Stadtgeschichte - Christian Führer erinnert in einem Vortrag an die Frau eines US-Offiziers, die eine Adoptionsbrücke aufbaute

Mommie Mabel - Mutter der Besatzungskids

Von 
Susanne Räuchle
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Kämpfte in Mannheim an vorderster Front für ihre "brown Babies" und adoptierte selbst zwölf farbige Kinder: Mabel A. Grammer.

© ISG

Es war an einem Mittwoch im Oktober 1951, als die "krausen schwarzen Wollköpfchen" im Stadtjugendamt verabschiedet wurden. "S´hat uns g'falle, wir kommen widder!" winkten die Kinder, und in der Zeitung stand damals noch fern jeder "political Correctness" die dicke Überschrift "Zwei kleine Negerlein, die fahren übern Teich". Edgar und Ute, so hießen die beiden fünfjährigen Mannheimer, brachen glückstrahlend auf zu neuen Ufern, wunderbar ausgerüstet vom Jugendamt mit Mäntelchen, Mützen und Handköfferchen, begleitet von Teddybären und Max-und-Moritz-Buch starteten sie mit dem Flugzeug in ihre Zukunft, wurden in den Staaten sehnlichst erwartet von ihren amerikanischen Adoptiveltern.

Die beiden Kleinen waren die ersten farbigen Besatzungskinder der Nachkriegsjahre, die diesen Sprung über den Ozean und über alle bürokratischen Hürden schafften.

Brown Babies als Problemfall

Und Mabel A. Grammer gehörte in jenen Jahren zu den Kräften, die sich für ein besseres Schicksal der oft ausgegrenzten, benachteiligten, im Stich gelassenen Buben und Mädchen mit der Macht ihres Herzens und lauter Stimme einsetzte. Über ihren Einsatz an der Brown-Baby-Front in Nachkriegs-Hungerzeiten berichtet am Mittwoch, 15. Januar, 19 Uhr, Professor Dr. Christian Führer.

Der Autor des 2013 vom Stadtarchiv-ISG veröffentlichten Buches "Memories of Mannheim. Die Amerikaner in der Quadratestadt", erinnert jetzt in einem Vortrag beim Stadtarchiv zum 100. Geburtstag der beherzten Amerikanerin an jene Tage, als sich nicht alle Mitgefühl und multikulturelle Offenheit leisten wollten. Die kinderlose Journalistin, Ehefrau des Besatzungsoffiziers Oscar Grammer, lebte zwischen 1951 und 1954 mit ihrem Mann in der Arndtstraße 7 in Feudenheim - und ging mit offenen Augen durch die Stadt, sah die Lage vieler vaterlosen "Mischlingskinder", die als "Problem" angesehen und oft zurückgesetzt und in Heime abgeschoben wurden.

Die Grammers handelten, adoptierten im Lauf der Jahre selbst zwölf "Mischlingskinder" in Mannheim und Umgebung. Darüber hinaus schrieb die ausgebildete Journalistin gegen die Ausgrenzung der Mischlingskinder an, veröffentlichte in überwiegend von schwarzen Amerikanern gelesenen Zeitschriften in den USA zahlreiche Artikel. Hunderte Familien, so Führer in seinen Recherchen, fragten daraufhin nach, ob auch sie ein solches Kind aus dem fernen Deutschland adoptieren könnten. Und Mabel A. Grammer überwand mit flammender Überzeugungskraft alle amtlichen Hindernisse, sie baute eine regelrechte "Adoptionsbrücke" zwischen deutschen Kinderheimen - darunter das Kinderheim St. Josef - und den USA auf. Sie vermittelte durch den von ihr initiierten "Brown Baby Plan" mehreren hundert Mischlingskindern neue Eltern in den USA. Nicht immer aber oft eine Erfolgsstory.

In der Geborgenheit ihrer amerikanischen Familien blieb vielen die Stigmatisierung durch die deutsche Nachkriegsgesellschaft erspart. Für ihre Menschlichkeit wurden Oscar und Mabel A. Grammer im Jahre 1968 durch Papst Paul VI. mit dem Pro Ecclesia et Pontifice Ehrenorden und der Bene Merenti Verdienstmedaille ausgezeichnet.

Mabel A. Grammer starb im Jahre 2002 im Alter von 88 Jahren. Von den zwölf Mischlingskindern, so berichtet Führer, die von den Grammers in Deutschland adoptiert wurden, stiegen in ihrem Berufsleben einige auf in hohe Positionen im amerikanischen Militär oder zivilen Bereich, so die Recherchen Führers.

Besatzungskinder

Von 1945 bis 1959 wurden in Mannheim 2183 Kinder geboren, deren Mütter Deutsche und deren Väter Angehörige der US-Army waren. 539 dieser Kinder hatten farbige Väter.

Bundesweit waren von den 70 000 Besatzungskindern, die in diesem Zeitraum zur Welt kamen, 6000 "Mischlingskinder".

Professor Dr. Christian Führer von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg berichtet in seinem Vortrag am Mittwoch, 15. Januar, 19 Uhr im Friedrich-Walter-Saal des Stadtarchivs im Collini-Center über "Mabel A. Grammer - Engel der Mannheimer Besatzungskinder". Dazu wird auch ein Filmausschnitt mit Interview gezeigt. red

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