Mannheim. „Man hat schon seinen persönlichen Stolz“, sagt die junge Konstanzer Architekturstudentin Carmen. „Es ist mein erstes Gebäude, das ich geplant und gebaut habe.“ Hinter der Multihalle im Herzogenriedpark steht ihr Teehaus, das in Zusammenarbeit mit anderen Studenten anlässlich der Sommerakademie „Werkstatt Multihalle“ entstanden ist. Zwei Wochen lang lebten mehr als 50 Studenten aus aller Welt unter dem Dach der Multihalle und entwickelten modulare Wohnräume für die Stadtgesellschaft der Zukunft.
Baubürgermeister Lothar Quast erinnerte in seiner Begrüßung beim Richtfest und bei der Abschlusspräsentation der Arbeiten an die lange Geschichte der Multihalle. Deren Modernität und Neuartigkeit finde immer noch Beachtung und stelle „ein Symbol der offenen Gesellschaft“ dar. Sie sei eine „Plattform, die weit über Mannheim hinaus wahrgenommen wird“. Sie solle zu einem Ort der Begegnung und Kommunikation werden, sei aber auch eine „Fragestellung für die Zukunft“, wie Quast sagte: „Wie wollen wir morgen leben?“
Was das Leben der Menschen in Zukunft ausmacht, darüber machten sich die Studenten Gedanken: Der Rotterdamer Architekt Otto Trienekens und sein Team begleiteten die jungen Architekten, und er lobte die kulturelle Vielfalt der Stadt Mannheim. Die gehe über die Herkunft, Essen und Tanzen hinaus, „sie soll eine Feier sein.“ Er definiert kulturelle Vielfalt als das, „was die Nachbarn machen, die können mir das zeigen“.
Davon ausgehend fragte er sich, „welche Räume es gibt, in denen wir kulturelle Vielfalt feiern können, in denen wir tanzen und trinken können, in denen wir gemeinsam leben können“? Eine zwingende Voraussetzung für kulturelle Vielfalt sei auch das Öffnen der privaten Umgebung. Denn das private Zuhause ist eine geschlossene Umgebung, die unsichtbar und unerreichbar ist.
Rückzugsräume im Inneren
Dieses sogenannte „Un-Boxing“ entwickelte sich in den zwei Wochen zur Kernidee, nicht nur als persönliche Einstellung, sondern auch als architektonische Funktion. Es entstanden offene und öffentliche Räume, die im Hinblick auf diese Ideen die private Black-Box von Küche, Schlafzimmer oder Wohnzimmer öffnen sollen. „Es sind alles Zukunftsräume“, wie Trienekens sie nannte, im Zusammenhang mit der Sommerakademie sprach er gar von einem Experiment.
Die junge Architektin Carmen präsentierte stellvertretend für ihre Gruppe einen Shelter, einen persönlichen Schutzraum, einen Rückzugsort, der den Arbeitstitel „Teehaus“ trägt. Es ist ein offenes Haus, von allen Seiten begehbar, das doch einen intimen Innenbereich hat: „Man ist versteckt dort“, wie sie es erklärte. Die offenen Wände mit Holzstruktur wurden zum „Filter zur Öffentlichkeit“, sie sind zwar durchsichtig, doch zwei offene Wände hintereinander schaffen einen privaten Rückzugsort, der nicht einsehbar ist.
Ihre Gruppe war eine von sieben Arbeitsgruppen, die erste beschäftigte sich mit der Gesamtidee: „Man soll spontan zusammenkommen können, doch Wände können das nicht zulassen“, wie ihre Sprecherin Connie das Konzept ohne Wände erläuterte. Für Juliane von der Gruppe Esstisch ist selbiger eine „soziale Komponente, wir wollen eine lange Tafel schaffen für Kommunikation“.
Auch die Küchen-Gruppe sieht ihren Raum als „Magnet, der die Leute zusammen führt“, wie Gruppensprecher Jonathan erläuterte. Nachhaltigkeit und kulturellen Austausch sieht Florian als das Ergebnis seiner Gruppe an. Eine mobile Bibliothek entstand mit Hilfe der Gruppenmitglieder. „Was hat Schlaf mit Öffentlichkeit zu tun?“, fragte Paul. „Schlaf ist eine intime Sache“, wie er erläuterte, dennoch seien Power-Naps in der Öffentlichkeit in dem entworfenen Schlafturm machbar. Und zuletzt präsentierte Sophia die Bühne, die an einen alten Fernseher erinnern soll: „Die Bühne bringt alle zusammen.“
Es entstand ein Minidorf, das in den zwei Wochen mit einer Mikrogesellschaft schon belebt wurde. „Das war eine super Gesellschaft, da bleibt mehr zurück als zwei Wochen Urlaub“, resümiert Carmen über die Sommerakademie. Und dennoch: „Ich brauch jetzt erst mal Urlaub.“
Sechs Wochen zum Ansehen
- Nach der feierlichen Übergabe der von den jungen Architekten geschaffenen Bühnen und Räume an die Mannheimer Bürger und an die Stadt bleiben sie noch sechs Wochen lang hinter der Multihalle im Herzogenriedpark stehen.
- Dort können sie ausprobiert, getestet und mit eigenen Ideen belebt werden. Die Architekten freuen sich auf ein Feedback. Danach können die Konzepte für den privaten Gebrauch ausgeliehen werden.
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