Mannheim. Sport im Verein: Das war für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Doch diese gern gelebte Routine wurde in den vergangenen zwei Jahren arg strapaziert - und hatte Folgen für die Sportvereine. Der üblichen Fluktuation aufgrund von Wegzügen oder Tod standen wegen der gesetzlichen Restriktionen im Rahmen der Coronavirus-Pandemie deutlich weniger Eintritte gegenüber. Damit nahm die Anzahl der Mitglieder ab - etwa beim TSV Mannheim laut Geschäftsführer Christian Berkes von knapp 5000 Ende 2019 auf weniger als 4200 Ende 2021. „Es wird womöglich Jahre dauern, diesen Verlust zu kompensieren“, sagt er.
Seitdem die sukzessive Rücknahme der Einschränkungen wieder ein normales Vereinsleben ermöglicht, erleben die Vereine nun wieder einen Zulauf. Und das sorgt wiederum für das eine oder andere Problem. „Als sich die Pforten wieder geöffnet haben, sind wir in fast allen Bereichen überrannt worden - vor allem bei den Kindern und Jugendlichen. Die Mitgliederzahl hat wieder deutlich zugenommen“, berichtet Volker Proffen, Vorsitzender des TSV Neckarau. Sogar neue Gruppen wurden gegründet, etwa für Rehasport. Doch: „Ein paar neue Übungsleiter sind dazukommen, aber nicht so viele, wie wir eigentlich bräuchten. Das ist für uns aber noch kein Grund, zu jammern“, betont Proffen.
Wegen der Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen mussten Hallenzeiten gestrichen werden.
Diese Entwicklung bestätigt auch Sabine Hamann, Vorsitzende des Sportkreises Mannheim. „Es gibt einen Run auf die Sportvereine. Aber was sie tatsächlich nicht mehr haben, sind Trainer“, sagt sie und nennt als Beispiel Schwimmtrainer, wodurch lange Wartelisten entstehen würden. Daher sei die Europäische Woche des Sports Ende September auch der Gewinnung von Trainern und Mitgliedern sowie der Frage gewidmet, wie man die Vereine bei der Trainersuche unterstützen könne. Ein weiteres, ganz aktuelles Problem führt Hamann auch an, mit denen die Vereine konfrontiert sind. Aufgrund der Vielzahl an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sind einige Hallen zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert worden, wodurch Hallenzeiten der Vereine gestrichen werden müssen.
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Aber es sind nicht nur die Trainer, die aktuell fehlen. Auch ehrenamtliche Helfer hätten sich in den vergangenen zwei Jahren anderweitig orientiert. Die Zeit, in der sie nicht für ihren Verein aktiv waren, musste gefüllt werden - und damit verlagerten sich mitunter die Prioritäten. „Ein Spartenverein hat bei uns angefragt, ob er mit seinen Mitgliedern zu uns wechseln könne“, berichtet Berkes. In kleineren Vereinen reiche es teilweise schon aus, wenn ein, zwei Ehrenamtliche nicht ersetzt werden könnten: „Dann besteht die Gefahr, dass es kippt“, sagt er. Das bestätigt auch Hamann. Mitarbeiter im Hauptamt hätten während der Pandemie in Kurzarbeit geschickt werden oder andere Arbeiten, wie etwa in Corona-Teststationen, übernehmen können. Ehrenamtlich organisierte Vereine hätten diese Möglichkeit nicht gehabt. Sie ist aber zuversichtlich, dass die Ehrenamtlichen wieder den Weg zurück in die Vereine finden.
Der TSV Mannheim mit seinen mehr als 50 hauptamtlichen Mitarbeitern habe aktuell diesbezüglich keine Probleme. Doch das sei kein Grund, sich zurückzulehnen: „Wir haben viele Mitglieder, die bei uns seit Jahrzehnten aktiv sind - auch während der vergangenen zwei Jahre. Wir realisieren aber einen Generationswechsel im Hauptamt, da sich die Babyboomer-Generation so langsam zurückzieht“, sagt Berkes. Jüngere Mitglieder, die sich einbringen können, seien zahlenmäßig geringer: „Wir müssen mehr Anstrengungen unternehmen, um die ausscheidenden Leute zu ersetzen.“
Im Hauptamt steht der TSV vor einem Generationenwechsel, denn Jüngere rücken kaum nach.
Auch bei der Nachfrage am Sportangebot hat Berkes eine Veränderung festgestellt. Beim Gesundheitssport und im Fitnessbereich gebe es etwa eine geringere Resonanz als noch vor der Pandemie. Zum einen seien die Leute aufgrund der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus noch vorsichtig, zum anderen „haben sich viele eine Fitness-Apps zugelegt und begonnen, selbst laufen zu gehen“. Das verstärke die schon länger vorhandene Tendenz, dass immer mehr Menschen individuell und nicht abhängig von Trainingszeiten Sport treiben wollen. Der TSV versuche daher niederschwellige Angebote zu schaffen, bei denen man nicht direkt in den Sportverein eintreten müsse. Das sei etwa durch das Buchen von Volleyball- oder Basketballfeldern möglich. Aber auch rein digitale oder hybride Trainings haben Einzug gehalten: „Berufstätige können sich mit dem Handy einloggen oder zum Kurs kommen. Wir versuchen damit, dem Wunsch nach größerer Unabhängigkeit Rechnung zu tragen“, sagt er.
Ein solch eher unabhängiges Angebot ist etwa auch Sport im Park im Unteren Luisenpark. „Die Menschen waren 2020 und 2021 froh, dass sie unter freien Himmel trainieren konnten, während etwa die Fitnessstudios im Lockdown waren“, sagt Mark Redlich vom Fachbereich Sport, Freizeit und Sportevents der Stadt Mannheim. Er geht davon aus, dass die Teilnehmerzahl bald wieder Vor-Corona-Niveau erreichen wird. Demnächst soll das Freiluft-Sportangebot auf Franklin ausgeweitet werden. In dem Konzept sind auch außergewöhnliche Sportangebote vorgesehen - wie Vollmondyoga oder Hoola-Hoop. „Wir suchen ständig neue Trainer, die für uns den Sport machen und die gern auch neue Sportarten anbieten können.“ Da ist die Stadt in guter Gesellschaft mit den Sportvereinen.
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