Wirtschaft

Metall- und Elektroindustrie: Das ABC der Tarifverhandlungen

An diesem Mittwoch starten in der Region die Verhandlungen der Metall- und Elektroindustrie. Von A wie Acht bis Z wie Zeitplan - das sind die wichtigsten Punkte für die kommenden Wochen

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Alexander Jungert
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In der Metall- und Elektroindustrie starten die Tarifverhandlungen. © Oliver Berg/dpa

Acht

Mannheim. Um diese Zahl dreht sich bei der anstehenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie alles. Denn die IG Metall verlangt acht Prozent mehr Geld über eine Laufzeit von einem Jahr – als Erhöhung, die dauerhaft in die Tariftabellen einfließt. Es gebe keine Veranlassung, derzeit davon abzuweichen, erklärt Thomas Hahl, Chef der Mannheimer IG Metall. Sein Kollege Jörg Köhlinger von der IG Metall Mitte, zu der die Bezirke Hessen und Rheinland-Pfalz gehören, sagt: „Arbeitszeitverlängerung und Nullrunde“ zu Zeiten hoher Inflation und hoher Energiekosten werde es mit der Gewerkschaft nicht geben. Die Arbeitgeber lehnen die Forderung ab, sie verweisen auf die hohe Kostenlast der Betriebe (siehe E). Arnd Suck, Geschäftsführer der Bezirksgruppe Rhein-Neckar-Odenwald von Südwestmetall, sagt, aktuell gehe es darum, die Krisen zu bewältigen, Wachstum zu schaffen und einen wettbewerbsfähigen Flächentarifvertrag anzupeilen. „Es ist äußerst alarmierend, dass die Firmen im Moment aufgrund der wirtschaftlich extrem schwierigen Lage und der hohen Kostenbelastungen ihre Investitionen kürzen oder schieben müssen.“ Acht Prozent seien „abseits jeglicher Realität“, erklärt zudem Hessenmetall-Verhandlungsführer Oliver Barta.

Beteiligung

Vor der Tarifrunde hat die IG Metall bundesweit ihre Mitglieder befragt – etwa 200 000. Allein in Baden-Württemberg waren es 55 000. „Von daher: Wenn wir über die Forderung der IG Metall reden, reden wir von der Forderung der Mitglieder“, unterstreicht Thomas Hahl, Chef der Mannheimer IG Metall.

Chancen

Die IG Metall sieht die Chance, die Beschäftigten gerade in diesen Zeiten ordentlich zu entlohnen und Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenzubringen; die Arbeitgeber wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Standorte gesichert haben.

Durchbruch

Wann es zu einem Durchbruch bei den Verhandlungen kommt, ist die große Frage. Die Metall- und Elektroindustrie steuert auf eine der wohl konfliktreichsten Tarifrunden seit langem zu. Zumindest ein grober Zeitplan steht, siehe Z.

Energiekosten

Für beide Seiten ein Argument, um ihre Forderungen zu rechtfertigen. Die IG Metall sieht „Millionen von Kolleginnen und Kollegen, die unter der Teuerungsrate leiden“ und entsprechend mehr Geld im Portemonnaie haben müssen. Hingegen verweisen Südwest- und Hessenmetall auf explodierende Energiekosten, vor allem bei energieintensiven Betrieben wie Gießereien. Während die Gewerkschaft erklärt, es gebe durchaus Betriebe, denen es in weitem Umfang gelinge, die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten auf die Preise umzuwälzen, hebt etwa Südwestmetall hervor, den meisten Unternehmen sei das nur in „geringem Umfang“ möglich.

Flächentarifvertrag

Flächentarifverträge sind in Deutschland sehr gebräuchlich. Sie werden von den Tarifpartnern für bestimmte Branchen und Regionen („Fläche“) ausgehandelt. Das (Flächen-)Tarifvertragssystem hierzulande soll weitgehend gleiche Bedingungen für die Betriebe einzelner Branchen garantieren. Das Gegenteil sind individuelle betriebliche Regelungen. Es gibt auch einen Sonderfall – siehe P.

Hilfspaket

Der IG Metall geht das jüngste Hilfspaket der Bundesregierung nicht weit genug, weil es nach Ansicht der Gewerkschaft bislang wenig Entlastung für Normalverdiener gebracht hat. Bundes-IG-Metall-Chef Jörg Hofmann weiß, dass die Erwartungen vieler Mitglieder an die Tarifverhandlungen gerade deshalb hoch sind. Er fordert schon jetzt ein weiteres Entlastungspaket von der Regierung. „Wir werden nicht alles schaffen können, was die Inflation in den nächsten zwei Jahren mit sich bringt.“ Indes vermissen die Arbeitgeberverbände Entlastungen für Unternehmen.

Inflation

Vor allem für die Gewerkschaft ein Argument, um ihre Forderung zu unterstreichen – siehe A und E. Die Inflation von fast acht Prozent (August) bereitet vielen Verbrauchern in finanzieller Hinsicht Sorgen. Wie sich die Inflationsrate entwickelt, kann noch niemand sagen. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa, wie die EZB nun weiter vorgeht. Aber auch, ob es eine Lohn-Preis-Spirale (siehe L) gibt. Oder wie lange der Krieg in der Ukraine (siehe U) dauert.

