Gericht - Zeuge bringt im Prozess um Kopfschuss in Rheinauer Kneipe Richter auf die Palme / Namen einer weiteren beteiligten Person verschwiegen

Ominöser "Gremium"-Mann bleibt im Dunkeln

Von 
Rüdiger Ofenloch
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Tag zwei im Prozess um den Kopfschuss in einer Rheinauer Kneipe bringt Ulrich Meinerzhagen auf die Palme. Der Richter am Landgericht Mannheim hat in seiner langen Laufbahn schon so gut wie alles erlebt. Trotzdem schafft es der für den Nachmittag geladene Zeuge innerhalb kürzester Zeit, den Puls des erfahrenen Juristen in höchste Höhe zu treiben. "Jetzt reicht es aber! Sprechen Sie Hochdeutsch und keinen Slang!", schimpft Meinerzhagen. In der Tat nuschelt der 46-Jährige derart breites Mannheimerisch, dass man sehr genau hinhören muss, um wenigstens jedes dritte Wort zu verstehen - und das trotz Mikrofon.

Dabei wäre es durchaus interessant gewesen, den Aussagen dieses Zeugen haarklein zu folgen. Immerhin entflammt der Streit in der Kneipe in der Nacht zum 22. April wegen ihm. Ihn packt Marcel H. am Kragen, ehe M., ein Freund des Zeugen, einschreitet und H. auf M. schießt. Eine Kugel verfehlt ihn, die zweite durchschlägt die Hand und bleibt kurz vor dem Schädelknochen in der Schläfe stecken (wir berichteten). M. überlebt wie durch ein Wunder. H. muss sich seit 21. Dezember vor dem Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten.

Zeuge und Angeklagter tauschen am zweiten Prozesstag immer wieder Blicke aus. H's Post wird derzeit vom Zeugen in Empfang genommen, der will sie ihm hinüber zur Anklagebank reichen - das geht natürlich nicht, wie Richter Meinerzhagen erklärt. Kopfschüttelnd, wie so oft an diesem Tag. Denn der Zeuge, von dem man sich durchaus hätte Aufklärung erwarten können, erhellt den Fall nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Nicht nur seine aufreizend schnodderige Aussprache nervt. Auch das, was er sagt, bringt die Verhandlung keinen Schritt weiter.

Ständig im Clinch mit Ex-Frau

Ja, man habe sich immer wieder gestritten. Nein, mit dem Angeklagten habe das nur indirekt zu tun gehabt, berichtet er - und singt dasselbe Lied wie alle anderen vernommenen Beteiligten: Seine Ex-Frau und er hätten sich ständig wegen der Wohnung in den Haaren gehabt, die ihm gehörte und in der sie als Mieterin lebte. Dass diese Ex-Frau zum Tatzeitpunkt die Lebensgefährtin des Angeklagten war, sei der einzige Grund, warum er mit H. überhaupt in Kontakt gekommen sei: "So haben wir uns gut verstanden. Aber wenn die Madame dabei war, durften wir uns nicht einmal ansehen."

Der Zeuge macht keinen Hehl aus der Geringschätzung des Gerichtes. Jedes Wort lässt er sich aus der Nase ziehen. Und jenen Mann, den er auf H. und eine zweite Person angesetzt hat zur Klärung von Mietstreitigkeiten, nennt er partout nicht beim Namen. Nur dass dieser Mitglied im Rockerclub "Gremium" sei und alle Beteiligten Respekt vor ihm hätten, das gibt er zu. Genau jener Mann ist aber von zentraler Bedeutung unter anderem für die Verteidigung, die aus der Tat des Angeklagten eine Kombination aus Notwehr und Blackout im Vollrausch machen möchte.

Umso erstaunlicher, dass auch H. den Namen nicht nennt. Oder alles andere als erstaunlich? In einer früheren Vernehmung hatte der Zeuge von der Rheinauer Regel gesprochen: "Erst wird geschlagen, dann geredet." H. wiederum gibt zu, unabhängig vom Wohnungsstreit mit besagtem Gremium-Mann aneinandergeraten zu sein. "Ich bin ihm wohl auf den Schlips getreten." Warum er deshalb in einem anderen Zusammenhang um sich und offenbar gezielt auf eine völlig andere Person schoss, wird dadurch freilich nicht klar. Die Verhandlung wird am 17. Januar fortgesetzt.

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