Großveranstaltung

Nachtwandel im Mannheimer Jungbusch hat Finanzprobleme

Die Kosten für das Kulturfest Nachtwandel im Mannheimer Stadtteil Jungbusch am 24. und 25. Oktober sind noch nicht gedeckt. Warum die Großveranstaltung trotzdem stattfinden soll.

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Thorsten Langscheid
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Im vergangenen Jahr kamen rund 25.000 Menschen an den beiden Nachtwandel-Abenden in den Mannheimer Stadtteil Jungbusch. © Michael Ruffler

Jungbusch. Der Nachtwandel findet statt – mit dieser guten Nachricht verabschiedeten die Organisatoren von Mannheims größtem Kulturfest im Stadtteil Jungbusch den Miterfinder und langjährigen Mitorganisator Michael Scheuermann in den Ruhestand und sich selbst in die Sommerpause (wir berichteten). Doch hinter dem demonstrativen Optimismus steht eine 50.000-Euro Loch im Nachtwandel-Budget. Ergebnis eines strikten Sparkurses, zu dem die Stadt gezwungen ist und den auch schon andere, liebgewordene Großveranstaltungen zu spüren bekommen haben. So wurde das „Monnem Bike“-Festival nach Jahren seines angestammten Platzes in der Innenstadt verwiesen und auf das Areal der Bundesgartenschau 2023, die frühere Spinelli-Kaserne in Feudenheim verlagert. Letztlich aus Kostengründen, wie Oliver Althausen, Geschäftsführer der neu formierten städtischen Tochtergesellschaft „VTM Veranstaltungen – Tourismus – Marketing: Mannheim erleben GmbH“ erklärt. Drei Mal fiel der Nachtwandel bisher aus. Einmal, weil das Geld nicht reichte, zweimal wegen Corona.

Nachtwandel im Mannheimer Jungbusch: Spender und Sponsoren gesucht

Die VTM ist bei nichtkommerziellen Großveranstaltungen wie Fasnachtszug, „Monnem Bike“ und Nachtwandel für die Logistik und die Sicherheitsmaßnahmen als Veranstalter zuständig. Wie sehr der Nachtwandel trotz der Zusage für dieses Jahr wackelt, dazu wollte Althausen keine Zahlen nennen, aber er ließ durchblicken, dass auch die eingeworbenen Sponsorengelder noch nicht ausreichen. Bereits vor zehn Jahren kostete die Durchführung des Nachtwandels mehr als 100.000 Euro. Kaum anders sieht es beim Kulturprogramm aus, das vom Gemeinschaftszentrum Jungbusch verantwortet wird. 16.000 Euro aus dem städtischen Kulturetat fließen dafür direkt zum Gemeinschaftszentrum, weitere 15.000 Euro werden per Crowdfunding eingeworben, rund 7000 Euro wurden von knapp 100 Spendern bislang aufgebracht.

Hinterhof-Hopping beim Nachtwandel im Jungbusch. © Christoph Bluethner
Im Jungbusch ist ein starker Wille dahinter, den Nachtwandel wieder zu stemmen.
Johannes Kieffer Quartiermanager im Jungbusch

Um den Nachtwandel, der im vergangenen Oktober an zwei Abenden voller Kunst und Kultur mehr als 25.000 Menschen in das ehemalige Hafenviertel lockte, langfristig abzusichern, hatte der Gemeinderat für 2023 und 2024 jeweils 50.000 Euro als Erhöhung des Globalzuschusses an die VTM – die derzeit jährlich insgesamt rund 1,3 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel erhält – bewilligt. Gewünscht war natürlich, dass die Beträge auch in den folgenden Jahren fließen. Dieses Geld ist hauptsächlich für Absperrungen, Umleitungen und Sicherheitspersonal gedacht. Jetzt steht es wegen der Sparvorgaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe nicht mehr zur Verfügung. Mannheim muss pro Jahr 40 Millionen Euro einsparen – Geld, das in vielen Bereichen und eben auch beim Nachtwandel nicht mehr ausgegeben werden kann. Sponsoren wie die staatliche Hafengesellschaft fangen immerhin Teile des Verlusts auf. „Wir sind aber an einem Punkt angelangt, an dem wir mit gutem Gewissen den Nachtwandel 2025 zusagen können“, hatte Bürgermeister Thorsten Riehle (SPD) Ende Juli die Richtung vorgegeben.

