslima! Der Sinn besteht darin, seine Persönlichkeit und das, was einen tatsächlich ausmacht, in den Vordergrund zu stellen. Es geht auch darum, äußere Schönheit zu verbergen."

H. und ihre Kommilitonin Eladly beteuern, bisher habe es mit ihren Kopftüchern im Studium nie Probleme gegeben. "Wir konnten sie auch auf all unseren Stationen am Klinikum tragen." Nur im OP hätten sie stattdessen eben eine keimarme Haube auf. Manchmal ernte sie wegen ihres Kopftuchs zwar einen skeptischen Blick von Patienten, erzählt Eladly. "Aber ich glaube, viele denken dann: Die studiert Medizin, so doof kann sie nicht sein."

"An der Uni nichts verloren"

Die Fakultät, das wird in vielen Gesprächen deutlich, hätte diesen Konflikt gern intern gelöst. Studiendekan Thomas Wieland möchte die Beteiligten nun an einen Tisch bringen. H. beharrt allerdings darauf, dass Pitules Praxis nicht länger Lehrpraxis bleiben dürfe. "Diese Ärztin hat mich wegen meines Kopftuchs diskriminiert. So jemand hat an der Uni nichts verloren."

Rechtslage und Praxis

  • Nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg können Arbeitgeber ihren Angestellten das Tragen von Kopftüchern untersagen.
  • Allerdings darf ein Verbot nicht willkürlich sein und muss für alle religiösen Symbole gleichermaßen gelten.
  • Deutsche Gerichte hatten zuvor - nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - einen Eingriff in die Religionsfreiheit an strengere Voraussetzungen geknüpft.
  • Demnach mussten Kopftuchverbote auch gewichtige Gründe haben und verhältnismäßig sein.
  • Standesrechtliche Regelungen zum Umgang mit Kopftüchern gibt es bei Medizinern nicht.
  • So teilt die (für die Ludwigshafener Doktorin zuständige) Landesärztekammer Rheinland-Pfalz mit, da existierten keine Vorgaben: "Welche Dienstkleidung in Arztpraxen getragen werden darf oder nicht, entscheiden die Praxisinhaber." Bisher habe es damit keine Probleme gegeben.
  • Auch in der Mannheimer Ärzteschaft ist nichts über Schwierigkeiten mit religiösen Symbolen bekannt. Nach Angaben einer Sprecherin arbeiten in einigen Praxen in der Stadt Arzthelferinnen mit Kopftuch.
  • Im Universitätsklinikum sind ebenfalls - vor allem im Pflegebereich - zahlreiche Mitarbeiterinnen mit Kopftuch beschäftigt, ebenso eine muslimische Ärztin. (sma)

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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