Im Streit um den Mannheimer Mietspiegel (wir berichteten) hat das Landgericht nun Befangenheitsanträge gegen den Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer als begründet bestätigt. Gleichzeitig hat es gegenteilige Beschlüsse des Amtsgerichts, das die Befangenheitsanträge abgewiesen hatte, aufgehoben. Das zuständige Amtsgericht muss nun einen neuen, neutralen Sachverständigen suchen.
Vor dem Amtsgericht geklagt hatten ursprünglich zwei Vermieter aus Feudenheim. Sie hatten ihre Mieten stärker erhöht als es der Mietspiegel vorgibt. In einem Fall handelt es sich um einen Anstieg von 630 auf 735,14 Euro. Da die Mieter nicht zahlen wollten, landeten die Verfahren im November 2018 vor Gericht. Im Januar 2019 wurde der Dortmunder Gutachter eingeschaltet.
„Aus Zusammenhang gerissen“
Gegen ihn stellte der stellvertretende Vorsitzende des Mannheimer Mietervereins, Rechtsanwalt Alexander Sauer, den Befangenheitsantrag. Sauer vertritt in den beiden Verfahren die Mieter. Weil Krämer in einem Interview mit der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ unter anderem gesagt hatte, „außer in München gibt es unter den mir bekannten Mietspiegeln keinen einzigen qualifizierten in Deutschland“, bestehe der Verdacht der Befangenheit. Krämer hatte damals dagegen gehalten, dass von Sauer zitierte Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen seien. In dem kritisierten Interview habe er auch darauf hingewiesen, dass es in vielen Städten gute Mietspiegel gebe. Zudem habe er viele dieser Zahlenwerke auch positiv bewertet.
Die jetzige Entscheidung des Landgerichts begrüßte Sauer im Gespräch mit dieser Zeitung. Sowohl den Befangenheitsantrag als auch die Beschwerde Sauers gegen den für seine Mandanten negativen Beschluss hatte das Amtsgericht zuvor abgewiesen. Der Mieter-Anwalt unterstreicht in einer Stellungnahme, dass es zur Ablehnung eines Experten genüge, wenn die Besorgnis der Befangenheit „objektiv gerechtfertigt“ sei – unabhängig davon, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder nicht.
Die nun erfolgte Entscheidung des Landgerichts wertet Josef Piontek, Vorsitzender des Eigentümerverbands Haus und Grund, dagegen als „Angriff auf das Grundrecht der Meinungs- und Berufsfreiheit“. Der Statistik-Professor Krämer hatte in seinem Gutachten „massive Mängel“ des Mannheimer Mietspiegels festgestellt. Der ist nach Auffassung des Eigentümerverbandes deswegen unwirksam.
Knackpunkt in den Prozessen um die zulässige Miethöhe in Mannheim ist beispielsweise die Frage, ob die Wohnungen der für generell niedrige Mieten bekannten städtischen Wohnungsgesellschaft GBG in dem Mietspiegel überproportional vertreten und damit die Mietvorgaben zu niedrig seien. Auch die Frage, ob die Datenerhebung für den Mietspiegel wissenschaftlichen Kriterien genüge, soll in dem Prozess geklärt werden. Josef Piontek, der als Rechtsanwalt die beiden Kläger in dem Streit um die Mieterhöhung vertritt, hält das Krämer-Gutachten dabei für „so fundiert, dass wir uns nicht vorstellen können, dass ein anderer Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommt.“
„Wenig belastbare“ Aussagen
Nach Rechtsanwalt Sauers Einschätzung ist es dagegen auf jeden Fall notwendig, die Aussagen des Dortmunder Statistikers von Experten nachprüfen zu lassen. Das inzwischen vorliegende Gutachten Krämers hält der Mieter-Anwalt passagenweise für „sehr stimmungsträchtig“ und „wenig belastbar“.
Beide Seiten hoffen nun, dass das Gericht im zweiten Anlauf einen neutralen Sachverständigen findet, oder die Prozessbeteiligten sich auf einen gemeinsamen Gutachter einigen können. Die beiden Verfahren könnten dann vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Einen Zeitplan dafür gibt es indessen noch nicht. Auf Nachfrage teilte Amtsgerichts-Sprecherin Carla Köhler mit, dass die Befangenheits-Entscheidungen des Landgerichts bislang nicht beim Amtsgericht eingegangen seien.
Daten zum Wohnungsmarkt in Mannheim
- Nach Angaben der Stadt gibt es in Mannheim einen Bestand von 166 855 Wohnungen (Stichtag 31. Dezember 2018). Den größten Anteil nehmen Dreizimmerwohnungen ein (29,6 Prozent).
- Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG hat nach eigenen Angaben einen Bestand von 18 883 Wohnungen.
- Bei der GBG betrug die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter im vorvergangenen Jahr 2018 bei 6,32 Euro. 2017 lag sie bei 6,19 Euro, 2016 noch bei 6,14 Euro.
- Anders dagegen beim Mannheimer Mietspiegel, der alle frei finanzierten – also keine mit öffentlichen Geldern geförderten – Wohnungen umfasst und einen Durchschnittpreis von 7,71 Euro pro Quadratmeter ausweist.
- Eine Mietpreisbremse gilt in Mannheim nicht, weil bisher die Voraussetzungen nicht erfüllt waren.
- Ein neues Gutachten, das von der L-Bank in Auftrag gegeben wurde, hat indessen einen „angespannten Wohnungsmarkt“ festgestellt. cs
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mietspiegel-neutraler-gutachter-gesucht-_arid,1580595.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/feudenheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html