„Jetzt sind wir ganz oben angekommen – ich kann es immer noch nicht fassen!“ Wer am Sonntag mit Dieter Roesberg telefoniert, könnte auch den Eindruck gewinnen, er spräche mit jemandem, der gerade seinen Lottogewinn feiert. Dass sich der Triumph im Mannheimer Rosengarten nach drei intensiven Tagen Guitar Summit selbst für einen Routinier wie den Herausgeber von „Gitarre & Bass“ genau so anfühlt, kann man Roesberg nicht verdenken. Denn mit rund 9400 Besuchern schlagen die Veranstalter um das Fachmagazin in Zusammenarbeit mit Next Mannheim nicht nur den Wert aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 um Längen: Sie bieten an drei bewegenden Tagen auch eine Messe, die von Inhalt und Qualität so hohe Maßstäbe setzt, dass sich die Verantwortlichen eigentlich nur noch selbst schlagen können.
Doch von vorne. Denn Wochen, Tage und noch Stunden vor der Ausrichtung des Guitar Summit herrscht allein die Ungewissheit. Zwar hatte sich das Branchentreffen für alle Gitarren-Enthusiasten auch vor der Pandemie längst schon einen Namen als Europas größtes Gitarrenereignis seiner Art gemacht. Doch ob der sich über Corona hinweg erhalten haben würde, blieb völlig im Unklaren. Die Erleichterung kam dann erst, als am Freitag die Türen aufgingen – und die Besucher quasi nur so in die Freiflächen zwischen Mozartsaal und Musensaal hineinflossen.
Es dominierte ein Strahlen der Dankbarkeit, sich endlich wieder begegnen zu dürfen. Gitarrenbauer Stephan Cuntz fasst es im Gespräch mit dieser Redaktion in folgende Worte: „Wenn du deinen Messestand endlich wieder aus der Garage holen und persönlich mit den Menschen sprechen kannst, für die du diese Instrumente baust: Das ist fast unwirklich.“
Fast unwirklich schön kommt auch die Vielfalt all derer daher, die auf dem Summit ihre Künste anbieten. Denn ob die 48ers beweisen, dass Kfz-Fachmänner auch Gitarrenbauer werden können, Boutique-Meister Jens Ritter seine funkelnd blau besetzte Jubiläumsedition präsentiert, oder Szene-Größen wie Ibanez den Einstieg ins Metier vermitteln: Es dominiert der Enthusiasmus.
Gut besuchte Workshops
Es entsteht eine emotional überragende Atmosphäre, die sich im Großen wie im Kleinen fortsetzt. Im Großen bei den fast schon epischen Konzertnächten, die mit imposanten Klängen von Musikern wie Mike Dawes oder Henrik Freischlader in Richtung Legendenstatus marschieren. Im Kleinen an den Ständen und Sälen, die sämtliche gewöhnlichen Erwartungshaltungen schlichtweg durch überraschende Impulse konterkarieren. Wie etwa bei Michael Herbst. Denn obwohl der Mannheimer Gitarrenbauer eigentlich keinen Stand mit besonders hohen Publikumsströmen erwischt hat, kommen immer wieder Besucher gezielt zu ihm und sprechen ihn auf seine gestreifte Akustik-Gitarre an. Aus gemaserten Fichte-, Ahorn- und Walnussstreifen gefertigt, vereint das Instrument nicht nur in sich eine klangliche Vielfalt, sondern präsentiert sich auch optisch mutig wie ein gestreiftes Wildtier.
Während Instrumente wie die von Herbst in ihrer Anziehungskraft zumindest strukturell erklärbar sind, fallen andere Phänomene in diesen drei Tagen völlig aus der Reihe. Denn just zur Mittagszeit und damit eigentlich für die großen Ansprüche ungelegen, beginnt die Jazz-Bassistin Kinga Glyk mit ihrem Workshop in einem der Seitensäle. Anfangs ist die Gästeschar noch überschaubar, doch je mehr Klang nach außen dringt, je mehr interessierte Gäste in Richtung der jungen Künstlerin laufen, desto schneller füllt sich der Raum. Nach einer Stunde können die Besucher nur noch in der Tür stehen, um andachtsvoll zu lauschen, während Kinga Glyk erklärt: „So etwas Großartiges wie diesen Workshop habe ich noch nie erlebt.“
Aus Toronto angereist
Allein gesehen wären Situationen wie diese bereits beachtlich. Doch dass sämtliche Meisterklassen und Workshops bis auf den letzten Platz besetzt werden, spricht Bände. Zumal auch der erstmals ausgerichtete Familientag ein Erfolg ist. Jason Donaghue etwa ist mit seiner zwölfjährigen Tochter Claire aus Toronto nach Mannheim gekommen, um seiner Kleinen tiefere Einblicke in die Magie dieses Instruments zu schenken – und ist begeistert: „Ich habe vieles erwartet, aber ich habe noch mehr bekommen.“
Und so feiert Mannheim sein Fest der Saitenkünste, das der Unesco City of Music längst international alle Ehre macht – und seine Geschichte noch längst nicht ausgeschrieben hat.
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