Europawahl

"MM"-Stadtgespräch - so wurde für und gegen eine starke EU argumentiert

Warum brauchen wir eine starke Europäische Union? Oder brauchen wir sie gar nicht? Beim "MM"-Stadtgespräch diskutierten sechs Mannheimer Parteien-Verteterinnen und Vertreter. Vor allem zwei Themen standen im Vordergrund

Von 
Till Börner
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Das "MM"- Stadtgespräch im Anna-Reiss-Saal am Mittwochabend: Sebastian Camarero (v.l.), Rüdiger Ernst, Tanja Hilton, Moderator Walter Serif, Vincent Oehme, Nina Wellenreuther und Hannah Ziegler. © Christoph Bluethner

Mannheim. Achim Wambach hat einen Wunsch. Als der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Österreich war, konnte er die Sportschau nicht gucken. „Der digitale Binnenmarkt funktioniert nicht. Das sollte die Europäische Union ändern“, so Wambach. Seinen Wunsch richtete der Ökonom an sechs Männer und Frauen, die am Mittwochabend im Anna-Reiss-Saal des Museums der Weltkulturen ihren großen Auftritt hatten. „Warum braucht Deutschland eine starke EU?“ lautete der Titel des „MM“-Stadtgesprächs, das gemeinsam mit der Europa-Union Mannheim stattfand und auf die Europawahl am 9. Juni einstimmte. Wambach, der einen Impulsvortrag hielt, betonte insbesondere die wirtschaftlichen Vorteile des gemeinsamen Binnenmarktes.

Zwei Themen standen besonders im Vordergrund des Abends: Frieden und Wirtschaft. So forderte der Sozialdemokrat Sebastian Camarero, der auf Platz 96 der SPD-Liste für die Europawahl steht, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: „Wir wollen eine europäische Armee und keine 27 Einzelarmeen.“ Die Kosten für die Verteidigung, aber auch für den Klimaschutz, solle die EU durch gemeinsame Investitionen decken. Wie ein europaweit einheitlicher Mindestlohn aussehen soll, konnte Camarero nicht mehr erläutern. Da der 35-Jährige seine fünfminütige Redezeit klar überzogen hatte, beendete Moderator Walter Serif, Politikredakteur des "Mannheimer Morgen", mit einem Glockengeläut den Vortrag.

Hilton: Europäische Union nur noch „ein reines Wirtschaftsbündnis"

Keine Lobeshymnen, sondern „kritische Anmerkungen“ brachte Rüdiger Ernst hervor. Der Mannheimer AfD-Stadtrat kritisierte, dass es zu viele „unsinnige Gesetze und Verordnungen aus Brüssel“ gebe und nannte das Aus für den Verbrennermotor ab 2035 als Beispiel. „Wir wollen ein Europa der Vaterländer und eine Reform der EU“, so der 51-Jährige, der den Binnenmarkt als Erfolg und die Einführung des Euro als Fehler bezeichnete.

Für Tanja Hilton ist die Europäische Union nur noch „ein reines Wirtschaftsbündnis, das Konzerninteresse vertritt“ und Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien liefere. Die 48 Jahre alte Linkenpolitikerin, die auf Platz 13 der Bundesliste ihrer Partei kandidiert, wünscht sich zudem eine staatlich organisierte Seenotrettung im Mittelmeer.

Ähnlich wie sein Vorredner Camarero von der SPD bezeichnete auch Vincent Oehme eine europäische Verteidigungsunion mit einer gemeinsamen Armee als erstrebenswertes Ziel. Für den 20-Jährigen, der auf Platz 94 der FDP-Bundesliste ins Rennen um einen Sitz im EU-Parlament geht, ist das Erasmus-Programm ein "Erfolgsprojekt der Europäischen Union". Das Förderprogramm auf Auslandsaufenthalte soll laut Oehme nicht nur für Studierende, sondern auch für Azubis sowie Schülerinnen und Schüler weiter ausgebaut werden.

Mit ihren 27 Jahren hat Nina Wellenreuther nur eine EU ohne Schlagbäume kennengelernt. Die Grünenpolitikerin, die Fraktionsvorsitzender ihrer Partei im Mannheimer Stadtrat ist, sieht in der Bekämpfung der Klimakrise ein europäisches Großprojekt. Ebenso müsse die Europäische Union als ein starkes Bündnis die Weltwirtschaft mitbestimmen, denn ein "Einzelstaat kann das nicht".

Achim Wambach: "Gibt zwei Arten von Ländern in Europa"

Durchaus ähnlich wie Wellenreuther argumentierte Hannah Ziegler. Die CDU-Politikerin, die auf Platz elf der baden-württembergischen CDU-Landesliste steht, betonte die notwendige Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Klimawandel sowie beim Verteidigen der Freiheit gegen demokratiefeindliche Regime. Zudem erwähnte die 29-Jährige, dass die Europäische Union nicht perfekt sei. "Sie verliert sich oft im Kleinklein der Regulierung. Der Motor EU muss wettbewerbsfähig bleiben."

Dass einzelne europäische Nationalstaaten im internationalen Handel mitunter als Zwerge wahrgenommen werden, ist für Achim Wambach keine Überraschung. "Es gibt zwei Arten von Ländern in Europa", erklärte der ZEW-Präsident den rund 150 Gästen im Anna-Reiss-Saal, "die, die klein sind und diejenigen, die noch nicht wissen, dass sie klein sind". So wird in China auch Deutschland als nicht wirklich groß angesehen. Nur mit einer starken EU und einem starken europäischen Binnenmarkt gebe es laut Wambach ein Pfund, mit dem international verhandeln könne.

Redaktion Redakteur in der Onlineredaktion

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