Es sind nur noch ein paar Tage bis zum Ausbildungsbeginn am 1. September. Und noch immer gibt es viel mehr freie Stellen als Bewerber. 73 offene Lehrstellen für den Stadtbezirk Mannheim meldet die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar verzeichnet in ihrem Gebiet 263 freie Ausbildungsangebote.
"Das ist für diesen Zeitpunkt ziemlich viel", weiß Harald Töltl, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Berufsbildung. Erklärungen dafür findet er einige. Zum einen sei die Zahl der Bewerber zurückgegangen, zum anderen hätte die Wirtschaftskrise mögliche Azubis verunsichert. "Sie haben Angst, nach der Lehrzeit nicht übernommen zu werden", so Töltl und fügt hinzu: "Aber das ist falsch. Die Krise ist so gut wie überwunden, vor allem, wenn die heutigen Auszubildenden in zwei oder drei Jahren fertig sind." Lieber jetzt noch die Mittlere Reife an den Hauptschulabschluss dranhängen, um später bessere Chancen im Berufsleben zu haben - vor diesem Trugschluss warnt Harald Töltl: "2012 kommt der Abitur-Doppeljahrgang auf den Arbeitsmarkt. Das verschärft die Situation enorm." Denn dann müssen die Jugendlichen, die jetzt auf eine Lehrstelle zugunsten eines höheren Bildungsabschlusses verzichten, mit den frischgebackenen Abiturienten konkurrieren. "Damit tut man sich keinen Gefallen", weiß der IHK-Experte, "ich kann deshalb nur raten, die Chance jetzt zu ergreifen." So viele gute Möglichkeiten wie in diesen Tagen würde es sicher nicht mehr geben.
Bestimmte Berufe nicht gefragt
Dass man einen weiteren Bildungsabschluss der dualen Ausbildung vorzieht, diesen Trend sieht auch Rainer Kettner, Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer Mannheim. "Dazu kommt für uns, dass viele eben eine Bürotätigkeit bei einer Versicherung, einer Bank oder in der Großindustrie einem Handwerksberuf vorziehen", so Kettner. Die vielen freien Stellen führt er aber auch darauf zurück, dass die Bewerber nicht die entsprechenden Qualifikationen mitbringen und die Plätze daher nicht besetzt werden könnten. Schließlich hätten sich auch viele Berufsbilder gewandelt, seien komplexer und anspruchsvoller geworden. "Der beliebte KFZ-Mechatroniker ist nicht mehr der Schrauber von früher", weiß der Ausbildungsberater. Die Technik in den Autos sei heute eine ganz andere, dementsprechend hätte sich auch der Beruf weiterentwickelt.
Auf Berufe in bestimmten Branchen haben viele Jugendliche aber auch einfach keine Lust: Bäcker, Metzger, die entsprechenden Verkäuferinnen, Koch oder aber auch Kaufmann im Einzelhandel wollen die wenigsten jungen Leute erlernen. "Das Image ist nicht allzu gut. Und dann hängt's natürlich auch an den Arbeitszeiten", sagt Rainer Kettner. Dem stimmt auch IHK-Mann Harald Töltl zu: "Handel und Gastronomie haben's traditionell schwer, Azubis zu finden. Vor allem wegen der Arbeitszeiten." Allerdings erhöhe eine Bewerbung dort die Chancen, überhaupt eine Lehrstelle zu finden.
Denn natürlich können die Betriebe auch nicht einfach jeden nehmen. "Eine Umfrage bei unseren Firmen hat uns gezeigt, dass in den Unternehmen die Unzufriedenheit mit der Ausbildungsreife der Bewerber gestiegen ist", so der IHK-Fachmann. Dabei gehe es natürlich - wie schon länger beklagt - um mangelnde fachliche Kenntnisse in Deutsch und Mathematik, vor allem hagele es aber Kritik an überfachlichen Qualifikationen: Es fehlt an Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und am gepflegten Auftreten.
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