Mannheim. Vanessa David hat sich einen Traum erfüllt. Voriges Jahr war sie in der Dominikanischen Republik. Kein All-Inclusive-Urlaub im Hotel, sie reiste durchs Land. Früher sei sie nur gelegentlich nach Italien geflogen, wo ihr Vater herkomme, erzählt die 41-Jährige. Der beengte Platz im Flugzeug, Klapptisch auf dem Schoß – „eine Fernreise wäre für mich undenkbar gewesen“.
Da schaltet sich Mirko Otto ein: „Die meisten Fluggesellschaften hätten Sie gar nicht mehr mitgenommen.“ Der Chirurgie-Professor leitet das Adipositaszentrum Rhein-Neckar im Mannheimer Klinikum. Hier wurde Vanessa David im September 2023 am Magen operiert. Zu Beginn ihrer Behandlung wog sie 163 Kilo. Aktuell sind es noch 88. „Manchmal werden es auch wieder ein, zwei Kilo mehr“, berichtet sie. Aber in der Tendenz gehe es seit dem Eingriff stetig nach unten. Bis zu ihrem Idealgewicht fehlten nur noch zehn Kilo.
Rät der Arzt, auch die noch loszuwerden? Otto versucht erkennbar zu verbergen, für wie dämlich er diese Frage hält. Sein leichtes Augenrollen verrät ihn. „Das Idealgewicht ist kein gesundheitlicher Parameter“, sagt er. Für ihn sei entscheidend, die enormen Risiken der Patientin massiv gesenkt zu haben: Darmkrebs, Diabetes, Arthrose etwa. David litt bereits unter Bluthochdruck, Fettleber, Prädiabetes und Schlafapnoe, also nächtlichem Aussetzen der Atmung. Solange diese Beschwerden nicht wieder aufträten, sei Davids Kilozahl für ihn unerheblich, so Otto.
Viele Patienten bekommen von ihren Hausärzten immer noch zu hören: Sie müssen einfach weniger essen
Ihr Übergewicht sei „bei Corona schlimm geworden“, erzählt die Patientin. Das viele Daheimbleiben, mit Essen als einer der wenigen Freuden. Etwas zum Abnehmen tun zu müssen, sei ihr klar gewesen. Aber auch nicht leichtgefallen. Von einem niedergelassenen Arzt habe sie als Erstes die Frage gehört: „Wie viel wiegen Sie? Ich weiß nicht, ob der Stuhl das aushält.“
Menschen mit Adipositas würden häufig stigmatisiert, bestätigt Otto. „Viele Patienten bekommen von ihren Hausärzten immer noch zu hören: Sie müssen einfach weniger essen.“ Dabei wisse man längst, dass es hormoneller Veränderungen im Gehirn bedürfte, um das Gewicht nachhaltig zu senken. Vor allem darum gehe es bei den Behandlungen.
David wurde ein Schlauchmagen operiert, eine Verkleinerung um 70 bis 80 Prozent. „Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, hat sowas acht Stunden gedauert“, berichtet Otto. Heute seien es noch rund 40 Minuten. „Und das Risiko ist kleiner als bei jeder Gallenblasenoperation.“ In der Regel genüge ein Eingriff. Ein weiterer sei nur in seltenen Fällen erforderlich, wenn danach Beschwerden aufträten. Etwa Sodbrennen mit einem Magenbypass. Bei dieser Methode wird der Magen direkt an den Dünndarm angeschlossen und so ebenfalls verkleinert.
Bei Magen-Operationen gehört die Mannheimer Universitätsmedizin zu den Top Ten in Deutschland
Rund 750 Magen-Operationen werden in der Mannheimer Universitätsmedizin pro Jahr durchgeführt, da gehört sie laut Otto zu den Top Ten in Deutschland. Der gute Ruf hat auch die Karlsruherin David dazu bewegt, hierher zu kommen. „Hier hatte sich schon eine Freundin von mir vor Jahren operieren lassen.“ Dennoch habe sie einige Zeit mit sich gerungen. Ihr Bruder habe geraten: „Mach das nicht, versuch lieber diese neue Abnehmspritze.“
Vortrag zum Thema
Unter dem Titel „Abnehmspritze oder Operation ? Welche Therapie bei Übergewicht die richtige für Erwachsene und Kinder ist“ lädt das Klinikum am nächsten Dienstag zu einem Informationsabend.