Kommentar Warum der Mannheimer Nachtwandel kein Selbstläufer ist

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Thorsten Langscheid
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Nachtwandel im Mannheimer Jungbusch: Veranstaltung ist vor allem ein Kulturereignis

Den „offiziellen Optimismus“ des Bürgermeisters teilt auch Quartiermanager Johannes Kieffer, der zwar ganz neu im Amt ist, aber als langjähriger Leiter der Orientalischen Musikakademie selbst den Nachtwandel von Anfang an mitgestaltet hat. „Der Nachtwandel ist vor allem ein Kulturereignis“, unterstreicht er, um klar zu machen, wie sehr sich das Jungbusch-Event von anderen Veranstaltungen wie Kerwe oder Stadtteilfest unterscheidet. Auch wenn die Finanzierungsprobleme letztlich die gleichen sind.

Nachtwandel-Macher Michael Scheuermann (v.l.) und Johannes Kieffer, im Bild mit Jutta Lindner (Caritas-Verband) vom Vorstand des Trägervereins Gemeinschaftszentrum Jungbusch. Das Bild entstand kürzlich beim Nachbarschaftsfest im Kiez, dem „kleinen Bruder des Nachtwandels“. © Sylvia Osthues

Die Bewohner, die Gastronomen und vor allem die zahlreichen Künstler im Viertel wollen auch 2025 wieder „nachtwandeln“, soviel sei klar: „Ich werde dauernd gefragt, ob der Nachtwandel wieder stattfindet“, sagt Johannes Kieffer. Dabei sei ganz deutlich: „Im Jungbusch ist ein starker Wille dahinter, den Nachtwandel wieder zu stemmen.“ Das bedeutet: Zwei Nächte der offenen Höfe und Ateliers mit zuletzt über 80 Programmpunkten, rund 1000 Akteuren vor und hinter den Kulissen sowie 25.000 Besuchern.

Nachtwandel im Mannheimer Jungbusch: Gemeinschaftszentrum fürchtet „langfristig Probleme“

Alexander Manz, Vorstand der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und Vorstandssprecher des Trägervereins Gemeinschaftszentrums Jungbusch, freut sich ebenfalls, dass der Nachtwandel 2025 steht, sieht allerdings langfristig durchaus Probleme. „Wir können im Augenblick nur abwarten, wie sich die Haushaltslage der Stadt auf unsere Arbeit generell auswirken wird“, sagt er. Und weist darauf hin, dass neben dem auch künftig wahrscheinlich eher fehlenden Geld die Menschen, die sich teils weit über ihren Job im Gemeinschaftszentrum oder bei anderen sozialen Trägern wie der Awo und der Caritas hinaus ehrenamtlich für den Jungbusch engagieren, nicht vergessen werden dürfen.

Awo-Chef Alexander Manz, Vorstandssprecher des Trägervereins Gemeinschaftsszentrums Jungbusch. © Alexander Kästel

Die Idee zu der Veranstaltung wurde im Winter 2003 bei einem Treffen der Künstlergruppe Laboratorio 17 geboren – das beschreiben Teilnehmer jener legendären nächtlichen Diskussionsrunde in der Jungbuschstraße, wie Bernd Görner und Michael Scheuermann, sehr atmosphärisch auf der Homepage des Gemeinschaftszentrums. Die damals – ganz anders als heute – vielen leerstehenden Ladengeschäfte und Gewerbeimmobilien wie zum Beispiel die inzwischen niedergebrannte Kaufmannsmühle mit Leben füllen: das war eine der Leitideen für den Nachtwandel, der dann im Oktober 2004 zum ersten Mal über die Bühne ging und von Anfang an ein Erfolg war. Zu Beginn waren es nur einige Künstler, die ihre Ateliers, Keller und Hinterhöfe öffneten und Einblicke in ihre Arbeit und ihr Lebensumfeld gaben. Der ganz große Rummel mit Bands an jeder Ecke und Gastronomie kam nach und nach dazu.

VTM-Geschäftsführer Oliver Althausen. © masterpress

Mit den Jahren wuchs die Veranstaltung. Immer mehr und viele neue Jungbuschler machten mit. Aus dem „Geheimtipp“ der Anfangszeit war ein Kulturfest geworden, das in die ganze Region ausstrahlte. Und dabei eine Konstante zu verzeichnen hatte, die auch in diesem Jahr wieder in den Vordergrund zu rücken droht: die wackelige Finanzierung des Festivals, das zuletzt mit den genannten insgesamt 66.000 Euro aus städtischen Finanztöpfen sowie Geldern von Spendern und Sponsoren ermöglicht wurde.

Redaktion koordiniert die Berichte aus den Mannheimer Stadtteilen.

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