Kaufkraft

Damit untermauert die IG Metall ihre Forderung von acht Prozent. Die Leute sollen wieder mehr Geld in der Tasche haben, um zu konsumieren und so die Binnennachfrage zu stärken. „Wir wollen die Einkommen der Beschäftigten nachhaltig erhöhen“, sagt Roman Zitzelsberger, Chef der IG Metall Baden-Württemberg.

Lohn-Preis-Spirale

Dahinter steckt die Sorge, dass hohe Lohnforderungen die Inflation befeuern. So argumentieren die Arbeitgeberverbände. Peter Körner, Vorstandsvorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Rhein-Neckar-Odenwald und in der Geschäftsführung von Caterpillar Energy Solutions in Mannheim, sagt: „Die Tarifparteien sollten nicht versuchen, mit Entgelterhöhungen die sehr hohe Inflation ausgleichen zu wollen. Die gegenwärtige Inflation ist infolge explodierender Energie- und Rohstoffpreise nämlich hauptsächlich importiert. Wenn den Lohnsteigerungen aber kein entsprechender Produktivitätszuwachs entgegensteht, wird dadurch die Inflationsdynamik nur weiter angeheizt.“ Die Gewerkschaft sieht das anders. „Denn die Preise werden derzeit nicht durch die Löhne in die Höhe getrieben – sondern durch andere Faktoren, die auch teilweise von den Unternehmen selbst verursacht wurden“, so Thomas Hahl von der Mannheimer IG Metall. „Indem sie Produkte verlagert und damit die Lieferkettenproblematik ausgelöst haben.“

Metall- und Elektroindustrie

Die Metall- und Elektroindustrie (M+E-Industrie) gilt als das Herz der deutschen Wirtschaft mit rund vier Millionen Beschäftigten. Zur M+E-Industrie gehören sowohl große, international aufgestellte Konzern – in der Region etwa Daimler Truck und John Deere – als auch mittelständische Zuliefererfirmen.

Nachwuchs

Wo sind nur alle? Der Fachkräftemangel beschäftigt die gesamte Branche. Denn er erschwert das Geschäft zusätzlich. Viele Betriebe können Aufträge aktuell nicht abarbeiten, weil Personal fehlt.

Pforzheimer Abkommen

Das Abkommen erlaubt Unternehmen, von Tarifverträgen befristet abzuweichen, wenn sie dadurch Arbeitsplätze sichern oder neue schaffen. Der Flächentarifvertrag bleibt jedoch der Standard, die Abweichung ist die Ausnahme. In der Vergangenheit ist das Modell schon angewandt worden; auch in der aktuellen Tarifrunde dürfte darüber gesprochen werden.

Rezession

Die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs besteht, siehe W.

Stimmung

Wenn man IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hört, dann ist die Stimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern „ausgesprochen aufgeheizt“ – wegen der enormen Teuerung vor allem von Energie (siehe E), Sprit und Lebensmitteln. Hofmann wendet sich gegen mögliche Vorstellungen der Arbeitgeber, in der Energiepreis-Krise vor allem mit Einmalzahlungen zu agieren.

Transformation

Ein sperriges Wort für einen tiefgreifenden Umbruch in der Branche. Damit ist die Digitalisierung gemeint, aber auch der Klimaschutz. Neue Technologien werden genutzt, was die Produktionsabläufe samt Anforderungen an die Beschäftigten verändert. Die Arbeitgeber lehnen die Entgeltforderung der IG Metall auch damit ab, dass erst einmal wieder Wachstum geschaffen und Geld verdient werden muss, um die Transformation zu stemmen.

Ukraine-Krieg

Der Krieg in der Ukraine ist wesentliche Ursache für die hohen Energiepreise (siehe E). Unternehmen müssen sich verstärkt um ihre Versorgung mit Gas kümmern – oder sogar Alternativen suchen. Der Krieg hat zudem die durch die Corona-Krise aufgeworfenen Probleme wie Rohstoffmangel und gestörte Lieferketten verstärkt.

Verhandlungstisch

Wie auch immer der Verhandlungstisch aussieht: die Beteiligten werden in den kommenden Wochen immer wieder von ihm sprechen. Eine Einigung wird bei Tarifrunden übrigens oft nachts gefunden. Ob es dieses Mal auch so ist?

Wirtschaftliche Lage

Die jüngsten Prognosen der Wirtschaftsforscher hören sich nicht gut an. Als sicher gilt: Die Wirtschaftsleistung wird schrumpfen, und die Preise steigen noch mehr. Darauf berufen sich die Arbeitgeber. Höhere Personalkosten durch höhere Gehälter seien daher nicht zu verantworten.

Zeitplan

An diesem Mittwoch beginnen die Verhandlungen in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Den Anfang hat Niedersachsen am Montag gemacht. Die regionalen Entgelt-Tarifverträge in der Branche laufen bundesweit zum 30. September aus. Warnstreiks in den zentralen Branchen der deutschen Industrie wie Auto und Maschinenbau sind nach dem 28. Oktober möglich. In aller Regel wird im Laufe der Verhandlungen ein Pilotbezirk vereinbart, dessen Abschluss dann die übrigen Regionen übernehmen.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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