Beginn ist um 18 Uhr im großen Hörsaal in Haus 6 (direkt am Haupteingang am Neckar), Ebene 4. Der Eintritt ist frei .
Moderiert wird die Veranstaltung von Mirko Otto, Chirurgie-Professor und Leiter des Adipositaszentrums. Den Vortrag hält seine Stellvertreterin Susanne Blank. Danach folgt eine Diskussionsrunde . sma
Die sei auch eine gute Therapieform, berichtet Susanne Blank, stellvertretende Leiterin des Adipositaszentrums und gerade zum Gespräch dazugekommen. Für Menschen mit sehr viel Übergewicht eigne sich jene Spritze allerdings weniger. Und werde sie abgesetzt, schlage das Pendel voll zurück.
Also muss man sie ein Leben lang nehmen, selbst im Seniorenalter noch? Dazu gebe es bisher keine Erkenntnisse, sagt Otto. „Bis vor drei Jahren wurde diese Spritze nur für Diabetiker eingesetzt.“ Die hormonelle Wirkungsweise fuße auf der Expertise, die man mit Magenoperationen gewonnen habe.
Abnehmspritzen kosten im Monat zwischen 250 und 300 Euro
Auch werden die Kosten für die wöchentlichen Spritzen – Blank beziffert sie mit monatlich 250 bis 300 Euro – von den Krankenkassen nicht übernommen. Die Operationen schon. Nicht nur bei überschrittenen Grenzwerten des individuellen Body-Mass-Index. Sondern laut Otto auch für andere Patienten, wenn sie vorher ein halbjähriges, multimediales Beratungskonzept mitmachen.
Das tat auch David. Im Klinikum legten sie darauf großen Wert, betont der Chirurg. „Operiert ist schnell, aber man muss sein ganzes Leben damit zurechtkommen.“ Der Eingriff ist unumkehrbar. Otto versteht Menschen nicht, die „in die Türkei fahren und dort dafür 4000 Euro zahlen“. Bei einer Bekannten Davids sollen es sogar nur 2300 gewesen seien.
Der Arzt betont, das dort verwendete Material sei deutlich schlechter als das hiesige, das im Regelfall die Patienten gar nichts koste. Aber auch für die Krankenkassen und damit für die Gesellschaft lohne sich die Übernahme voll, weil die Behandlung von Adipositas-Folgeschäden sehr viel teurer sei. Über Operationsmöglichkeiten und Abnehmspritze will das Klinikum am Dienstag um 18 Uhr in seiner Reihe „Medizin für Mannheim“ informieren (Großer Hörsaal).
Nach Magen-OP: Der Heißhunger ist weg, aber anfangs auch der Appetit
Und wie geht es einem nach der OP? Das sei schon heftig, berichtet David. Zwei Wochen nur Flüssiges, dann langsam Brei, häufige Übelkeitsattacken, Eiweißmangel, gegen den sie heute noch ein Mittel nehmen müsse. Der Heißhunger sei weg, aber anfangs auch der Appetit. „Da habe ich mich schon manchmal gefragt: Was hast Du nur gemacht?“
Nach und nach sei aber Freude am Essen zurückgekommen. Im Restaurant bestelle sie jetzt eben eine Kinderportion. Und von ihrer spanischstämmigen Mutter wünsche sie sich häufig Paella. Fleisch indes esse sie deutlich weniger gern als früher. Ein Rumpsteak etwa würde sie nicht mehr herunterkriegen, davor empfinde sie regelrecht Ekel. Auch Trinken zum Essen gehe nicht mehr, da werde zu viel Platz im Magen beansprucht. Selbst ein Glas Wasser sei frühestens nach einer Viertelstunde möglich.
„Man gewinnt so viel Lebensqualität zurück“
Was sie wohl noch angeht, ist eine Straffung der Haut am Bauch. Mit der haben viele Menschen nach starkem Gewichtsverlust Probleme. Gibt es medizinische Gründe wie Entzündungen für den Eingriff, zahlt ihn die Kasse.
David hat gleich noch einen Termin, sie soll anderen Adipositas-Patienten im Klinikum von ihren Erfahrungen berichten. Im Nachhinein bereue sie nur eines, betont die 41-Jährige: dass sie sich nicht schon früher habe operieren lassen. „Man gewinnt so viel Lebensqualität zurück.“ Wie in ihrem Fall nicht zuletzt den ersehnten Flug in die Karibik.
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